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DFG-Projekt 'Wissensgesellschaft. Umgang mit Wissen im Kontext zweier sozialer Welten vor dem Hintergrund der universellen Institutionalisierung des Pädagogischen' (1999-2004)

Projektleitung: Prof. Dr. Jochen Kade, Prof. Dr. Wolfgang Seitter
MitarbeiterInnen: Dipl.-Päd. Regine Mohr, Dipl.-Päd. Manfred Kroschel, Dipl.Päd. Jörg Dinkelaker
Dr. Birte Egloff, Stud.päd.Monika Fischer, Stud.päd. Matthias Herrle
Finanzierung: DFG

Zusammenfassung

Das inzwischen abgeschlossene Projekt untersuchte aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive den Umgang mit Wissen in den zwei unter dem Aspekt sozialer Integration und Zukunftswissen stark kontrastierenden sozialen Welten eines Industriedienstleisters und eines Sozialvereins und zwar auf drei Ebenen: der Ebene der Wissensvermittlung, der Ebene der pädagogischen Kommunikation und der Ebene des pädagogischen Wissens. In der ersten Projektphase stand die Analyse des Umgangs mit (feldbezogenem) Wissen im Mittelpunkt. Auf der Grundlage von Interaktions-mitschnitten, Interviews, teilnehmenden Beobachtungsprotokollen und „natürlichen Materialien“, wie etwa Mitarbeiterzeitschriften, wurden Formen der Wissensvermittlung sowie die Einschreibung pädagogischer Kommunikation in diese Wissenskommunikation rekonstruiert. Dabei konnten folgende Formen der Wissensvermittlung unterschieden werden: explizit-intensive Formen, bei denen Wissensvermittlung im Zentrum steht und die eine direkte personenbezogene Zentrierung aufweisen; hybrid-uneindeutige Formen, bei denen Wissensvermittlung nicht im Zentrum steht, sondern ständig mit anderen kommunikativen Formen alterniert; und medial-extensive Formen, bei denen die verbreitende Zurverfügungstellung von Wissen ohne die direkte Anwesenheit von Adressaten stattfindet. Diese Formen der Wissensvermittlung waren immer dann als einfache Wissenskommunikation zu fassen, wenn mit ihr keinerlei Personenveränderungserwartungen verbunden waren. Zu pädagogischer Kommunikation wurden sie hingegen dann, wenn eine solche personenverändernde Absicht, gekoppelt mit einer Überprüfungsoperation der entsprechend angesonnenen Aneignungsprozesse erkennbar war. In der zweiten Projektphase wurde der Umgang mit pädagogischem Wissen in den beiden sozialen Welten analysiert, dem Wissen also, das die sozialen Akteure anwenden, wenn sie Wissen vermitteln. Dieser Perspektivenwechsel öffnete das Projekt für eine professionstheoretische Fragestellung, die die Institutionalisierung pädagogischen Wissens zum Thema hatte und davon ausging, dass unter den Bedingungen fehlender und brüchig gewordener professionell-organisatorischer pädagogischer Rahmungen von Kommunikation die Bedeutung der individuellen Akteure für die Herausbildung professioneller pädagogischer Wissensstrukturen und Handlungsmuster wächst. Auf der Grundlage von Gruppendiskussionen und Experteninterviews wurden vielfältige Formen pädagogischen Wissens rekonstruiert: Vermittlungswissen, aneignungs- und adressatenbezogenes Vermittlungswissen, Überprüfungs-wissen, Motivierungs- und Belohnungswissen, Raum- und Zeitwissen und Beziehungswissen. Daneben zeigte sich eine Vielfalt individueller wie kollektiver Formen der Selbstbeobachtung, durch die nicht nur die Aneignungs-, sondern auch die Vermittlungsprozesse der Akteure einer kontinuierlichen Reflexion unterworfen werden. Stand in der ersten Projektphase die Analyse des Entstehens pädagogischer Kommunikation aus dem Umgang mit Wissen heraus, insbesondere der Vermittlung von Wissen, im Mittelpunkt des Interesses, so ging es in der zweiten Projektphase um die Frage des Entstehens pädagogischer Professionalität aus dem individuellen und sozialen Umgang mit pädagogischem Wissen heraus.

Die Ergebnisse beider Projektphasen haben es erlaubt, die Frage nach der Universalität des Pädagogischen differenzierter als bisher zu betrachten und dies in doppelter Weise: Zum einen mit Blick auf die implizite, mitlaufende, im Verborgenen wirkende, nur durch enorme Rekonstruktionsleistungen zu identifizierende Universalität des Pädagogischen, eines Theorems, das üblicherweise auf die Frage der Systembildung, auf die operative Ausdifferenzierung, Sichtbarkeit, Geschlossenheit und Verknüpfung seiner Elemente zielt. Das Formenspektrum des Pädagogischen als Zusammenhang von Wissensvermittlung, pädagogischer Kommunikation, pädagogischem Wissen und Selbstbeobachtung ist jedoch nach den Projektbefunden gerade dadurch gekennzeichnet, dass es mannigfaltige Verbindungen mit nicht pädagogisch markierter Kommunikation eingeht, dass es eingebettet ist in je unterschiedliche institutionelle (auch ökonomische) Kontexte, dass es durch sein uneindeutiges und diffuses Eingewobensein verdeckt, verborgen und unsichtbar bleibt. Zum anderen konnte eine Differenzierung vorgenommen werden hinsichtlich der asynchronen Verbreitung der unterschiedlichen Dimensionen des Pädagogischen: So wurde die Expansion des Pädagogischen in der erziehungswissenschaftlichen Diskussion bislang als eine eher eindimensional verlaufende homogene Entwicklung thematisiert. Begreift man das Pädagogische jedoch als einen in sich differenzierten, zusammengesetzen und instabilen Komplex von Wissensvermittlung, pädagogischer Kommunikation, pädagogischem Wissen und Selbstbeobachtung, wird deutlich, dass diese Dimensionen nicht in synchroner, sich gleichzeitig steigernder Weise ineinander greifen, sondern ungleichzeitig verlaufende Entwicklungsprozesse mit unterschiedlicher sozialer Reichweite implizieren.

Veröffentlichungen zum Projekt

2001
  • Kade, J./Seitter, W. (2001): Uneindeutige Verhältnisse. Bildung - Umgang mit Wissen - pädagogische Wissensordnungen. Theoretischer Zugang und empirische Fälle. Erste Befunde. Frankfurt/M. (vervielfältigtes Manuskript)
  • Kroschel, M./Mohr, R. (2001): Prozessierung von Wissen in Unternehmen. In: Faulstich, P./Wiesner, G./Wittpoth, J. (Hrsg.): Wissen und Lernen, didaktisches Handeln und Institutionalisierung. Befunde und Perspektiven der Erwachsenenbildungsforschung. Bielefeld, S. 129-140.
  • Kroschel, M./Mohr, R. (2001): Tanz der Theorie mit der Empirie. In: Uni-Report Universität Frankfurt, Heft. 7, S. 9.
2002
  • Kade, J./Seitter, W. (2002): Wissensgesellschaft - Forscherhabitus - Erwachsenenbildung/Weiterbildung. In: DIE 9, H.2, S.31-33.
  • Kade, J./Seitter, W. (2002): Bildung und Umgang mit Wissen im Kontext unterschiedlicher sozialer Welten. Erziehungswissenschaftliche Perspektiven. In: Report. Literatur- und Forschungsreport Weiterbildung 49, S. 90-101.
  • Kade, J./Seitter, W. (2002): Pluralisierung und Entgrenzung des Lernens Erwachsener. In: Grundlagen der Weiterbildung Zeitschrift, H. 6, S. 283-285.
  • Seitter, W./Kade, J. (2002): Biographie - Institution - Wissen. Theoretische Konzepte und empirische Projekte zur Erwachsenenbildung. In: Kraul, M./Marotzki, W. (Hrsg.): Biographische Arbeit. Opladen, S. 241-269.
2003
  • Egloff, B. (2003): Die Entgrenzung der Erwachsenenbildung aus der Perspektive sozialer Welten. In: Nittel, D./Seitter, W. (Hrsg.): Die Bildung des Erwachsenen. Erziehungs- und sozialwissenschaftliche Zugänge. Festschrift für Jochen Kade. Bielefeld, S.235-247.
  • Helsper, W./Hörster, R./Kade, J. (2003): Ungewissheit. Pädagogische Felder im Modernisierungsprozess. Weilerswist.
  • Kade, J. (2003): Talkshow - Politische Öffentlichkeit zwischen pädagogischer Aufklärung und aufgeklärter Pädagogik? In: Report. Literatur- und Forschungsreport Weiterbildung 26, S. 174-184.
  • Kade, J. (2003): Wissen - Umgang mit Wissen - Nichtwissen. Über die Zukunft pädagogischer Kommunikation. In: Gogolin, I./Merkens, H. (Hrsg.): Innovation durch Bildung. Opladen
  • Kade, J./Seitter, W. (2003): Jenseits des Goldstandards. Über Erziehung und Bildung unter den Bedingungen von Nicht-Wissen, Ungewissheit, Risiko und Vertrauen. In: Helsper, W./Hörster, R./Kade, J. (Hrsg.): Ungewissheit. Pädagogische Felder im Modernisierungsprozess. Weilerswist, S. 50-72.
  • Kade, J./Seitter, W. (2003): Von der Wissensvermittlung zur pädagogischen Kommunikation. Theoretische Perspektiven und empirische Befunde. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 6, H.4, S. 602-617.
  • Kade, J./Nolda. S. (2003): Erwachsenenbildung und Öffentlichkeit. – Vorbemerkung zu den Beiträgen der Arbeitsgruppe 2003. In: Report. Literatur- und Forschungsreport Weiterbildung 26, S. 131-132.
    Seitter, W. (2003): Aneignung: Entwicklung und Ausdifferenzierung eines Konzepts. In: Nittel, D./Seitter, W. (Hrsg.): Die Bildung des Erwachsenen. Erziehungs- und sozialwissenschaftliche Zugänge. Festschrift für Jochen Kade. Bielefeld, S. 13-24.
  • Seitter, W. (2003): Verschränkungen auf Zeit. Zur Relationierung von Verein und Biographie als migrationsspezifischer Bearbeitungsmodus ungewisser Zukunft. In: Helsper, W./Hörster, R./Kade, J. (Hrsg.): Ungewissheit. Pädagogische Felder im Modernisierungsprozess. Weilerswist, S. 184-201.
2004
  • Egloff, B./Kade, J. (2004): Erwachsenenbildungsforschung. In: Krüger, H.-H./Grunert, C. (Hrsg.): Wörterbuch Erziehungswissenschaft. Wiesbaden, S.135-141
  • Kade, J. (2004): Forschungssequenz und Forschungskultur. Voraussetzungen qualitativer Forschung am Fall erziehungswissenschaftlicher Biographieforschung zum Lernen Erwachsener. In: Brödel, R. (Hrsg.): Weiterbildungsforschung. Bielefeld. (im Druck)
  • Kade, J. (2004): Bildung, Wissen und das pädagogische im Kontext der Wissensgesellschaft. In: Baldauf-Bergmann, K./von Küchler, F./Weber, C. (Hrsg.): Erwachsenenbildung im Wandel. Ansätze zu einer reflexiven Weiterbildungspraxis. Hohengehren, S.67-83.
  • Kade, J. (2004): Erziehung als pädagogische Kommunikation. In: Lenzen, D. (Hrsg.): Irritationen des Erziehungssystems. Pädagogische Resonanzen auf Niklas Luhmann. Frankfurt/Main, S. 199-232.
  • Kade, J./Egloff, B.: Entgrenzung und Begrenzung des lebenslangen Lernens. In: Grundlagen der Weiterbildung – Zeitschrift 15, H. 2. (2004), S. 49-51.
  • Kade, J./Seitter, W., u.M.v. Manfred Kroschel, Regine Mohr, Jörg Dinkelaker, Birte Egloff, Monika Fischer, Matthias Herrle (2004): Wissensgesellschaft. Umgang mit Wissen im Kontext zweier sozialer Welten vor dem Hintergrund der universellen Institutionalisierung des Pädagogischen. Unveröffentlichter Ergebnis-/Arbeitsbericht an die DFG, Frankfurt und Marburg.
2005
  • Die Institutionalisierung des Lernens im Erwachsenenalter (Einleitung). In: Kade, Jochen/Seitter, Wolfgang (Hrsg.): Pädagogische Kommunikation im Strukturwandel. Beiträge zum Lernen Erwachsener. Bielefeld 2005, S. 9-12. (zus. mit Jochen Kade)
  • Wissensvermittlung – pädagogische Kommunikation – Selbstbeobachtung. Zur Institutionalisierung des Lernens im Erwachsenenalter. In: Kade, Jochen/Seitter, Wolfgang (Hrsg.): Pädagogische Kommunikation im Strukturwandel. Beiträge zum Lernen Erwachsener. Bielefeld 2005, S. 47-61. (zus. mit Jochen Kade)
  • Empirische Forschung und erziehungswissenschaftliche Theorieentwicklung zum Wissenserwerb Erwachsener – eine Diskussion. In: Kade, Jochen/Seitter, Wolfgang (Hrsg.): Pädagogische Kommunikation im Strukturwandel. Beiträge zum Lernen Erwachsener. Bielefeld 2005, S. 63-111. (zus. mit Jörg Dinkelaker, Birte Egloff, Monika Fischer, Jochen Kade, Harm Kuper, Sebastian Manhart, Sigrid Nolda, Dirk Rustemeyer)
  • Die Pädagogik der Wissensgesellschaft. Zum Umgang mit Wissen in den sozialen Welten von Obdachlosen und Führungskräften. In: Kursiv. Journal für politische Bildung 2005, H.4, S. 76-80. (zus. mit B. Egloff und J. Kade)
  • Das Pädagogische in der ,Wissensgesellschaft’. In: Kade, Jochen/Seitter, Wolfgang (Hrsg.) Grundlagen der Weiterbildung 2006, H.1, S. 30-33. (zus. mit J. Kade).
  • Pädagogische Kommunikation im Strukturwandel. Beiträge zum Lernen Erwachsener. (Erwachsenenbildung und lebensbegleitendes Lernen: Grundlagen und Theorie, Bd. 6). Bielefeld 2005. 123 S. (zus. mit Jochen Kade)
  • Kade, J./Seitter, W. (2001): Uneindeutige Verhältnisse. Bildung - Umgang mit Wissen - pädagogische Wissensordnungen. Theoretischer Zugang und empirische Fälle. Erste Befunde. Frankfurt/M. (vervielfältigtes Manuskript)
  • Kroschel, M./Mohr, R. (2001): Prozessierung von Wissen in Unternehmen. In: Faulstich, P./Wiesner, G./Wittpoth, J. (Hrsg.): Wissen und Lernen, didaktisches Handeln und Institutionalisierung. Befunde und Perspektiven der Erwachsenenbildungsforschung. Bielefeld, S. 129-140.
  • Kroschel, M./Mohr, R. (2001): Tanz der Theorie mit der Empirie. In: Uni-Report Universität Frankfurt, Heft. 7, S. 9.
2006
  • Die Institutionalisierung des Lernens im Erwachsenenalter. In: Fatke, R./Mer­kens, H. (Hrsg.): Bildung über die Lebenszeit. Wiesbaden 2006, 197-208. (zus. mit J. Kade).
2007
  • Umgang mit Wissen. Recherchen zur Empirie des Pädagogischen. Bd. 1: Pädagogische Kommunikation. Bd. 2: Pädagogisches Wissen. Opladen/Farmington Hills 2007. (zus. mit J. Kade).
  • Editorial zum Schwerpunkt: Umgang mit Wissen. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 10 (2007), H.2, S. 149-151. (zus. mit J. Kade).
  • Offensichtlich unsichtbar. Die Pädagogisierung des Umgangs mit Wissen im Kontext des lebenslangen Lernens. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft 10 (2007), H.2, S. 181-198. (zus. mit J. Kade).