Hauptinhalt

Frühe Reisefotografie im Nahen Osten

Der Fotografie wird seit ihrer Erfindung die Eigenschaft der objektiven und authentischen Darstellung zugeschrieben. Die neue Bildherstellungstechnik schien prädestiniert, Informationen über bisher nicht bekannte Länder, Völker und Kulturen zu vermitteln. Im Dienst des Tourismus und der Wissenschaften konnte die Fotografie dem Bedürfnis der Menschen besonders entsprechen, sich ein Bild fremder Kulturen zu machen. Eines der bevorzugten Ziele wurden die Europa unmittelbar benachbarten Gegenden des Orients, besonders Ägyptens, Syriens und des Heiligen Landes. Vorgestellt werden hier Fotografien von Francis Bedford (1816-1894) und des Ateliers Sébah & Joaillier.

Fotografische Abbildungen von Landschaften und Architektur, aber auch der Menschen des Orients bestimmten im Westen seit Mitte des 19. Jahrhunderts zunehmend die Vorstellungswelt der Fremde, sowohl in Konfrontation, als auch im Dialog mit tradierten Vorstellungen und Vorurteilen. Seit jeher waren Ägypten und die islamische Welt des vorderen Orients Gegenstand romantischer Sehnsüchte und Schwärmereien. Durch Erzählungen, Reiseberichte und Werke der bildenden Kunst hatte man sich ein Bild von diese fremden und dem Abendland eigentlich doch nahen Kulturen gemacht. Die frühe Orient-Fotografie knüpfte an dieser Stelle an, konnte aber neuerdings auch mit dem Anspruch auftreten, ein wahreres Bild dieser fernen Welt zu liefern. Zunächst zur Bestandsdokumentation und Zustandsbeschreibung im Interesse westlicher Kolonialmächte unternommen, lieferte die Reisefotografie auch Bilder für Wissenschaften wie die Geographie, die Archäologie, die Ethnologie und die Anthropologie. Zugleich diente sie zunehmend auch als Erinnerungshilfe und Beleg für touristisch Reisende. Den Wunsch nach genauer Dokumentation galt es folglich ebenso zu bedienen wie die Erwartungshaltungen der Orientreisenden. Das Medium etablierte sich bis zum Ende des Jahrhunderts zudem auch in der muslimischen Gesellschaft des Osmanischen Reiches.

Als Beispiele früher Reisefotografie aus den historischen Beständen des Bildarchivs Foto Marburg seien hier zwei Konvolute vorgestellt. Das eine stammt vom britischen Reisefotografen Francis Bedford, der als Fotograf der englischen Krone den Prince of Wales in den Nahen Osten auf eine Expedition begleitete. Die mittlerweile nahezu 150 Jahre alten Aufnahmen waren eine wichtige Grundlage für die Rezeption antiker und islamischer Baukunst in der westlichen Welt und sind heute eine bedeutende Quelle für die ersten Ausgrabungen und den damaligen Umgang mit archäologischen Monumenten.

Den zweiten Schwerpunkt bildet das Fotostudio Sébah & Joaillier im heutigen Istanbul. Es handelte sich hierbei um eines der ersten ortsansässigen Fotostudios im Osmanischen Reich, wie sie damals an den Reiserouten des sich etablierenden Orient-Tourismus entstanden. Fotografien aus dieser Werkstatt wurden national und international vertrieben und mehrfach ausgezeichnet.

Lit.: Schuller-Procopovici, Karin, Köln, 1988

mehr lesen im Projektaspekt: