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Festansprache, gehalten zum 25jährigen Jubiläum des Unichors Marburg

Matthias Warkus, M.A.
– es gilt das gesprochene Wort –

Sehr geehrter Herr Professor Schachtner, sehr geehrte Frau Landrätin Fründt, sehr geehrte Frau Stadträtin Dr. Weinbach, liebe Sangesfreundinnen und -freunde, liebe Gäste,
ein Universitätschor ist ein Standortfaktor. Die Selbstsicherheit, die Disziplin, die Achtsamkeit, die anspruchsvoller Chorgesang erfordern, sind in einer ausdifferenzierten Wissensgesellschaft unentbehrliche Qualifikationen. Chöre leisten also einen unverzichtbaren Beitrag zur Wirtschaftskraft.– Dieses Argument ist möglicherweise nicht einmal falsch, aber dennoch völliger Unfug. Wir wären mit dem Klammerbeutel gepudert, es uns zu Eigen zu machen. Wer in einem Chor singt, besonders, wer im Unichor singt, singt nicht für das Bruttoinlandsprodukt, nicht für den Lebenslauf und auch nicht um mit bildungsbürgerlichem Habitus zu punkten. Aber warum dann?
Ich bin ursprünglich gebeten worden, als langjähriges Chormitglied zum freudigen Anlass unseres 25jährigen Jubiläums einige launige Worte zu sprechen. Gleichzeitig bin ich aber auch, wie ich zu meinem Schrecken erfahren habe, derjenige, der hiermit als designierter Vorsitzender den Festvortrag hält, weil es anscheinend keine Ansprache durch den amtierenden Vorstand gibt. Ich möchte versuchen, die Aufgabe zu lösen, indem ich erkläre, was für mich die w ichtigsten Gründe sind, die man haben kann,  um im Unichor Marburg mitzusingen. Es sind gewissermaßen ein irdischer und ein überirdischer.

Der irdische Grund ist, dass es einen Heidenspaß macht mitzumachen. Es ist ein Geschenk, in einem anspruchsvollen A-cappella-Chor mit jungen Stimmen sein zu dürfen, in dem niemand nur aus Renommiergründen mitsingt, in dem wenige Klassiker gesungen werden und es dafür stets neue Abenteuer gibt, ob das nun unbekannte Komponisten sind, experimentelle Klänge oder einfach ungewöhnliche bis abwegige Texte. Auch kann ich sagen, dass es kaum eine Institution in meinem Leben gibt, die mir so viele Begegnungen mit beeindruckenden Menschen beschert hat wie der Unichor, und hoffe, dies sehen auch andere so. Im Unichor singen ist wie eine niemals endende Klassenfahrt mit interessanten Menschen von überallher und aus allen Fachgebieten; eine Klassenfahrt, bei der auf der Rückbank achtstimmig gesungen wird und bei der sich die Juristin, der Konfliktforscher und die Pharmaziedoktorandin das Dosenbier teilen. Das ist der irdische Grund.
Der überirdische Grund ist kein religiöser, denn der Unichor ist kein Kirchenchor. Aber: Wenn man im Unichor mitsingt oder ihm im Publikum zuhört, gibt es Momente, in denen alles gelingt, in denen Musik im Raum liegt wie ein lebendiger Kristall und die Zeit kurz zu  vergehen vergisst – und eine Ahnung davon bringt, dass es in der Welt noch anderes gibt als ECTS-Punkte, es um mehr geht als den Arbeitsmarkt, dass da Größeres ist als Klausuren, WG-Putzpläne und Urlaubsfotos. Dessen bin ich fest gewiss; das ist der zweite Grund. Und so muss man, manchmal mehr aus irdischen, manchmal mehr aus überirdischen Gründen, wenn man einmal angefangen hat zu singen, immer weitersingen. Frau Professorin Henze-Döhring hat ihren Beitrag zur Festschrift überschrieben: »Singen aus  eigener Kraft«. Das ist hier gemeint.
Dass es an einer Universität Menschen gibt, die immer weitersingen wollen und müssen, auch, wenn es keinen Universitätschor als Teil eines Collegium musicum mehr gibt, auch, wenn bei dem Chor, der bisher ihre musikalische Heimstätte war, die Proben terminlich nicht mehr wahrzunehmen sind – das ist der Grund, warum 1989 dieser Chor als studentische Eigeninitiative entstanden ist. Wolfgang Schult, der den Chor dann 24 Jahre lang geleitet hat, gab ihm ein Konzept und ein Repertoire, das seiner Zeit voraus war; er hat den Unichor maßgeblich zu dem engagierten, anspruchsvollen und experimentierfreudigen Chor gemacht, der er ist. Dass er heute nicht hier ist, hat damit zu tun, dass wir uns im Streit getrennt haben. An seinen Verdiensten ändert dies nichts; aber auch nicht daran, dass es danach darum ging, gleich und immer weiterzusingen, zunächst unter der kommissarischen Leitung von Mathias Weyel, seit dem letzten Semester unter Nils Kuppe, der es auf sich genommen hat, den Unichor weiterzuentwickeln und dabei seine musikalische DNA zu erhalten.

Und auch wenn ich natürlich hoffe, dass wir uns noch zu vielen Jubiläen wiedersehen: Selbst wenn es den Unichor irgendwann nicht mehr geben sollte, es wird an der Philipps-Universität stets Menschen geben, die immer weitersingen wollen. Mich freut besonders, dass als Vertreter dieser Universität sowohl Herr Vizepräsident Professor Schachtner als auch der Kanzler, Herr Dr. Nonne, anwesend sind. Es war uns eine Ehre und eine Freude, jüngst das Uni-Sommerfest eröffnen zu können, und wir werden auch in Zukunft gerne an der musikalischen Umrahmung universitärer Anlässe mitwirken, wenn Sie mögen. Von Frau Professorin Henze-Döhring haben Sie eben gehört; sie ist leider nicht hier, das Musikwissenschaftliche Institut wird aber von Frau Engeland würdig vertreten. Wir haben ihrer Bibliothek für die Unterstützung bei der Notenbeschaffung seit jeher zu danken.
Ich begrüße auch Herrn Neigert, den Präsidenten des Hessischen Chorverbandes, der im Anschluss, wenn ich richtig informiert bin, noch einige langjährige Mitglieder ehren möchte. Diese Sangesfreundinnen und -freunde, deren Namen Sie dann noch hören werden, heiße ich ganz besonders herzlich willkommen. Weiterhin begrüße ich Frau Pfarrerin und Herrn Pfarrer Simon von der Universitätskirchengemeinde, die Vertreterinnen und Vertreter befreundeter Chöre und des Studentensinfonieorchesters. Es ist großartig, dass Sie alle gekommen sind, um mit uns zu feiern.

Und die Rede vom Feiern bringt mich zu dem Dank an die vielen Menschen, die nicht nur unseren alltäglichen Chorbetrieb, sondern auch dieses Jubiläumsfest ermöglichen. Da sind Miriam Schlicht, Margarita Lange und Lukas Haag, die mit Sicherheit eines der besten und am härtesten arbeitenden Vorstandsteams sind, die wir je hatten; und natürlich noch viele andere, die sich an den verschiedensten Aufgaben beteiligt haben. Ich kann nicht alle aufzählen, möchte aber besonders die Helferinnen und Helfer herausheben, die das Konzert nicht hören konnten, weil sie währenddessen hier aufgebaut haben. Sie haben einen Sonderapplaus verdient.

Liebe Sangesfreundinnen und -freunde, liebe Gäste, ich bin am Ende angelangt und danke Ihnen für Ihr Interesse und Ihre Aufmerksamkeit. Wenn Sie mögen, abonnieren Sie unseren Newsletter, werden Sie Fördermitglied oder singen Sie mit – das gilt auch, wenn  Sie nicht oder nicht mehr studieren. Behalten Sie uns jedenfalls, wenn Sie mögen, im Gedächtnis. Und erheben Sie mit mir Ihr Glas auf den Unichor Marburg, gestern, heute und morgen. Zum Wohl!