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Literatur über Leben und Werk
Die Literatur über Emil von Behring füllt Regalmeter und Aktenordner. Jahrestage und Jubiläen, seien es die Entdeckung des Diphtherieheilserums (1890 / 1940), der 100. Geburtstag (1954), die Verleihung des Nobelpreises (1901 / 2001) oder der hundertste Jahrestag der Gründung des Marburger Behringwerks (1904 / 2004), hinterließen ihre Spuren in Briefmarken, Devotionalien, Ausstellungen und zahllosen Aufsätzen und Erinnerungstexten. Die nach dem Ableben Behrings erschienenen Nachrufe bewahrte Else von Behring auch in den beiden Fotoalben "Dem Andenken des Vaters"; sie sind als Lebenszeugnisse über die Datenbank abrufbar. Ein großer Teil der danach publizierten Aufsätze wurde über die Jahre von den Archivaren der Behringwerke gesammelt und abgeheftet; sie sind noch heute im Behring-Archiv zugänglich.
Behring war schon zu Lebzeiten dank der segensreichen Entwicklung seines Diphtherieheilserums weltbekannt. Das belegen nicht nur die Dankesbriefe aus verschiedenen Ländern von Russland bis Amerika, sondern auch die internationale Zusammensetzung seiner Marburger Mitarbeiter, zu denen auch der Japaner Taichi Kitashima gehörte. Um so erstaunlicher ist es, dass erst dreiundzwanzig Jahre nach seinem Tod eine erste umfangreiche Biographie über ihn erschien: "Behring. Gestalt und Werk" von Heinz Zeiss und Richard Bieling, verlegt bei Bruno Schultz in Berlin (1940, 2. Aufl. 1941).
Die mehr als sechshundert Seiten umfassende Monographie muss bis heute als unverzichtbar angesehen werden, da die Verfasser dank der engen Zusammenarbeit der Autoren mit Else von Behring und Alexander von Engelhardt auf die wesentlichen Lebensdokumente wie Briefe, Notizen, Schulhefte und Chroniken, Auszeichnungen und Ehrungen sowie Erinnerungen der Weggenossen zurückgreifen konnten und diese auch ausführlich zitieren - mehr als zwanzig Briefe sind im Wortlaut wiedergegeben. Zu berücksichtigen ist bei der Lektüre jedoch, dass die Einflüsse des nationalsozialistischen Gedankenguts ihre Spuren hinterlassen haben. Ausgeblendet sind beispielsweise wichtige Aspekte der Beziehung Behrings zu seinem jüdischen Kollegen Paul Ehrlich, mit dem er über einige Jahre einen auch persönlichen Austausch pflegte, und die Tatsache, dass Behrings Ehefrau Else Halbjüdin war und zweien der Kinder zunächst das Studium verwehrt wurde. Auch die unübersehbare schwere psychische Krankheit Behrings, eine Depression, die nicht in das Bild einer deutschen Kämpfernatur passte, wird verbrämt in Bildern wie dem des Behring umgebenden "Panzers der Härte", welcher "das aufgewühlte Innere und die seelische Qual verbarg" (2. Aufl., S. 49), wiedergegeben.
2005 erschien in Philadelphia in der Reihe "Memoirs of the American Philosophical Society" die Biographie "Emil von Behring: infectious disease, immunology, serum therapy", für die ihr Autor Derek S. Linton die Auszeichnung Winner of the 2005 John Frederick Lewis Award of the American Philosophical Society erhielt. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern Zeiss und Bieling griff Linton jedoch nicht auf das reiche Archivmaterial zurück, sondern konzentrierte seine Lebensbeschreibung auf Behrings Publikationen, die er in Auswahl auch ins Englische übersetzt. Ein wichtiges Kapitel aus Behrings Leben, die Gründung der Behringwerke und sein Unternehmertum, wird jedoch ausgeklammert, obwohl zum Zeitpunkt der Abfassung der Bestand "Behringwerke" freigegeben und in Marburg zugänglich und nutzbar war.
Unverzichtbar für das Verständnis der wissenschaftlichen Anregungen und Verflechtungen und der persönlichen Beziehung zwischen Behring und Paul Ehrlich ist die 2011 bei Wallstein in Göttingen erschienene Monographie "Paul Ehrlich. Leben, Forschung, Ökonomien, Netzwerke" von Axel C. Hüntelmann.
Zu den Kuriosa gehören sicherlich die zahlreichen Romane, die sich Behrings Leben erzählend-fiktional zuwenden. Angefangen bei Oswaldt Gerhardts "Stationen einer Idee. Behrings schicksalsvoller Weg" (Wilhelm-Limpert-Verlag Berlin, 1941/42), Hellmuth Ungers Buch "Emil von Behring. Sein Lebenswerk als unvergängliches Erbe", erschienen 1948 bei Hoffmann und Campe in Hamburg, oder Richard Bielings Lebensbeschreibung "Der Tod hatte das Nachsehen", die in der dritten Auflage 1954 in Wien veröffentlicht wurde und auf die von ihm und Heinz Zeiss verfasste wissenschaftliche Biographie von 1940 zurückgeht. Auch ein Jugendbuch widmet sich Behrings Lebensweg und seiner Entdeckung: In Werner Quednaus "Antitoxin - eine große Entdeckung" (Spectrum-Verlag, Stuttgart, 1964) werden Behrings und Erich Wernickes Arbeiten im Berliner Laboratorium Robert Kochs geschildert, die Bilder von Waltraut Frick-Kirchhoff und Ottmar Frick illustrieren das Geschehen. - 2010 schließlich erschien in Freiburg das Taschenbuch "Tödliche Welten. Die unglaubliche Geschichte von drei Medizinern, die Millionen Menschen das Leben retteten", geschrieben von dem Arbeitsmediziner und Epidemiologen Professor Friedrich Hoffmann. Hofmann beschreibt die Entdeckungen und Verdienste der drei bedeutenden Ärzte Robert Koch, Paul Ehrlich und Emil von Behring ziel- und erfolgsorientiert und leicht lesbar.
Die genannten populärwissenschaftlichen Bücher nähren bis heute den Mythos vom Arzt als Halbgott in Weiß, tragen aber auch dazu bei, Behrings Lebenswerk in Erinnerung zu halten.
Zur aktuellen Forschungsliteratur zu Behring und seinem wissenschaftlichen Werk siehe hier.
(Ulrike Enke, 2012)