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Reinhart Kosellecks Bildpraxis und sein Bildprogramm
Reinhart Kosellecks Bildpraxis, die intensive Arbeit an seiner Bildsammlung, das dahinterstehende Bildprogramm sowie damit verbundene Publikationsvorhaben blieben zwar nach außen lange unbekannt, ihn selbst begleiteten diese, für einen Historiker seiner Zeit durchaus eigensinnigen Forschungsaktivitäten jedoch Zeit seiner Historikerlaufbahn, wobei die Weichen bereits in frühester Jugend gelegt wurden. Schon damals hatte Koselleck nicht nur viel gezeichnet, sondern auch fotografiert, und was zunächst bürgerliche Hobbys darstellten, wurde bald schon zu feinsinnigen Instrumenten der Wissensgenese. Durch eine Tante mütterlicherseits, die ihm später ihre kunstgeschichtliche Bibliothek vererbte, wurde er früh mit Kunst und Architektur vertraut. Während des inhaltlich breit angelegten Studiums in Heidelberg belegte Koselleck dann auch Seminare in der Kunstgeschichte. Diese früh geförderten kunsthistorischen und kunsttheoretischen Interessen brachen nie ab und dokumentieren sich eindrücklich in seiner Bibliothek und in dem umfangreichen handschriftlichen Bestand. Der Privatdruck Vorbilder – Bilder, der anlässlich von Kosellecks 60. Geburtstag im Jahr 1983 veröffentlich wurde, gibt mit einer Auswahl an Zeichnungen und Karikaturen außerdem einen Eindruck seiner künstlerischen Ambitionen, zumal Koselleck zunächst an der Kunstakademie studieren und Karikaturist werden wollte.
Als junger Wissenschaftler in Heidelberg bot Koselleck bereits in seiner Assistentenzeit Seminare an, in denen er verschiedenste Bildmedien als Quellengrundlage nutzte, bis hin zu Traumbildern. Inhaltlichen Schwerpunkt stellte die Aufarbeitung der Erfahrungen des 1. und 2. Weltkrieges im Medium des Bildes. Koselleck kooperierte hierzu interdisziplinär und knüpfte früh Kontakte mit Lehrenden des Kunstgeschichtlichen Institutes, mit denen er auch nach dem Wechsel an die Bielefelder Universität weiter eng zusammenarbeitete. Aus diesem Kontext heraus entstanden mit Beginn der 1970er Jahre große kooperative Forschungsprojekte und Sonderforschungsbereiche, die bis in die 1990er Jahre fortgesetzt wurden und thematisch um den politischen Totenkult der Neuzeit kreisten, historisch vergleichend vorgingen und Fragen zur Formen-, Inschriften-, Stiftungs- und Rezeptionsgeschichte zentrierten. Materialien zu Seminaren und interdisziplinären Arbeitstagungen, u.a. am „Zentrum für interdisziplinäre Forschung“ in Bielefeld und in der „Werner-Reimers-Stiftung“ in Bad Homburg sowie zu studentischen Exkursionen, die für breit angelegte Fallstudien genutzt wurden, dokumentieren diese Projektphase, die Koselleck als „fast unendliche Geschichte“ in Erinnerung behalten sollte. Hauptgegenstand dieser Arbeiten war neben der Auswertung archivierter Schriftquellen, die fotografische Dokumentation von Kriegerdenkmälern, Kriegsfriedhöfen und Todesdarstellungen in einem deutsch-französischen Vergleich; hierfür kooperierte Koselleck mehrere Jahrzehnte auch mit französischen Wissenschaftlern und Forschungseinrichtungen, wie überhaupt der Bildnachlass von vielfältigen Verbindungen in kunsthistorische und künstlerische Kreise zeugt, die sich besonders sprechend in der überlieferten Korrespondenz dokumentieren.
Neben der Bildarbeit im Rahmen dieser universitären Projekte begann Koselleck vermehrt selbst zu fotografieren, um eine eigene Bildsammlung anzulegen und damit die Forschungen aus universitären Projekt-Zusammenhängen in Eigeninitiative voranzutreiben. Seit den späten 1970er Jahren plante Koselleck, Ergebnisse seiner Bildarbeit in eine Monografie zur neuzeitlichen Geschichte des gewaltsamen Todes im Medium des Bildes zu überführen. Eingebunden in vielfältige Verpflichtungen, insbesondere im Rahmen der Geschichtlichen Grundbegriffe, verzögerte sich die Umsetzung dieses Vorhabens bis weit in die 1990er Jahre und verband sich schließlich mit einer thematischen Neuausrichtung hin zum Gegenstand des „Reiters“ beziehungsweise des „Reiterdenkmals“ und seiner historischen Aufarbeitung. Zusätzlich gefördert durch einen Aufenthalt als Gast-Professor am Hamburger Warburg-Haus 1996/97, arbeitete Koselleck fortan an einer vergleichenden Studie zur Geschichte des Reiterdenkmals, die jedoch nicht mehr publiziert wurde. Koselleck hielt aber zahlreiche Vorträge im nationalen und vor allem internationalen Kontext, die er in einige Essays überführte. Außerdem beteiligte er sich in den 1990er und Folgejahren an den Debatten um die deutsche Denkmals- und Erinnerungskultur und verfasste in diesem Rahmen Beiträge für Zeitungen und Magazine. All diese Arbeiten dokumentiert sein Bildnachlass im Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte.