Hauptinhalt
Analysen alternativer Tumortherapien am experimentellen Tiermodell des VX2-Karzinoms beim weißen Neuseeland Kaninchen
Projektleiter: Prof. Dr. Michael Bette
Themenbereich: Onkologie, Tumorbiologie, Immuntherapie
Forschungsaktivität:
Das zentrale Forschungsinteresse liegt auf der Analyse immunologischer Abläufe und Mechanismen im Rahmen von Tumorerkrankungen. In enger Zusammenarbeit mit der AG Mandic (Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, UKGM GmbH, Standort Marburg, Philipps-Universität Marburg) wurde das Tumortiermodell des aurikulären VX2 Karzinoms am weißen Neuseeland (NZW) Kaninchen etabliert, einem heute anerkannten Tumormodell, welches die Entstehung und den Verlauf von zahlreichen Tumor-Kopf-Hals Erkrankungen (Head and Neck Squamous Cell Carcinomas; HNSCC) abbildet. Wie bei zahlreichen humanen HNSCC Tumoren metastasieren VX2 Tumore primär lymphogen in regionäre Lymphknoten und zu einem späteren Zeitpunkt kann es zum Auftreten von Fern- insbesondere Lungenmetastasen kommen (1, 2). Und ähnlich wie bei humanen Papillomavirus-assoziierten HNSCCs ist das VX2-Karzinom auch mit einem Papillomavirus assoziiert, dem so genannten Shope Cottontail Papillomavirus (CRPV) (3, 4).
Das VX2-NZW Modell stellt eines der wenigen Tumortiermodelle an Nicht-Nagern dar. Dank der möglichen Induktion der VX2-Tumore in immunkompetenten Kaninchen und dem mäßig schnellen Wachstum der Tumore über 8-10 Wochen als geeignetes Testsystem für tumor-immunologische Fragestellungen benutzt werden kann. Experimentelle Untersuchungen zur Wirksamkeit bestehender Tumorbehandlungen wie etwa unterschiedliche chirurgische Verfahren (5-7) sind ebenso möglich, wie auch Wirkanalysen etablierte klassischer immunologisch-basierter Therapien wie IL-2 Gabe (8) sowie die Entwicklung neuer „alternativer“ onkoimmunologischer Therapieverfahren.
Wissenschaftliche Einordnung / Hintergrund:
Die klassische Therapie maligner Tumoren stützt sich seit vielen Jahrzehnten auf drei wesentliche Therapieformen; die Tumorchirurgie, die Strahlen- sowie die Chemotherapie, denen gemeinsam das Prinzip der Tumorresektion bzw. -destrukion unterliegt. Operative Maßnahmen sind trotz moderner minimal-invasiver Operationstechniken wie der Laserchirurgie und Endoskopie nicht immer möglich oder nur mit hohen und nicht immer reversiblen Schäden für den Patienten verbunden. Der Verbleib nicht erfasster Tumorfragmente durch operative Maßnahmen aber auch nach Strahlentherapie kann nie ausgeschlossen werden und stellt ein erhöhtes Risiko eines Rezidivs dar. Chemotherapien generieren eine eher systemische tumor-destruktive Wirkung, die auch kleine nicht diagnostizierte disseminierte Tumore / Tumorzellen erfasst, sofern die Wirkspiegel des Therapeutikums in hinreichend hohen Konzentrationen aufgebaut werden können. Hier sind oft schwere Nebenwirkungen der limitierende Faktor aber auch das Auftreten von Tumorresistenzen gegen etablierte Therapeutika beeinflussen den Therapieerfolg zusätzlich negativ. Die Immunonkologie basiert auf frühen Beobachtungen von Coley, Ehrlich und Virchow im 19. Jahrhundert die zeigen, dass Krebs vom körpereigenen Immunsystem prinzipiell in allen Phasen der Tumorerkrankung überwunden werden kann. Darauf aufbauende Immuntherapien der letzten 30 Jahre beinhalten die Anwendung von Antikörpern und Zytokinen / Chemokinen zur Aktivierung körpereigener anti-tumorigener Immunantworten sowie zell-basierte Strategien wie der adaptive Zelltransfer (ACT) (siehe Übersichtsartikel 9).
Um neue alternative Therapieansätze zu entwickeln, die Effektivität solcher „personalisierter“ Therapiestrategien zu analysieren und zentrale Wirkmechanismen zu verstehen, sind grundlagen-orientierte, tierexperimentelle Forschungsansätze ein wesentlicher Schlüssel.
Tiermodell:
Je nach Applikationsort der VX2 Tumorzellsuspension können auch Tumore in Leber, Niere, Uterus / Cervix, Weichgewebe, Magen, Hirn, Knochen, Submukosa des Larynx oder Haut induziert werden.
Mono-aurikuläres VX2-Modell:
Das in der AG Bette verwendete VX2 Modell besteht in der Induktion eines subepithelialen VX2 Karzinoms am Ohr eines NZW Kaninchens (mono-aurikuläres VX2-Modell). Die Eigenschaften des VX2 Tumors entsprechen dabei denen des Plattenepithelkarzinom beim Menschen. Hierzu gehören die:
- Papillomavirus-assoziierte Ätiopathologie (cottontail rabbit papillomavirus (CRPV))
- geringe Differenzierungsgrad ohne Keratinisierung
- Ausbildung von Ulzerationen
- Tendenz zur Metastasierung in regionäre Lymphknoten und Fernmetastasen in die Lunge
Wissenschaftliche Ziele:
Das monoaurikuläre VX2-Modell soll eingesetzt werden zur:
- Weiterentwicklung diagnostischer Verfahren
- präklinischen Evaluation von Behandlungsstrategien
- Testungen multidisziplinärer und alternativer Behandlungsmethoden in der Onkologie
- Charakterisierung immunologischer Vorgänge bei Tumortherapieansätzen
- Identifizierung und Bewertung neuer diagnostischer, prognostischer und therapeutischer Biomarker
Bereits durchgeführte „alternative“ Tumortherapieansätze
O2/O3-Pneumoperitoneum
Eine von Dr. Siegfried Schulz entwickelte Methode, bei der ein medizinisches O2/O3-Gasgemisches in das Peritoneum insuffliert wird (bezeichnet als O2/O3-Pneumoperitoneum) wurde als ein möglicher alternativer Tumortherapieansatz in dem aurikulären VX2-NZW Modell untersucht. Die experimentellen Daten zeigten eine sehr effektive tumor-destruktive Wirkung der O3/O2-PP Therapie auf das solide VX2 Karzinom, deren Ursache eindeutig in der Modulation des Immunsystems liegt (10). So führte eine Retransplantation von VX2 Tumorzellen in erfolgreich therapierte geheilte Kaninchen nur dann zu einem erneuten Anwachsen und der Entstehung eines soliden VX2 Tumors, wenn die Tiere durch Cyclosporin A plus Dexamethason stark immunsupprimiert waren (11). Einmal geheilte Tiere zeigten sich resistent gegen eine erneute Tumorentstehung. Analysen von zahlreichen Immunparametern zeigten im Stroma von Tumoren die durch die Therapie in Remission gebracht wurden, eine signifikant erhöhte Expression zahlreicher Immunfaktoren der angeborenen und erworbenen Immunität (12). Der adoptive Zelltransfer (ACT) von Leukozyten die aus bereits erfolgreich therapierten Tieren gewonnen und in tumorkranke Tiere allotransplantiert wurden, führte in den Empfängertieren zu einer signifikanten Tumordestruktion (12). Das daraus abgeleitete Therapieschema erwies sich daraufhin auch erfolgreich in einer vor Dr. S. Schulz durchgeführten veterinärmedizinischen Behandlung eines spontan aufgetretenen malignen Melanoms bei einem Yorkshire Terrier (13).
Als weiteres Ergebnis der mono-aurikulären VX2 Studien war die Identifikation der konnten ErbB-Gen-Signatur in VX2-Karzinomen als neuer Prädiktor für das Therapieansprechen (14). Das VX2-Karzinom-Tiermodell scheint daher für die Identifizierung und Bewertung neuer diagnostischer, prognostischer und therapeutischer Biomarker vor ihrer Anwendung bei Patienten mit HNSCC geeignet.
Literatur
- Dunne AA, Mandic R, Ramaswamy A, Plehn S, Schulz S, Lippert BM, Moll R and Werner JA: Lymphogenic metastatic spread of auricular VX2 carcinoma in New Zealand white rabbits. Anticancer Res. 22: 3273-3279, 2002.
- van Es RJ, Dullens HF, van der Bilt A, Koole R and Slootweg PJ: Evaluation of the VX2 rabbit auricle carcinoma as a model for head and neck cancer in humans. J Craniomaxillofac. Surg. 28: 300-307, 2000.
- Georges E, Breitburd F, Jibard N and Orth G: Two Shope papillomavirus-associated VX2 carcinoma cell lines with different levels of keratinocyte differentiation and transplantability. J. Virol. 55: 246-250, 1985.
- Shope RE and Hurst EW: Infectious Papillomatosis of Rabbits: With a Note on the Histopathology. J. Exp. Med. 58: 607-624, 1933.
- Wiegand S, Wiemers C, Murthum T, Zimmermann AP, Bette M, Mandic R, Werner JA. Risk of lymph node metastases after en bloc cold steel, en bloc laser-, and piecemeal laser surgical resection of auricular VX2 carcinoma. Laser Med. Sci. Jul;28(4):1137-1141, 2013.
- Sapundzhiev NR, Dünne AA, Ramaswamy A, Sitter H, Davis RK: Lymph node metastasis in an animal model: effect of piecemeal laser surgical resection. Lasers Surg Med 36:371–376, 2005.
- Sapundzhiev NR, Dünne AA, Ramaswamy A, Werner JA: The auricular VX2 carcinoma: feasibility of complete tumor resection. Anticancer Res. Nov-Dec 25(6B):4209-4214, 2005.
- van Es RJ, Baselmans AH, Koten JW, Van Dijk JE, Koole R, Den Otter W: Perilesional IL-2 treatment of a VX2 head-and-neck cancer model can induce a systemic anti-tumour activity. Anticancer Res. 20: 4163–4170, 2000.
- Bette M: Therapeutic Impact of Immune Responses in Cancer. In: Verma RS and Bonavida B, (eds.). Resistance to Targeted Anti-Cancer Therapeutics. Heidelberg, New York, Dordrecht, London: Springer, p. 221-245, 2015
- Bette M, Mandic R: Intraperitoneal oxidative stress as an oncolytic immunomodulator? OncoImmunology 3:9, e955347, 2014.
- Schulz S, Häussler U, Mandic R, Heverhagen JT, Neubauer A, Dünne AA., Werner JA, Weihe E, Bette M: Treatment with ozone/oxygen-pneumoperitoneum results in complete remission of rabbit squamous cell carcinomas. Int. J. Cancer. 122: 2360-2367, 2008.
- Rossmann A, Mandic R, Heinis J, Höffken H, Küssner O, Kinscherf O, Weihe E, Bette M: Intraperitoneal oxidative stress in rabbits with papillomavirus-associated head and neck cancer induces tumoricidal immune response that is adoptively transferable. Clinic Cancer Res. DOI: 10.1158/1078-0432.CCR-14-0677, 20(16) August 15, 2014.
- Schulz S, Mandic R, Werner JA, Weihe E, Bette M: Response to the letter by V. Bocci entitled “Does ozone really “cure” cancer?” Int J Cancer. 123: 1223
- Bette M, Nowak-Rossmann A, Mandic R: The auricular VX2 carcinoma is a suitable animal model to identify biomarkers for HNSCC therapy response. Anticancer Res. 38(9): 5067-5078, 2008.