Hauptinhalt

CFP: Sprache und Topik populärer Kunstgeschichte (Siegen, 16-18 Apr 2015)

Workshop des Lehrstuhls für Kunstgeschichte der Universität Siegen in Kooperation mit dem Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg, 16.-18. April 2015

Veranstaltungsdaten

16. April 2015 09:00 – 18. April 2015 20:00
Termin herunterladen (.ics)

Museum für Gegenwartskunst Siegen

Organisiert von Joseph Imorde und Andreas Zeising (Siegen), Hubert Locher und Melanie Sachs (Marburg)

Während Kunstgeschichte als akademische Disziplin zu Recht im Ruf eines »Orchideenfachs« steht, entfaltet sie auf dem Feld populärer Vermittlung eine Breitenwirkung wie kaum ein anderes universitäres Fach. Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert lässt sich beobachten, dass Sprechen und Schreiben über Kunst in zunehmendem Maße an ein breites, nicht fachlich gebildetes Laienpublikum adressiert war. War es einerseits die Kunstkritik, die als Instanz der kritischen Öffentlichkeit einen enorm Zuwachs an medialer Präsenz in Publikumszeitschriften und Feuilletons verzeichnete, so erzielte zum anderen der populärwissenschaftliche Verlagssektor mit kunsthistorischer Thematik ungeahnte Auflagenhöhen. Konturen gewann die Entwicklung in der verbreiteten Profession des »Kunstschriftstellers«, der in vielen Fällen auf Augenhöhe mit der wissenschaftlichen Forschung agierte, sein Betätigungsfeld jedoch in der breitenwirksamen und unterhaltsamen Kunstvermittlung in den kommerziellen Zeitschriftenmedien und im Verlagswesen fand. Weitere Praxisfelder populärer Kunstgeschichte waren die Erwachsenenbildung und die Museumspädagogik, die sich seit der Zeit um 1900 verstärkt darum bemühten, gerade den bildungsfern sozialisierten Laien zu erreichen. Der Siegeszug der elektronischen Rundfunkmedien eröffnete weitere Vermittlungskanäle, mit denen Kunstgeschichte bis heute breite Bevölkerungsschichten erreicht.

Populär ist Wissenschaft dort, wo sie über die akademische Fachwelt hinaus wirkt. Gleichwohl bedeutet Popularisierung nicht, »Expertenwissen« auf ein gemeinverständliches Niveau herunterzubrechen. Vielmehr besitzt »populäres Wissen« durch die Ökonomie und Technik seiner Verbreitungsmedien, den Interessen- und Verständnishorizont der Adressaten bzw. Konsumenten sowie durch ihre inhärenten Zielsetzungen der Vermittlung (z.B. Unterhaltung, Belehrung, Erziehung) immer schon ein eigenständiges Profil [vgl. Boden/Müller 2009]. Wie auch für andere Diskursfelder gilt daher, dass populäre Kunstgeschichte durch diskursiv-methodische und mediale Zugänge geprägt ist, durch die sich ihre Gegenstände in der Vermittlung überhaupt erst konstituieren. Dass sich gerade im Falle der Kunstgeschichte die Grenzen zwischen akademischer Wissenschaft und Populärliteratur oftmals als fließend erweisen, spricht nicht gegen diese Feststellung, sondern ist als Indiz dafür zu werten, dass Rückkopplungen zwischen populären und akademischen Diskursen möglich sind, indem sich die wissenschaftliche Kunstgeschichte ihrerseits populäre, zuweilen auch populistische Standpunkte, Sichtweisen und Fragehorizonte zu eigen macht.

Die von der disziplingeschichtlichen Forschung lange Zeit marginalisierten Felder populärer Kunstgeschichte rücken in jüngster Zeit verstärkt in den Fokus der fachhistoriografischen und wissenssoziologischen Forschung. Während dabei vornehmlich einzelne Protagonisten, publizistische Unternehmungen oder Verlage sowie Instanzen der Erwachsenenbildung ins Blickfeld gerieten, liegen Untersuchungen zum eigentlichen Gegenstand und zum »Werkzeug« populärer Kunstvermittlung, nämlich zu ihrer Sprache und Topik bislang nur vereinzelt vor. Der Siegener Workshop will hier ansetzen und die Aufmerksamkeit auf die spezifische Materialität der Sprache und die Diskursmuster populärwissenschaftlicher Kommunikation über bildende Kunst richten. Dabei geht es weniger um linguistische [vgl. Hausendorf 2007, Klotz/Lubkoll 2005] oder didaktische [vgl. Roll/Spieß 2013] Aspekte der Kunstkommunikation. Zu fragen ist vielmehr, welche Topiken, Kategorien, Begriffsfelder, Metaphoriken, Stillagen oder Erzählmuster das Schreiben und Sprechen über Kunst für ein Breitenpublikum in Abgrenzung mit – oder auch in Auseinandersetzung zur – akademischen Kunstgeschichte prägen und welche Absichten und Ideologien daran geknüpft sind.

Erwünscht sind ebenso Beiträge, die das Thema in historischer Perspektive beleuchten, wie Überlegungen zur Situation der Kunstvermittlung in der heutigen Medienwelt oder im Ausstellungsbetrieb. Fallstudien zu einzelnen Autoren oder Werken sind ebenso denkbar wie diskursanalytische Zugänge, mit denen Begrifflichkeit und Topik populärer Kunstgeschichte im Hinblick auf den Mediengebrauch und im Zusammenhang zeitgeschichtlicher Kontexte untersucht wird. Unter anderem sind folgende Fragestellungen und Gegenstandsfelder denkbar:

  • Gibt es einen »literarischen Stil« populärer Kunstgeschichte? Wie verortet sich das Schreiben und Sprechen über Kunst im Spannungsfeld von Bildungs- und Alltagssprache, zwischen Wissenschaftsprosa, Essayistik, Trivialliteratur und Journalismus? Wie artikuliert sich im Medium populärer Sprache »Wissenschaftlichkeit«, wie »Unterhaltung«?
  • Welche Erzählmuster (z.B. Künstlerbiografik, Künstlercharakteristik), Stilbegriffe (z.B. Individualstil, Altersstil), Geschichtsmodelle (z.B. Entwicklungsgeschichte) finden in der populären Kunstgeschichte eine Fortschreibung jenseits der Paradigmenwechsel akademischer Wissenschaft? Welche Rolle spielen Kategorien von Autorschaft und Werk, Schöpfertum und Kreativität?
  • Welche Stereotypen, Argumentationsmuster oder »ritualisierte Erzählungen« (z.B. Fortschritt vs. Reaktion, Konvention vs. Innovation, gesellschaftlicher Zwang vs. künstlerische Freiheit) prägen das populäre Reden und Schreiben über Kunst?
  • Welche Topoi, verstanden als »feste Bilder und Bestandteile diskursiven Wissens« [Jäger 2012: 15] prägen populäre Kunstgeschichte? Hierzu zählen etwa die lange Zeit gebräuchlichen (und bis heute geläufigen) Topiken der Künstlerbiografik (Außenseiter, Genie, Sonderling, einsamer Prophet, scheiternder Held), ebenso Topiken des ›Erlebens‹ von Kunst, der ›Begegnung‹ mit dem Werk und seiner ›Präsenz‹, wie sie für die Museumsvermittlung konstitutiv sind
  • Welche (Kollektiv-)Metaphoriken und Sprachbilder sind typisch für populäre Kunstgeschichte? Aus welchen anderen Diskursfeldern (z.B. Politik, Ökonomie) werden sie entlehnt?
  • In welcher Weise wirkt Sprache auch ideologisch vereinnahmend? Schreibt sich in Sprache und Topik populärer Kunstgeschichte das Rollenverständnis der Autoren als Erzieher, Unterhalter oder Aufklärer ein? Anknüpfend an Martin Warnke [Warnke 1970] wäre noch einmal danach zu fragen, wie (autoritäre) Denkmuster aus dem Diskurs des Politischen die Interpretation und Beschreibung ästhetischer Objekte steuern
  • Populäre Kunstgeschichte stellt Fragen, »wie sie unbefangene Menschen vor den Werken der Kunst zu stellen pflegen« [Waetzoldt 1938: 3]. Welches sind diese Fragen, die konstitutiv sind für populäre Kunstgeschichte als Laiendiskurs?
  • Wo gab und gibt es Ansätze, im Hinblick auf neue Vermittlungsmedien und erweiterte Adressatenkreise (z.B. Rundfunk, Internet) eine eigenständige Sprache populärer Kunstgeschichte neu zu begründen?

Der Workshop wird vom 16.-18. April 2015 vom Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Universität Siegen in Kooperation mit dem Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg ausgerichtet und findet im Museum für Gegenwartskunst Siegen statt. Im Herbst 2015 ist ein zweiter Workshop in Marburg geplant, der nach den Wertbildungsprozessen einer populären Kunstgeschichte fragen und den Zusammenhang von populärem Kanon und Expertenmeinung in den Blick nehmen soll.

Bitte senden Sie Ihre Vortragsskizze (max. 3.000 Zeichen) mit kurzen Angaben zum Werdegang bis zum 15. August 2014 an Joseph Imorde (imorde@kunstgeschichte.uni-siegen.de) und Andreas Zeising (zeising@kunstgeschichte.uni-siegen.de).

Eingabeschluss: 15.08.2014

Prof. Dr. Joseph Imorde
Dr. Andreas Zeising
Universität Siegen
Fakultät II, Lehrstuhl für Kunstgeschichte
Adolf-Reichwein-Straße 2
D-57068 Siegen

Prof. Dr. Hubert Locher
Melanie Sachs, M.A.
Philipps-Universität Marburg
Deutsches Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte – Bildarchiv Foto Marburg
Biegenstr. 11
D-35037 Marburg