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7. Mobiler Studientag "Beyond Categories?" Kategoriale Zuordnungen und Verortungen in Wissenschaft, Politik und Recht auf dem Prüfstand

Zum siebten Mal findet im Wintersemester 2013/2014 der „Mobile Studientag feministische Rechtswissenschaft“ statt. Dieses Jahr beschäftigt uns das Thema: "Beyond Categories?" Kategoriale Zuordnung und Verortung in Wissenschaft, Politik und Recht auf dem Prüfstand. 

Geschlecht, Herkunft, Religion - gender, race, religion: merkmals- und/oder gruppenbasierte Konzepte sind weltweit als sozialwissenschaftliche Analysekategorien, als individuelle oder politische Identitätskategorien und als Kategorien des Antidiskriminierungsrechts etabliert. Kategorien sind wichtig, um soziale Ungleichheitsverhältnisse zu beschreiben, politische Forderungen nach Gleichbehandlung zu formulieren, rechtlichen Diskriminierungsschutz zu gewährleisten und nachteilsausgleichende Maßnahmen zu etablieren.

Doch der gruppistische Ansatz birgt auch Gefahren. Das "Dilemma der Differenz" ist nicht nur ein feministisches. Wenn im Grundgesetz steht "Niemand darf wegen seiner Rasse diskriminiert werden" kann diese Aussage leicht dahingehend missverstanden werden, dass es Menschenrassen gäbe, nur dass man sie nicht ungleich behandlen dürfe. Das Beispiel zeigt, wie sozial hergestellte Differenzen essentialisiert werden können. Gleichzeitig verdeutlicht es, dass nationale Diskurse, Begriffsverständnisse und regionale historische Ereignisse das Verständnis von Kategorien entscheidend mitprägen. Rasse ist nicht gleich race und Behinderung ist nicht gleich disability. Abgeschlossene Kategorien können aber auch unterschiedliche Lebensrealitäten innerhalb sozialer Gruppen vereinheitlichen, homogenisieren. Mehrdimensionale Diskriminierungserfahrungen und intersektionale Identitäten verschwinden rasch im Konzept von „den Frauen“, „den Muslimen“ oder „den Migranten“. Wer eine Quote für Frauen stark macht, muss sich die Frage stellen, welche Frauen gefördert werden sollen und warum zum Beispiel Transgenderpersonen oder migrantische Männer nicht von der Quote profitieren sollen. Schließlich ist auch der politische Bezug auf Kategorien ambivalent. Das zeigt sich am Beispiel von sogenannten intersexuellen Menschen, die angesichts spezifischer Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen nicht in die Diskriminierungskategorie Transgender oder sexuelle Identität gesteckt werden wollen. Neuere Formen sozialer Diskriminierung wie die Benachteiligung aufgrund genetischer Prädispostionen durch Versicherungen werfen zudem die Frage auf, welche Chancen und Risiken mit der Bildung neuer "Gruppen" einhergehen.

Postkategoriale Ansätze machen sich vor diesem Hintergrund für eine Kritik kategorialer Zuordnungen stark und wollen den kritischen analytischen, rechtlichen und politischen Blick stärker auf Prozesse der Zuschreibung und Benachteiligung im Kontext von mehrdimensionalen Macht- und Herrschaftsverhältnissen lenken.

In verschiedenen Workshops diskutieren wir Vorteile, Risiken und Alternativen kategorialer Zuordnungen anhand theoretischer Texte, praktischer Diskriminierungsfälle, Gerichtsentscheidungen, Fördermaßnahmen und politischer Forderungen.

zu den Referentinnen:

Doris Liebscher, Juristin, LL.M. Eur., Humboldt Law Clinic Grund- und Menschenrechte (HU Berlin), Vorständin Antidiskriminierungsbüro Leipzig, arbeitet zu den Schwerpunkten Antidiskriminierungsrecht, Antidiskriminierungskultur, Rassismus und Intersektionalität

Juana Remus, Juristin, promoviert an der Uni Bremen zur Strafbarkeit genitalverändernder Eingriffe an intersexuellen Minderjährigen, arbeitet zu den Schwerpunkten Medizinrecht und damit verbundenen ethische Fragestellungen sowie  (Queer-)Feministischen Rechtswissenschaft

Programm:

9:30 Begrüßung durch das Zentrum für Gender Studies und die Frauenbeauftragten der Universität Marburg

10:00 Workshop I – Kategorien und Gruppen als Anknüpfungspunkte im Antidiskriminierungsrecht

11:30 Pause

11:45  Workshop II – Einschlüsse und Ausschlüsse durch Kategorisierungen

13:15 Mittagspause

14:15 Workshop III – Essentialisierungs- und Homogenisierungstendenzen durch Kategorisierungen

15:45 Kaffeepause

16:00 Workshop IV - Chancen und Grenzen eines postkategorialen Antidiskriminierungsrechts

17:30 Pause

18:00 Gender Sneak

Workshop I- Kategorien und Gruppen als Anknüpfungspunkte im Antidiskriminierungsrecht

Das deutsche Antidiskriminierungsrecht knüpft den Diskriminierungsschutz und Nachteilsausgleich an verschiedene Kategorien z.B. Geschlecht, rassistische Zuschreibungen und ethnische Herkunft, Religion oder Behinderung. Kategorien sind wichtig, um soziale Ungleichheitsverhältnisse zu beschreiben, politische Forderungen nach Gleichbehandlung zu formulieren, rechtlichen Diskriminierungsschutz zu gewährleisten und nachteilsausgleichende Maßnahmen zu etablieren. Doch was genau ist Diskriminierung und wie lässt sie sich nachweisen? Wo liegen Probleme des aktuellen Diskriminierungsbegriffs, der auf die Zugehörigkeit oder Zuordnung zu Gruppen setzt?

Workshop II – Einschlüsse und Ausschlüsse durch Kategorisierungen

Obwohl die einzelnen Kategorien als Analysekategorien die Beschreibung von Herrschaftsverhältnissen ermöglicht, produzieren sie abermals Ein- und Ausschlüsse. Die Diskriminierung kopftuchtragenden Frauen durch Sozialbehörden ist rechtlich nur schwer zu fassen und ostdeutsch sozialisierte Menschen, die deshalb auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert werden, können sich nicht auf das deutsche Antidiskriminierungsgesetz (AGG) berufen. Anhand der Kategorien Rasse, Religion und Geschlecht verdeutlichen wir in diesem Workshop, wie diese Ein- und Ausschlüsse produziert werden und welche Personen daher gar keinen oder nur einen schlechteren Schutz durch das derzeitige Antidiskriminierungsrecht erhalten.

Workshop III – Essentialisierungs- und Homogenisierungstendenzen durch Kategorisierungen

Durch in sich geschlossene Kategorien werden unterschiedliche Lebensrealitäten innerhalb sozialer Gruppen vereinheitlicht, homogenisiert. Mehrdimensionale Diskriminierungserfahrungen verschwinden rasch im Konzept von „den Frauen“, „den Muslimen“ oder „den Migranten“. Wie werden intersektionale Identitäten im Recht verhandelt und wird wirken Essentialisierung und Homogensierungen  auf diese? Anhand aktueller Urteile zu rassistischer Diskriminierung an der Diskotür und auf dem Arbeitsmarkt diskutieren wir diese Nebeneffekte des Antidiskriminierungsrechts.

Workshop IV - Chancen und Grenzen eines postkategorialen Antidiskriminierungsrechts

Vor dem Hintergrund der bereits erarbeiteten Problemfelder diskutieren wir aktuelle postkategoriale Ansätze. Postkategorial bedeutet, statt auf Kategorien und Gruppen auf vielfältige Herrschaftsverhältnisse und Stigmatisierungen zu reagieren. Welche Alternativen für kategoriale Zuschreibungen sind denkbar? Wie kann eine Recht gegen Rassismus, Sexismus, Ableism und Heteronormativität aussehen? (Wie )sind Antidiskriminierungspolitiken, Quoten und Fördermaßnahmen ohne Kategorien möglich? Unter Verdeutlichung der Vorteile und Risiken durch Alternativen diskutieren wir, wie ein umfassender Diskriminierungsschutz ohne Kategorien aussehen kann.

Studierende des Studienprogramms „Gender Studies und feministische Wissenschaft“ können sich die Teilnahme als zusätzliche Leistung zum Studienprogramm vermerken lassen.

Der Studientag findet in Kooperation mit den zentralen Frauenbeauftragten der Philipps-Universität und dem Feministischen Archiv Marburg statt.

Der Studientag wird gefördert durch den Ursula-Kuhlmann-Fonds der Philipps-Universität Marburg.