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Minerale sind…Marburg
Die Wissenschaft der Mineralogie hat eine lange Tradition in der Universitätsstadt Marburg.
Die Marburger mineralogische Sammlung wurde im Jahre 1790 begründet, zu einer Zeit, als die Mineralogie (oder „Oryktognosie“, wie sie damals noch genannt wurde) noch in den Kinderschuhen steckte und begann, sich als eigenständiger Wissenschaftszweig zu etablierten. Zweck und Aufgabe dieses frühen „Hessischen Mineralien-Kabinetts“ bestand unter anderem darin, Belegstücke aus der zum Teil stark vom Bergbau geprägten Region Mittelhessen zu sammeln – hauptsächlich als Anschauungsmaterial für die Ausbildung, aber auch für die Forschung.
Marburg war ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert bis zur Schließung des Fachbereichs Geowissenschaften im Jahr 2005 eines der bedeutenden Zentren der mineralogischen Forschung in Deutschland. Koryphäen des Faches wie Reinhard Anton Brauns (1861 – 1937) wurden hier ausgebildet und wirkten hier – und haben auch international „Marburger Spuren“ in der Mineralogie hinterlassen…
Die Mineralogische Sammlung der Philipps-Universität umfasst heute über 100.000 Mineral- und Gesteinsproben und ist damit die größte Hessens. Seit 1977 sind etwa 4000 der schönsten Stücke der Sammlung und der Balzer-Stiftung im Museum im Alten Kornspeicher am Marburger Firmaneiplatz ausgestellt. Die nun seit über vier Jahren brandschutzbedingt geschlossene Ausstellung kann in dieser Sonderschau zwar nicht vollständig gezeigt werden, vermittelt aber einen guten Eindruck der Marburger Mineralienschätze.
Die Anfänge der Mineralogischen Sammlung in Marburg
Das Ende des 18. Jahrhundert ist geprägt von einem regelrechten „Boom“ der Erdwissenschaften, zu dem sicherlich auch der inzwischen legendäre Streit zwischen den „Neptunisten“ und den „Plutonisten“ um die Entstehungsprozesse der Gesteine beigetragen hat. Die Jahre um 1790 bis 1820 werden deshalb auch oft das „heroische Zeitalter der Geologie“ genannt.
Genau zu dieser Zeit beginnt auch die Geschichte der mineralogischen Sammlung in Marburg. Im Jahre 1786 erhält der Leipziger Ökonomieprofessor Nathanael Gottfried Leske einen Ruf an die Universität Marburg. Leske war ein begeisterter Naturforscher und Sammler - sein Naturalienkabinett, das Museum Leskeanum, mit einer umfangreichen Mineralien- und Gesteinssammlung, galt unter zeitgenössischen Naturforschenden als außergewöhnlich. Leske verstarb jedoch kurz vor seinem Dienstantritt in Marburg. Seine Mineraliensammlung hatte er allerdings schon vorausgeschickt…
Johann Gottlieb Waldin
Johann Gottlieb Waldin (1728-95), zu jener Zeit Professor für Mathematik in Marburg (einen eigenen Lehrstuhl für Mineralogie gab es erst ab 1829), regte nun an, die Mineraliensammlung aus dem Nachlass Leskes zu erwerben, um ein Hessisches Mineralienkabinett einzurichten. Dem Landgrafen Wilhelm IX war der Preis von 6000 Reichtalern allerdings zu hoch. Stattdessen erließ er am 29. Juli 1790 einfach ein Dekret, demzufolge alle hessischen Gruben Belegstücke an die Universität zu schicken hatten: die Geburtsstunde der Mineralogischen Sammlung der Marburger Universität.
Bergbau in der Region um Marburg
Mittelhessen, insbesondere das Lahn-Dill-Gebiet westlich von Marburg, war über Jahrhunderte und bis in die 1980er Jahre hinein eine vom Bergbau geprägte Region. Bereits seit keltischer Zeit wurde hier vor allem Eisenerz abgebaut; zur Blütephase Mitte des 19 Jahrhunderts gab es allein im hessischen Hinterland an die 500 Erzgruben.
Aufgrund der relativ geringen Eisengehalte des abgebauten Roteisensteins und günstigerer Importmöglichkeiten aus dem Ausland begann schon Ende des 19. Jahrhunderts der langsame Niedergang des mittelhessischen Bergbaus. Die letzte Eisenerzgrube in Mittelhessen, die Grube „Fortuna“ bei Solms - Oberbiel, wurde 1983 stillgelegt.
In der Region um Marburg finden sich einige mineralogische Besonderheiten, oft in ehemaligen Steinbrüchen oder Gruben. Viele stehen im Zusammenhang mit Diabas-Gesteinen – etwa 350 Millionen Jahre alte vulkanische Gesteine des Lahn-Dill-Berglands.
Das Mineralreich des Reinhard Brauns
Reinhard Anton Brauns (1861-1937) war einer der führenden deutschen Mineralogen des ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Gebürtig in Eiterfeld (Hessen) kam Brauns 1881 zum Studium der Mineralogie nach Marburg, wo er 1885 bei Max Bauer promovierte und sich 1889 habilitierte.
Neben seinen Forschungen zu optischen Anomalien in Mineralen, zur Vulkaneifel und den mittelhessischen Diabasen war Reinhard Brauns auch ein eifriger und didaktisch versierter Autor von Fach- und Lehrbüchern. Sein bekanntestes Werk ist zu einem der Klassiker der mineralogischen Literatur avanciert: „Das Mineralreich“, erschienen 1903, ist ein bemerkenswert allgemeinverständlich geschriebenes, umfassendes Lehrbuch, welches vor allem durch seine detaillierten und aufwändig produzierten Illustrationen heraussticht. Viele der Minerale, die für die Abbildungen auf den 73 Farbtafeln Modell gestanden haben, befinden sich noch heute in der Marburger Sammlung.