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Behring als Briefeschreiber
Knapp 360 Briefe Behrings werden momentan im Behring-Archiv Marburg aufbewahrt. Es handelt sich zum Teil um Originale, zum Teil um Fotokopien oder Fotos, dazu kommen Abschriften. Letztere geben lediglich die Inhalte wieder, die Besonderheiten des Schriftbildes und die Wahl des Briefpapiers können durch die Abschriften leider nicht mehr vermittelt werden.
Bei der Zahl von 360 Briefen ist die Geschäftskorrespondenz, die Behring als Aufsichtsratsvorsitzender der Behringwerke verfasste, nicht mitgerechnet. Bei der sogenannten Privatkorrespondenz handelt es sich um eine typische Wissenschaftlerkorrespondenz: Behring verschickt neu erschienene Bücher und Sonderdrucke, inhaltlich geht es um die Vermittlungen junger Mitarbeiter oder die Besetzung medizinischer Lehrstühle, es finden sich Hinweise auf anstehende Publikationen oder in Briefe eingebettete Versuchsprotokolle. Außerdem gibt es Begleitschreiben zu Serumlieferungen und die Bitte um praktische Prüfung von Heilmitteln, manchmal auch Zustandsberichte über Serumtiere (die Pferde Clara, Lotte, Paul, Emil werden namentlich genannt) oder über den Kauf neuer Tiere während des Krieges.
Aber auch Neuigkeiten aus dem Umkreis der Familie, die Geburt von Kindern und Anfragen zur Übernahme von Patenschaften sowie Befindlichkeiten und gesundheitliche Einschränkungen werden ausgewählten Briefpartnern wie den langjährigen Freunden Richard August Muttray (1856–1931) und Erich Wernicke (1859–1928) oder dem französischen Kollegen Émile Roux mitgeteilt.
Insbesondere bei der Korrespondenz mit einem Vertrauten wie dem Freund und Partner Erich Wernicke handelt es sich um Quellen, bei denen sich Behring recht unverstellt zeigt. Sie präsentieren den Briefeschreiber als eine auf seine wissenschaftlichen und geschäftlichen Erfolge hin ausgerichtete Persönlichkeit, kantig, durchsetzungswillig und kompromisslos und nicht immer bequem.
Zur Materialität der Briefe: Behring benutzte von Beginn seiner Karriere an ein gedrucktes Briefpapier, die Briefköpfe waren dem jeweiligen beruflichen Status stets angepasst. So wurde aus „Stabsarzt Dr. Behring“ „Stabsarzt Professor Dr. Behring“, die Erhebung in den Adelsstand im Jahr 1901 wurde sichtbar gemacht durch ein geprägtes Wappen. Im Nachlass finden sich klein- und großformatige Briefbögen, Briefkarten und Visitenkarten, sogar ein Briefpapier der Villa Behring in Capri. Ein Höhepunkt bildet der Briefbogen mit der im Bild präsentierten „Villa Behring“ in der damaligen Roserstraße 2 in Marburg. (UE)
Literatur: Ulrike Enke: Behrings Briefe neu gelesen. Zum Briefnachlass Emil von Behrings im Behring-Archiv in Marburg. In: Perspektiven der Medizingeschichte Marburgs. Neue Studien und Kontexte, hg. von Irmtraut Sahmland und Kornelia Grundmann (= Quellen und Forschungen zur hessischen Geschichte 162), Darmstadt und Marburg 2011, S. 103-127.