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Chemisch modifizierte Derivate und ihr potentieller therapeutischer Nutzen bei der Behandlung des Glioblastoms und anderen Tumorentitäten
(Projektkleiter: Prof. Dr. R. Kinscherf, Dr. Gabriel A. Bonaterra)
Als astrozytäre Tumore lassen sich Gliome gemäß der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation; WHO) in 4 Kategorien (WHO Grad I bis IV) einteilen. Dabei ist das Glioblastom (GBM, früher auch als Glioblastoma multiforme bezeichnet) nicht nur der bösartigste Tumor dieser Klasse, dies entspricht einem WHO Grad IV, sondern bei Erwachsenen auch der häufigste Tumor des Zentralen Nervensystems (ZNS). So sind mehr als die Hälfte aller Gliome ein GBM WHO Grad IV. Die Inzidenz liegt bei 3:100.000 (Jiang et al., 2016). Die derzeitige Standardtherapie des GBMs beschränkt sich auf drei Säulen: Die maximal sichere Tumorresektion, sowie eine adjuvante Radio- und Chemotherapie. Das Ziel der Resektion ist es, so viel Tumorgewebe wie möglich zu entfernen und dabei gleichzeitig den Erhalt der neurologischen Funktionen zu sichern. Da das GBM diffus infiltrativ wächst, ist es in der Regel nicht möglich, den Tumor operativ vollständig zu entfernen. Das standardmäßig eingesetzte Chemotherapeutikum beim GBM ist Temozolomid (TMZ). TMZ ist ein kleines lipophiles Molekül (MG 194 Da), das deshalb leicht im Verdauungstrakt resorbiert wird und die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann. Ein wesentliches Problem ist jedoch, dass Tumorzellen resistent gegen die Arzneistoffe wie TMZ entwickeln können. Hierbei wird nach Substanzen gesucht, die neben den offensichtlichen Kriterien wie einer hohen Wirksamkeit, geringen Nebenwirkungen und Überwindung der Tumorresistenz, sowie chemische und biologische Eigenschaften aufweisen, die ihren Einsatz als Chemotherapeutika ermöglichen. Wichtige Kriterien sind die Penetration der Zellmembran, sowie die Überwindung der Blut-Hirn-Schranke und das restlose Abtöten der Tumorzellen, insbesondere der Stammzell-Population des Tumors, um einer Resistenzbildung und somit einer Rezidiv-Entstehung vorzubeugen. Eine sinnvolle Strategie, um die transmembranöse Aufnahme zu verbessern, liegt in der Generierung neuartiger Substanzen durch kovalente Bindung an lipophile Moleküle. So konnten wir in Kooperation mit Prof. Dr. Helmut Rosemeyer und Mitarbeiter/innen (Universität Osnabrück; Institut für Chemie neuer Materialien Organische Materialchemie [OMC]) schon bekannte Chemotherapeutika weiterentwickeln und effizienter gestalten. Derivate mit gezielten molekularen Veränderungen wurden synthetisiert und jeweils im Hinblick auf ihre zytotoxische Wirkung bei verschiedenen Krebsentitäten (zahlreiche humane- bzw. Ratten Glioblastome; Kolonkarzinom; Nierenkarzinom; Leberzellkarzinom; Astrozytom / Oligodendro-gliom; maligne, neuroektodermale Zellen) in vitro untersucht. Hierbei konnten fünf Derivate identifiziert werden, die eine höhere Wirksamkeit zeigten als das Kontroll-Chemotherapeutikum. Zukünftige Untersuchungen sollen die Signalkaskade dieser fünf Derivate bei verschiedenen Tumorentitäten dechiffrieren. Zudem soll deren Wirksamkeit tierexperimentell bei Gliomen erforscht werden. In diesem Zusammenhang existiert aktuell ein Kooperationsprojekt mit Prof. Dr. Christoph Nimsky und Mitarbeitern (Klinik für Neurochirurgie; UKGM Standort Marburg), um die Wirksamkeit der neuartigen Derivate im Vergleich zu TMZ in Gliom-tragenden Mäusen zu testen.
Eigene Publikationen
- Malecki E, Farhat A, Bonaterra G A, Röthlein D, Wolf M, Schmitt J, Kinscherf R, Rosemeyer H (2013) Synthesis Of 5-Fluorouridine Nucleolipid Derivatives And Their Cytostatic/Cytotoxic Activities On Human Ht-29 Colon Carcinoma Cells. Chem. Biodiversity 10: 2235-46
- Farhat A., Malecki E, Bonaterra G A, Röthlein D, Wolf M, Schmitt J, Rosemeyer H, Kinscherf R, (2014) Cytostatic/Cytotoxic Effects Of 5-Fluorouridine Nucleolipids On Colon, Hepatocellular, And Renal Carcinoma Cells: In Vitro Identification Of A Potential Cytotoxic Multi-Anticancer Drug. Chem. Biodiversity 11: 469-82.
- Knies C, Bonaterra G A, Hammerbacher K, Cordes A, Kinscherf R, Rosemeyer H (2015) Ameliorated Or Acquired Cytostatic/Cytotoxic Properties Of Nucleosides By Lipophilization. Chem. Biodiversity 12(12): 1902-44.
- Knies C, Hammerbacher K, Bonaterra G A, Kinscherf R, Rosemeyer H (2015) Nucleolipids Of Canonical Purine ß-D-Ribo-Nucleosides: Synthesis And Cytostatic/Cytotoxic Activities Toward Human And Rat Glioblastoma Cells. Chemistry Open, 5(2): 129-41.
- Knies C, Hammerbacher K, Bonaterra G A, Kinscherf R, Rosemeyer H (2016) Novel Nucleolipids of Pyrimidine Β-D-Ribonucleosides: Combinatorial Synthesis, Spectroscopic Characterization, And Cytostatic/Cytotoxic Activities. Chem. Biodiversity 13(2): 160-80.
- Hammerbacher K, Görtemaker K, Knies C, Bender E, Bonaterra G A, Rosemeyer H, Kinscherf R (2018) Combinatorial Synthesis of New Pyrimidine- and Purine-ß-D-Ribonucleoside Nucleolipids: Their Distribution Between Aqueous and Organic Phases and Their in vitro Activity Against Human- and Rat Glioblastoma Cells in vitro. Chem Biodivers. doi: 10.1002/cbdv.201800173. [Epub ahead of print]
- Knies C, Reuter H, Hammerbacher K, Bender E, Bonaterra GA, Kinscherf R. Rosemeyer H, (2019) Synthesis of New Potential Lipophilic Co-Drugs of 2-Chloro-2'-deoxyadenosine (Cladribine, 2CdA, Mavenclad®, Leustatin®) and 6-Azauridine (z6U) with Valproic Acid. Chem Biodivers. doi: 10.1002/cbdv.201800497.
- Reuter H, van Bodegraven AM, Bender E, Knies C, Diek N, Beginn U, Hammerbacher K, Schneider V, Kinscherf R, Bonaterra GA, Svajda S, and Rosemeyer R. (2019). Guanosine Nucleolipids: Synthesis, Characterization, Aggregation and X-Ray Crystallographic Identification of Electricity-Conducting G-ribbons 2. Chem Biodivers.. doi: 10.1002/cbdv.201900024.
- Rosemeyer H, Knies C, Hammerbacher K, Bender E, Bonaterra GA, Hannen R, Bartsch JW, Nimsky C, Kinscherf R.(2019) Nucleolipids of the Nucleoside Antibiotics Formycin A and B: Synthesis and Biomedical Characterization particularly using Glioblastoma Cells. Chem. Biodiversity DOI: https://doi.org/10.1002/cbdv.201900012. [Epub ahead of print]