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Frühe Reisefotografie und die Anfänge des Orient-Tourismus

Reisefotografie im Nahen Osten wurde anfangs zunächst vornehmlich für wissenschaftliche Zwecke unternommen. Die ersten, wissenschaftliche Standards verfolgenden Fotodokumentationen des Orients führten August Salzmann bzw. Maxime Du Camp in den 1850er Jahren durch. Doch auch in der breiteren westlichen Öffentlichkeit wuchs das Interesse an fotografischen Abbildern des Orients. Hier sah sich die Fotografie mit romantischen Vorstellungswelten und Phantasien sowie einer von Reiseberichten und der Malerei der Orientalisten geprägten Begeisterung für das Morgenland konfrontiert, die sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts auch in einer gesteigerten Reisetätigkeit in den Nahen Osten widerspiegelten.

Wie man sich die frühen Touristen vorzustellen hat, berichtet die englische Schiftstellerin und Amateurarchäologin Amelia Edwards (1831-1892) aus dem Shepperd Hotel in Kairo: „Es gibt hier Kranke auf der Suche nach Genesung, Künstler auf der Suche nach Motiven, Sportbegeisterte, die nach Krokodilen zu jagen sich vorgenommen haben, Staatsmänner auf Urlaub, Sonderkorrespondenten, die auf den neusten Gesellschaftsklatsch aus sind, Sammler, die Mumien und Papyri aufzuspüren hoffen, Wissenschaftler, die nur wissenschaftliches im Sinn haben und den gewöhnlichen Überschuss an Müßiggängern, die nur der Lust des Reisens frönen oder der Befriedigung einer interesselosen Neugierde.“ Nur wenige Touristen konnten in den frühen Jahren der Fotografie das aufwändige und kostspielige Verfahren selbst anwenden. Um trotzdem ein visuelles Zeugnis ihrer Reise zu erhalten, nahmen sie den Dienst professioneller Fotografen in Anspruch, die sich schnell entlang der beliebten Reiserouten positioniert hatten. Sie waren Bildproduzenten und Händler zugleich, die häufig neben Fotografien auch sogenannte „Altertümer“ als Souvenirs absetzten. Die gewinnorientierte Reisefotografie richtete sich im Zuge der fortschreitenden Kommerzialisierung immer stärker nach dem Geschmack, den Sehgewohnheiten und den Erwartungen der europäischen Kunden. Die touristischen Bilderserien zeigen daher immer wieder die gleichen Bauwerke und Ansichten, nur selten mussten Fotografen spezielle Wünsche bedienen. Ateliers, wie beispielsweise das Fotostudio Sébah & Joaillier, konnten so bis weit ins 20. Jahrhundert ihren über Jahrzehnte aufgebauten Negativbestand nutzen. Noch vor der Einführung der Ansichtspostkarte entstand so eine große Anzahl an fotografischen Orient-Souvenirs. Das ursprünglich von der Wissenschaft geprägte Interesse der Fotopioniere wird im Laufe des Jahrhunderts durch die Tourismusfotografie abgelöst und gegen Ende des 19. Jahrhunderts rückt der Tourist selbst ins Bildzentrum.