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Hausärztliche Entscheidungs- und Handlungskontingenz als erlebte und erzählte Herausforderung junger Allgmeinmediziner/-innen

Hintergrund

Allgemeinmediziner/-innen stehen in ihrem Beruflichen Alltag häufig vor Entscheidungen, die folgenreich für die Gesundheit (und im Einzelfall sogar Überleben) ihrer Patient/-innen sein können. Das Bewusstsein darüber kann einschneidende Auswirkungen auf hausärztliche Praktiken haben. Es kann – je nach Verfassung der persönlichen Resilienz – als eine emotionale Belastung wahrgenommen werden und schon im Vorfeld der medizinischen Berufslaufbahn einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Entscheidung der Spezialisierung unter Medizinern haben. Ohne eine Strategie, mit jenen Umständen umgehen zu können, steigt die Wahrscheinlichkeit einer berufsbedingten Überlastung.

Projektziel

Beim Übergang vom Studium in die ärztliche Tätigkeit mit der damit verbundenen Verantwortung erleben ÄiW oft den sog. „Praxisschock“. Der zentrale Faktor dieses mentalen Phänomens scheint die Intensivierung des Unsicherheitsempfindens zu sein. So begleitet die Unsicherheit ohnehin die allgemeinärztliche Tätigkeit in der gesamten beruflichen Laufbahn. Doch mit der Zeit entwickeln praktizierende Ärzt/-innen einen Umgang mit der Unsicherheit. Diese sind teilweise adaptiv-funktional, teilweise symbolisch, aber können auch mit Verdrängung, Aktivismus (Überdiagnose, Übertherapie) und anderen problematischen Verhaltensweisen einhergehen.

Die Studie soll ÄiW der Allgemeinmedizin methodisch befragen, welche Situationen und Faktoren Unsicherheit auslösen, in welchen Kategorien das komplexe Problem erfahren und gedeutet wird und welche Handlungsstrategien entwickelt werden, um es in den beruflichen Alltag nachhaltig integrieren zu können. Ziel der Studie ist die Rekonstruktion mentaler Zusammenhänge, in denen Unsicherheit als Problem erkannt und in den Handlungszusammenhang integriert (oder ausgeblendet) wird. Aktuelle Studien zeigen, dass jüngere Mediziner/-innen offener mit ihren Unsicherheiten umgehen und sich einen konstruktiven Umgang mit eventueller Hilfe von außen wünschen als ihre Vorgänger/-innen, die mehr Wert auf das äußere Bild einer mit Ausdauer und Hartnäckigkeit ausgestatteten, widerständigen Persönlichkeit gelegt haben. Allerdings sind hier Generations- bzw. Alters- von Kohorten-Phänomene zu trennen.

Methoden

Zur Rekrutierung der ÄiW soll zunächst ein allgemeiner Aufruf bei den Veranstaltern des Weiterbildungskollegs des KW Allgemeinmedizin Hessen stattfinden. Nach Rückmeldung der ÄiW wird eine repräsentative Stichprobe zusammengestellt (sog. purposive sampling). Den teilnehmenden ÄiW wird ein kurzer Selbstbeobachtungsleitfaden ausgehändigt, der nach Patientengesprächen ausgefüllt werden soll, die von den teilnehmenden ÄiW als schwierig oder mit Unsicherheit belastet empfunden worden sind. Diese schriftliche Fixierung soll als Gedächtnisstütze beim Interview mit der Forscherin dienen und nach Möglichkeit verhindern, dass erinnerte Momente der Unsicherheit nach einer gewissen zeitlichen Distanz vergessen oder nur noch verzerrt erinnert werden. Geplant ist die Anzahl von ca. 20 Befragten. Während der Interviewzeit erwirbt die Doktorandin Kenntnisse der digitalgestützten qualitativen Analyse. Die anschließende Auswertung erfolgt inhaltsanalytisch.

Projektbeteiligte

Verantwortlicher Leiter des Projekts: Prof. Dr. Norbert Donner-Banzhoff
Doktorandin: Laura Purkl
Technische und methodische Unterstützung: Dr. Konrad Hierasimowicz

Stand der Forschung

Das Phänomen der Unsicherheit bei Ärzt/-innen in Weiterbildung (ÄiW) wurde bereits in vorausgegangenen Studien untersucht. Bei den meisten Studien wurden ausschließlich Proband/-innen aus Kliniken bzw. universitären Einrichtungen befragt. Da sich der Arbeitsalltag und die damit verbundenen Herausforderungen im Praxis-Alltag im Gegensatz dazu sehr stark unterscheiden können, ist es sinnvoll, eine ähnliche Studie im Praxis-Setting durchzuführen.