06.05.2019 Lungenerkrankung COPD schlägt auf’s Herz
Marburger Mediziner stellt aktuelle Ergebnisse der COSYCONET-Studie vor
Die Krankheit heißt volkstümlich „Raucherlunge“, aber bei vielen Patientinnen und Patienten mit der chronischen Lungenerkrankung COPD ist auch das Herz betroffen. Das ist eines der Ergebnisse, die eine groß angelegte Studie erbracht hat, in der unter dem Titel „COSYCONET“ die Folgen von COPD unter die Lupe genommen werden. COSYCONET-Studienleiter Professor Dr. Claus Vogelmeier vom Zentrum für Innere Medizin der Philipps-Universität Marburg stellte am 6. Mai 2019 auf der Internistentagung der Fachgesellschaft DGIM aktuelle Ergebnisse der Studie vor. Ein weiteres Resultat: Zu wenige COPD-Patienten nehmen nicht-medikamentöse Behandlungs- und Präventionsangebote wahr.
Pressetext der DGIM:
Patienten mit der chronischen Lungenerkrankung COPD („chronic obstructive pulmonary disease“: chronische obstruktive Lungenerkrankung) leiden nicht nur unter häufigem Husten, Atembeschwerden und Entzündungen im Bereich der Atemwege, sondern entwickeln auch Begleiterkrankungen, die andere Organe betreffen. Wie oft das vorkommt und wie man Begleiterkrankungen erkennen kann, soll die deutschlandweite COSYCONET-Studie klären. Aktuelle Ergebnisse der umfangreichen Studie, an der mehr als 2.700 COPD-Patienten aus 29 Versorgungszentren teilnehmen, wurden auf der 125. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e.V. (DGIM) in Wiesbaden präsentiert. Auf der Kongress-Pressekonferenz am 6. Mai 2019 erläuterte DGIM-Kongresspräsident Professor Dr. Claus Vogelmeier als Leiter und Sprecher der Studie die Ergebnisse.
Betroffene mit COPD leiden unter verengten Atemwegen, vermehrter Schleimproduktion und chronischem Husten. Der mit Abstand wichtigste Auslöser für die Erkrankung, an der rund jeder zehnte Bundesbürger über 40 Jahren leidet, ist das Rauchen. „80 Prozent der COPD-Patienten sind Raucher oder haben früher im Leben geraucht“, sagt Vogelmeier, Direktor am Zentrum für Innere Medizin der Philipps-Universität Marburg und diesjähriger Kongresspräsident. Aber auch andere Luftschadstoffe wie Feinstaub oder eine berufliche Belastung mit Kohle- oder Getreidestaub kommen als Auslöser einer COPD infrage.
Das COSYCONET-Kosortium richtet den Blick nun auf die Folgen der Erkrankung. Im Rahmen des Studienprogramms werden die COPD-Patienten siebenmal intensiv untersucht: Bei Aufnahme in die Studie sowie in Abständen von 6, 18, 36, 54, 72 und 90 Monaten danach. Bei jedem dieser Termine werden Lungenfunktion, Größe, Gewicht und Blutwerte gemessen, auf Komorbiditäten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stoffwechselstörungen untersucht und die körperliche Leistungsfähigkeit getestet. Über Fragebögen werden außerdem demographische Basisdaten erhoben und Aspekte wie Aktivität, psychische Befindlichkeit, subjektive Lebensqualität und Medikation erfasst. „Eine solch große und umfassende Datenbasis zur COPD fehlte für Deutschland bislang“, sagt Vogelmeier.
Aus der Fülle der erhobenen Daten konnte in den letzten Jahren eine Vielzahl von Erkenntnissen gewonnen und in Fachjournalen publiziert werden. Eine aktuelle Auswertung beschäftigt sich mit dem Einfluss, den die Lungenerkrankung auf das Herz der Patienten hat. „Wir beobachten, dass die linke Herzkammer bei COPD-Patienten oft verkleinert ist, außerdem ändert sich durch die Überblähung der Lunge die Lage des Herzens im Brustkorb“, sagt Vogelmeier, der die COSYCONET-Studie mit initiiert hat und leitet. Wie die aktuellen Daten zeigen, verschiebt sich mit zunehmendem Schweregrad der COPD auch die elektrische Achse des Herzens, also die Richtung der Erregungsausbreitung im Herzmuskel. „Diese Veränderung muss an sich keinen Krankheitswert haben“, erklärt Vogelmeier. Es sei jedoch wichtig, die möglicherweise durch die COPD verursachten Verschiebungen bei der Interpretation von EKG-Ableitungen zu berücksichtigen.
Weitere aktuelle COSYCONET-Auswertungen betrachten die Häufigkeit, mit der COPD-Patienten die in den Leitlinien empfohlenen nicht-medikamentösen Behandlungs- und Präventionsangebote wahrnehmen. „Hier zeigt sich noch Raum für Verbesserungen“, sagt Vogelmeier. Denn während Impfungen zur Vermeidung von Atemwegsinfekten gut angenommen werden, nehmen nur 10 bis 20 Prozent der COPD-Patienten an Lungensportgruppen oder Physiotherapie teil. Auch Programme zur Raucherentwöhnung – der wichtigste Aspekt der Prävention – werden nur von einem Viertel der rauchenden COPD-Patienten besucht. „Besonders Patienten in frühen Stadien der COPD sollten von ihren Ärztinnen und Ärzten stärker auf die Präventionsangebote aufmerksam gemacht werden“, sagt Vogelmeier – durch sie könne das Fortschreiten der Erkrankung deutlich verlangsamt werden.
Eine Fortsetzung der Studie ist geplant.
„COSYCONET“-Studie im Internet: www.asconet.net