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1984–1995: PCs setzen sich durch, das HRZ steigt ins Hochleistungsrechnen (HPC) ein

1984

Die Umsetzung des DV-Konzepts von 1982 war mit der Inbetriebnahme der Sperry 1100/60 im Oktober 1983 angelaufen; 1984 folgen die weiteren Schritte. Zunächst wird am 3.7.1984 die TR440 nach 57.732 Stunden Betriebszeit (Statistik) und der Bearbeitung von 976.564 Aufträgen (Jobs) mit einer Gesamtrechenzeit von 59.942 Stunden stillgelegt (der TR440 hatte 2 Prozessoren!). Einige Komponenten werden an das HRZ Kassel abgegeben. Nach neun Jahren Beschäftigung mit diesem Rechner war er den HRZ-Mitarbeitern ans Herz gewachsen, es gibt eine Abschiedsfeier mit einer nicht ganz ernst gemeinten Trauerrede.
Im Juli 1984 wird die Sperry 1100/60 hochgerüstet; das Einprozessorsystem 1100/61-H1 wird zum Doppelprozessorsystem 1100/62-H1. Ein Ausbau des Datenübertragungsrechners DCP/40 um einen weiteren I/O-Prozessor und zusätzlichen Arbeitsspeicher wird bereits Ende 1984 erforderlich.

Zentraleinheit der IBM 4361
Bild: HRZ
IBM 4361

Ebenfalls im Juli 1984 beginnt der Testbetrieb der IBM 4361 unter dem Betriebssystem IBM VM/SP für das Bildarchiv Foto Marburg und den FB Geowissenschaften (Konfiguration). Es waren nämlich zunächst nur wenige Terminals beschafft worden, weil für den Dialog-Zugang Sperry-Terminals genutzt werden sollten, diese aber anfangs nicht funktionierte. Die Konfiguration ist zusammengestoppelt: Die Zentraleinheit ist von IBM, Magnetplattensubsystem (Datenblatt), Drucker und Terminals (Datenblatt) stammen von Memorex, die Magnetbandgeräte von der alten IBM/370-145 im FB Geowissenschaften.

Grafikrechner DEC VAX 11/750
Bild: HRZ
DEC VAX 11/750

Dritte Inbetriebnahme im Juli 1984 ist die eines Minicomputers vom Typ DEC VAX 11/750 unter dem Betriebssystem VAX/VMS als Grafikrechner (zweite Ausbaustufe Anfang 1986; Betrieb bis 1990; Konfiguration). Es werden Arbeitsplätze aus Grafik-Terminals, Hardcopy-Units und Grafiktabletts betrieben, außerdem unterschiedliche Plotter, mit dem Grafischen Kernsystem GKS. Dies stellt die Basis für DECnet und den internen Dateitransfer zwischen den neuen Rechnern dar; es werden Daten aus Experimenten erfasst.

Zwischen Grafik- und Experiment-Rechner wird DECnet in Betrieb genommen: für den Dialogbetrieb (von jedem Terminal an einem der Rechner auf dem jeweils anderen), Dateitransfers (zwischen den Rechnern) und sogar Task-to-Task-Kommunikation. Funktionsumfang und Zuverlässigkeit prädestinieren DECnet als „Testbed“ für die Einarbeitung der HRZ-Mitarbeiter in Computer-Netze.
Auswahl und Beschaffung von Grafik- und Experimentrechner waren auf der Basis einer europaweiten Ausschreibung erfolgt (vgl. 1979), und zwar ausschließlich nach fachlichen Gesichtspunkten; in Anlehnung an dieses „Gesellenstück“ sind alle späteren Auswahlverfahren des HRZ ausschließlich fachlicher Natur. An der EG-Ausschreibung waren DEC, Dietz, Gould, Perkin-Elmer, Prime, Siemens und Tewidata beteiligt (Namen, die zum Teil vergessen sind).

In ihrem Jahresbericht berichtet die Universität über das Hochschulrechenzentrum und die neuen Rechner, inklusive tabellarischer Übersicht. Die Investitionen belaufen sich auf insgesamt ca. 8,06 Mio. DM. Die Regelungen der Benutzerverwaltung (vgl. 1967) gelten fort. Die Benutzer sind nicht gezwungen, sich in alle neuen Rechner einzuarbeiten, sie können sich vielmehr ihr System gemäß Zugangsmöglichkeiten, Software-Angebot und Hardware-Ausstattung oder einfach nur Vorliebe auswählen.

(Darstellung der Entwicklung der Hardware-Ausstattung aus dem HRZ-Jahresbericht 1982–1985)

  • Ereignisse außerhalb

    Am 12.1.1984 wird der Verein zur Förderung eines Deutschen Forschungsnetzes e.V. (DFN-Verein) gegründet. Man legt sich auf OSI-Protokolle sowie die Nutzung des Paketnetzwerks DATEX-P der Deutschen Bundespost fest.

    EARN – European Academic and Research Network, das europäische Pendant zum BITNET in den USA – war im Juli 1983 gestartet worden. In Deutschland beginnt der Betrieb des Netzes mit 24 teilnehmenden Institutionen im Januar 1984.

    Am FB Physik geht im Juni 1984 der Experimentierrechner DEC VAX 11/750 unter VAX/VMS in Betrieb (zweite Ausbaustufe Anfang 1986; Betrieb bis 1990; Systemkonfiguration).

    Ab 25.6.1984 ermöglicht das Computer-Investitions-Programm (CIP) die Beschaffung von Mikrocomputern für die Lehre im Rahmen des HBFG (Schreiben des Ministeriums). Die Anerkennung als Großgerät gemäß HBFG erfordert, dass Pools vernetzter Mikrocomputer einschließlich (z.B. Print- oder File-)Servern möglichst mit Anbindung an das Hochschulnetz eingerichtet werden (vgl. Mindestanforderungen der DFG).

    Von den 21 Marburger Fachbereichen sind bis zur Stilllegung des TR440 nur drei ohne Berührung mit der Datenverarbeitung geblieben (vgl. Nutzung des TR440 durch Fachbereiche 1975–1984). Wie beim TR4 (vgl. 1975) sind die Nutzungsanteile sehr unterschiedlich (vgl. Statistik zur Nutzerverteilung).

    Bei den Terminalstationen in den Fachbereichen und Einrichtungen der Universität Marburg gibt es ab Sommer 1984 eine deutliche Verbesserung: Dort sind nun 113 Sichtgeräte und PCs, 33 Drucker und 9 Plotter an die verschiedenen Terminalnetze des HRZ angeschlossen.

    Ab 4.7.1984 ist das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst (HMWK), ausgegründet aus dem Hessischen Kultusministerium (HKM), für die Universitäten zuständig.

    Im August 1984 hat W. Zorn von der Universität Karlsruhe den ersten E-Mail-Verkehr mit den USA (via CSNET).

    Während der IBM PC/XT im März 1983 gegenüber dem PC von 1981 nur eine Festplatte von 10 MB als Verbesserung gebracht hat, verfügt der IBM PC/AT ab August 1984 über die 16-Bit-CPU Intel 80286 und entwickelt sich zum Industrie-Standard (Grafik zur Entwicklung der PC-Hardware). Betriebssysteme sind MS-DOS 2.0 bzw. MS-DOS 3.0.

    Der seit 1973 bestehende Beirat des Rechenzentrums tagt im September 1984 zum letzten Mal.

    Im Oktober 1984 gibt es mehr als 1.000 Rechner am Internet (einige davon an der Universität Stuttgart; externe Website mit Diagrammen zur Entwicklung der Host-Anzahl).

    Im FB Mathematik der Uni Marburg wird ab WS 1984/85 das Fachgebiet Informatik aufgebaut (zunächst nur als Nebenfach). Anfang 1985 wird die Medizinische Informatik eingerichtet, die Wirtschaftsinformatik befindet sich in der Planung.

1985

Ab Januar 1985 wird eine IBM 4361 als Zentralrechner unter VM/SP für die allgemeine Nutzung betrieben (bis 1987); nach Stilllegung des TR440 heißen die beiden Zentralrechner nun Sperry 1100/60 und IBM 4361.

PCs für die Lehre kommen auf: Dem HRZ wird ein Übungsraum mit 267 qm zugewiesen, in dem 40 PCs von HRZ und Informatik (vgl. "Ereignisse außerhalb") betrieben werden. Der Betrieb solcher PCs entwickelt sich für das HRZ zu einer Daueraufgabe (vgl. 1988), einschließlich Folgen wie PC-Wartung und Software-Pflege in PC-Sälen der Fachbereiche (vgl. 1997).

Jeder der vier neuen Rechner des HRZ hat sein eigenes Terminalnetz, lediglich die beiden VAX-Maschinen sind zusätzlich über DECnet gekoppelt. Weil Dateitransfers zwischen den Rechnern und Dialog von jedem Terminal auf jeden der Rechner a priori nicht möglich sind, wird der Einstieg in die rechnerübergreifende Vernetzung notwendig: Durch Kopplung der Rechner (und viel Eigenentwicklung; dazu ein Auszug aus dem Jahresbericht) wird ein einheitlicher Dateitransfer von jedem der Rechner zu jedem anderen ermöglicht (Vernetzungsdiagramm).
Darüber hinaus ist Dialogbetrieb von Sperry-Terminals auf der IBM 4361 möglich (indem der DFÜ-Rechner DCP/40 die Steuereinheit eines Terminals vom Typ IBM 3270 emuliert).

(Vorwort zum HRZ-Jahresbericht 1982–1985)

  • Ereignisse außerhalb

    Das HRZ Gießen führt eine hessenweite CIP-Maßnahme zur Beschaffung von PCs für die Lehre durch (1. CIP-Phase); für die Uni Marburg werden zwei Pools beschafft (Auszug aus dem Jahresbericht):

    Im HRZ wird im August 1985 ein Pool mit 8 IBM PC/AT unter MS-DOS 3.1 eingerichtet, der von allen Fachbereichen genutzt werden kann. Die Vernetzung basiert auf dem IBM-PC-Netzwerkprogramm.
    Für den FB Mathematik mit Fachgebiet Informatk wird im Dezember 1985 ein Pool mit Geräten von Siemens eingerichtet: neun PC-X unter MS-DOS 2.11, ein PC-MX2 unter SINIX und ein PC-2000 unter BS2000. Weil die PC-X nicht das Umschalten zwischen SINIX und DOS erlauben, werden sie im Mai 1986 durch PC-D ersetzt.
    Darüber hinaus können für den Aufbau der Informatik weitere 25 PC-D via HBFG beschafft und eingesetzt werden.

    Im Rahmen des HBFG (1. Runde) werden (mangels WAP) 42 Arbeitsplatzrechner für die Hochschulregionen Gießen und Marburg beschafft, durchgeführt ebenfalls vom HRZ Gießen. Die Geräte – insbesondere IBM PC/AT und Olivetti M24 – gelten als „Peripheriegeräte der Zentralrechner“ im Rahmen des HBFG. Die Fachbereiche bzw. Arbeitsgruppen müssen die erforderlichen Landesmittel (d.h. 50 %) selbst bereitstellen.

    Das vom HRZ Gießen ursprünglich für alle hessischen Hochschulen geplante Rechnervermittlungsnetz DEVELnet der Fa. Develcon wird nur für die Hochschulregionen Gießen und Marburg realisiert.

    IBM führt 1985 die LAN-Technologie Token Ring ein.

1986

Am 11.3.1986 werden die Aufgaben und Abteilungen für eine neue HRZ-Abteilungsstruktur festgelegt (Dokument).

Betreuung und Nutzung der unterschiedlichen Rechner sind mit enormem Aufwand verbunden. Von Vorteil ist allerdings, dass für die Nutzer sehr viel Software angeboten werden kann (Auszug aus dem Jahresbericht).

Schwerpunkt des Jahres 1986 ist die Vernetzung (Diagramm); die Skizzen zeigen, wie aufwendig anfangs die Bereitstellung von Netzfunktionalität, ihre Dokumentation und Nutzung waren:

Die IBM 4361 (Knotenname DHRZMR11) wird im April 1986 über eine 2,4-KBit/s-Standleitung zur GSI in Darmstadt an EARN angeschlossen (Einsatz bis August 1993; Bericht in der Universitätszeitung). Für die Nutzung von E-Mail (bezeichnet als Notes), Dateitransfer (via NJE) etc. muss man Benutzer der IBM 4361 sein.

Rechner-Anschlüsse am DEVELnet
Bild: HRZ
DEVELnet-Anschlüsse 1986

Im Herbst 1986 gehen zwei Knoten des Rechnervermittlungsnetzes DEVELnet (Konfiguration) in Betrieb (bis Ende 1996). Dies dient dem Anschluss von Endgeräten (ASCII-Terminals, Mikrocomputer, Drucker, ...) und Rechnern (der HRZ Gießen und Marburg): Das Netz verbindet wahlweise jedes Endgerät mit einem der Rechner (Leitungsvermittlung), z.B. für den Dialog von einem Terminal auf diesem Rechner oder den Dateitransfer zwischen einem Mikrocomputer und diesem Rechner.

Als Dateitransfer-Software inkl. Terminalemulation kommt dabei meist KERMIT zum Einsatz (Handbuchseiten).

Für den Modem-Zugang über das Telefonnetz gibt es Wählanschlüsse am DEVELnet.

Das DEVELnet ermöglicht den Zugang zum Paketnetz DATEX-P der Bundespost (über einen PAD, ab 1987).

Die Ausbildung wird intensiviert: Workshops werden angeboten, an der Weiterbildung der Universitätsbediensteten wird teilgenommen, Lehrveranstaltungen im Auftrag der Fachbereiche werden wahrgenommen, Praktikanten ausgebildet etc. (Auszug aus dem Jahresbericht).

(Vorwort zum HRZ-Jahresbericht 1986)

  • Ereignisse außerhalb

    Im Februar 1986 wird in RFC 977 das Network News Transfer Protocol (NNTP) auf der Basis von TCP/IP für die Verbreitung von News-Artikeln sowie das Lesen und Posten einzelner Artikel spezifiziert.

    Am 11.2.1986 kündigt IBM die Untermodellgruppen 11, 12, 13 und 14 des Modells 4381 an (Seite im „IBM Archive“).

    Im Mai 1986 sind am EARN insgesamt 367 Rechner aus 16 europäischen Ländern und Israel angeschlossen, darunter 132 Rechner in Deutschland (Karten).

    Zwecks Umstrukturierung des HRZ setzt der Präsident der Uni Marburg am 18.2.1986 eine Geschäftsordnung in Kraft. Sie bleibt bis mindestens Ende 2006 gültig.
    Der Beirat des Präsidenten für Datenverarbeitung (Geschäftsordnung von 1987) tagt erstmals am 26.5.1986; es folgen Sitzungen bei Bedarf (bis 1990).
    Das HMWK genehmigt die beantragte Abteilungsstruktur per Erlass vom 28.7.1986.
    Die erste Nutzerkonferenz gemäß Geschäftsordnung findet am 5.11.1986 statt, ab dann mindestens einmal pro Semester (bis 1993).

    Die wahrscheinlich erste Registrierung einer Domain unter der Top Level Domain „de“ geschieht am 5.11.1986 durch die Universität Dortmund.

    Ab 1986 existiert mit dem NSFNET ein USA-weiter Backbone auf Basis der TCP/IP-Protokoll-Suite, getragen von der National Science Foundation (NSF) im Zusammenhang mit fünf von ihr 1985 finanzierten Supercomputer-Zentren (Seite der NSF zum NSFNET). Die Nutzung ist nicht auf den Supercomputer-Zugang beschränkt, regionale akademische Netzwerke können angeschlossen werden. Diese Maßnahme ist für die Verbreitung des Internet entscheidend; der Backbone wird laufend erweitert, die Übertragungsrate von anfangs 56 KBit/s auf 1,5 MBit/s im Jahre 1988 und 45 MBit/s 1991 gesteigert.

1987

Ab 1.1.1987 greift eine neue Abteilungsstruktur gemäß der Aufgaben und Abteilungen von 1986. Ein Direktorium und ein Geschäftsführender Direktor gemäß HHG § 28 (4) werden etabliert.

IBM 4381
Bild: HRZ
IBM 4381

Im Juni 1987 migrieren die Aufgaben der IBM 4361 zur IBM 4381-P13 (Betrieb bis 1993; Systemkonfiguration); dies steigert die CPU-Leistung und den Arbeitsspeicher auf das Vierfache, den Plattenspeicher (Bild) auf das Fünffache. Zusätzliche DFV-Steuereinheiten für den Anschluss von IBM- bzw. ASCII-Terminals (IBM 3720 bzw. IBM 7171) werden installiert. Ein Teil der Peripherie, insbesondere die Terminals von Memorex, wird weiter betrieben, ebenso eines der Magnetbandgeräte (Bild). Dies ist der erste Wechsel eines Zentralrechners unter Beibehaltung von Betriebssystem (VM/SP) und Benutzeroberfläche; auch die EARN-Anbindung bleibt erhalten. Die Nutzung der IBM 4361/4381 steigt an, die der Sperry 1100/60 geht zurück.

Präzisionszeichenanlage Aristomat 401 (1987)
Bild: HRZ
Präzisionszeichenanlage Aristomat 401

Der Plotterbetrieb migriert im September 1987 von der Zeichenanlage GEAGRAPH/ARISTOMAT aus 1973 zur Präzisions-Zeichenanlage ARISTOMAT 401 (Betrieb bis 1995; Konfiguration). Hauptnutzer ist weiterhin das Forschungsinstitut für deutsche Sprache „Deutscher Sprachatlas“; die neue Zeichenanlage verfügt u.a. über eine Lichtzeicheneinrichtung, mit der präzisere Druckvorlagen für Sprachkarten erzeugt werden können. Sie ist an den Grafikrechner angeschlossen und von allen neuen Rechnern per Dateitransfer erreichbar (alternativ via Magnetband); Programmschnittstelle ist die Grafik-Grundsoftware in Fortran (GGF).

Schrittweise kehrt sich das HRZ vom Rechnerbetrieb mit Operateuren ab. Diese werden für neue Aufgaben eingesetzt und die freiwerdenden Stellen in Stellen für wissenschaftliches Personal umgewandelt. Die Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere über die Universitätszeitung, nimmt zu.

Ende 1987 gibt es erstmals mehr als tausend Benutzer (Statistik 1963–2007). Im Jahresbericht 1987 wird die Zahl der verantwortlichen Betreuer mit 316, die der Benutzer mit 1.183 angegeben.

(Vorwort zum HRZ-Jahresbericht 1987)

  • Ereignisse außerhalb

    Die Einrichtung erster Ethernet-LANs bedeutet für das HRZ den Einstieg in die Verlegung von Datenkabeln. Den Anfang macht ein 500 Meter langes (Thickwire-)Kabel vom HRZ vorbei an den FBen Mathematik und Physikalische Chemie bis in den FB Chemie; weitere Verkabelungen (Thinwire, maximal 180 Meter lang) erfolgen in den FBen Physik, Pharmazie und Medizin. Genutzt werden die damit eingerichteten Ethernet-LANs zunächst vorrangig für DECnet (Konfiguration); dabei sind noch nicht die lokalen Netze, sondern die angeschlossenen Rechner über DFÜ-Leitungen (also Telefonkabel) verbunden.

    Im April 1987 kündigt IBM seine PS/2-Serie zur Ablösung des PC/XT/AT an, zunächst vier Modelle, denen später viele weitere folgen. Es gibt Modelle mit den Intel-CPUs 80286, 80386SX und schließlich 80386 (Diagramm zur Entwicklung der PC-Hardware). Betriebssystem ist MS-DOS 3.3; etwas später wird die Eigenentwicklung OS/2 verfügbar und ab Intel 80386 auch die Unix-Variante AIX PS/2. Die Serie bringt eine Reihe von Neuheiten (z.B. VGA, XGA und 3,5-Zoll-Diskettenlaufwerk), weil aber Komponenten (insbesondere die Micro Channel Architecture für Datenbus und Erweiterungskarten) für den Nachbau mit hohen Lizenzen belegt sind, bleibt der Erfolg am Markt aus.

    Am 19.5.1987 werden die Untermodellgruppen 21, 22, 23 und 24 der IBM 4381 angekündigt (Seite im „IBM Archive“).

    Ab 28.10.1987 treten die Novellen von HHG und HUG von 1978 in Kraft (HHG § 28 und HUG §§ 18–19 bleiben unverändert).

    Mehr als 1.000 Rechner sind mit dem BITNET verbunden, mehr als 10.000 mit dem Internet (Diagramme).

1988

„Dumme Terminals“, die nur eine Verbindung zu einem zentralen Großrechner oder Minicomputer herstellen, sind mittlerweile „out“, PCs und Workstations sind „in“. Einfache Aufgaben wie Text- oder Programmerfassung sowie grafische Darstellungen können bequemer mit einem Mikrocomputer am Arbeitsplatz erledigt werden. Noch sind PCs und Workstations teuer, aber nicht teuer genug, um einzeln über das HBFG beschafft werden zu können. Zwar gibt es seit 1984 das CIP, auf das WAP muss aber noch bis 1990 gewartet werden. Bis dahin müssen PCs/Workstations für den Arbeitsplatz – wenn überhaupt – als „intelligente Terminals“ der Großrechner beschafft werden. Die CIP-Maßnahme zu PCs für die Lehre in 1985 hatte nur einen kleinen Vorgeschmack gebracht. Die zweite CIP-Maßnahme ermöglicht die Einrichtung von fünf neuen PC-Sälen mit insgesamt 112 PCs und acht Servern.
Im Rahmen einer zweiten HBFG-Maßnahme (vgl. 1985) zur Erweiterung des IBM-Rechners werden insgesamt 135 Arbeitsplatzrechner beschafft. Der notwendige Großrechneranschluss erfolgt vorrangig über das DEVELnet, zum Teil aber auch über die DFV-Steuereinheiten der IBM 4381.
Die IBM 4381-P13 wird Anfang Mai 1988 zur IBM 4381-R23 hochgerüstet (Systemkonfiguration); dies steigert die CPU-Leistung und verdoppelt den Arbeitsspeicher.

Zum Sommersemester 1988 wird der PC-Saal des HRZ im Savigny-Haus im Stadtgebiet eingerichtet (Betrieb bis 2006): 36 Systeme IBM PS/2 unter DOS 3.3, vernetzt via Token Ring inkl. Host-Zugang zur IBM 4381 (Konfiguration). Der PC-Saal kann von allen Fachbereichen und Studierenden der Universität genutzt werden, Öffnungszeiten im Semester sind von 8 bis 21 Uhr; für die Betreuung des PC-Saals wird ein ehemaliger Operateur eingesetzt. PC-Säle waren damals etwas Neues, zur Einrichtung der PC-Säle des HRZ und des FB Rechtswissenschaften (im gleichen Haus) gibt es eine kleine Einweihungsfeier (Pressebericht).

Erste TokenRing-LANs auf der Basis von IBM-Kabel Typ 1 werden zur Vernetzung der PCs im HRZ-PC-Saal sowie der Arbeitsplatzrechner im HRZ eingerichtet; der Host-Zugang zur IBM 4381 (inkl. File- und Device-Sharing) erfolgt über einen Gateway-PC. Token Ring wird vom HRZ nur bis 1991 unterstützt.

PC-Werkstatt des HRZ (ab 1988)
Bild: HRZ
PC-Werkstatt

Eine PC-Werkstatt wird eingerichtet (Bericht der Universitätszeitung). Sie unterstützt den PC-Betrieb in den Fachbereichen (nicht alle verfügen über eine Elektronik-Werkstatt) und fachbereichsfreien Einrichtungen. Für Reparaturen an Arbeitsplatzrechnern werden nur die Materialkosten in Rechnung gestellt; Wartung und Reparatur aller PC-Saal-Rechner erfolgen zulasten des HRZ.

(Vorwort zum HRZ-Jahresbericht 1988)

1989

Am 30.10.1989 wird die Sperry 1100/60 aus 1983/84 stillgelegt. In 52.093 Stunden Betriebszeit hatte sie 129.116 Batchjobs und 473.572 Dialogjobs mit insgesamt 53.552 CPU-Stunden bearbeitet (Betriebsstatistik). Wie beim TR440 gab es auch hier eine kleine Abschiedsfeier der HRZ-Mitarbeiter und eine humoristische Trauerrede.

Hochleistungsrechner Convex C230 (1989)
Bild: HRZ
Convex C230

Am 20.12.1989 geht der Vektorrechner CONVEX C230 unter ConvexOS in Betrieb (bis 1995; Systemkonfiguration), bezeichnet als Mini-Supercomputer. Die CONVEX verfügt über drei Prozessoren mit je einer Skalareinheit (38,7 MIPS), einer Vektoreinheit (50 MFlop/s Spitze bei 64-Bit-Arithmetik) und 256 MB Arbeitsspeicher, d.h. insgesamt über 150 MFlop/s Spitzenleistung und 768 MB Arbeitsspeicher. Hauptanwender ist das neu eingerichtete Fachgebiet Computational Chemistry (vgl. "Ereignisse außerhalb"). Die CONVEX ist der erste Vektorrechner an einer hessischen Universität. Weitere Vektorrechner gehen ab 1991 im Verbund Hessischer Hoch- und Höchstleitungsrechner in Betrieb. Der Einsatz der CONVEX bedeutet eine ganze Reihe von Neuerungen:

  • Einstieg in das lokale Hochleistungsrechnen (High Performance Computing, HPC)
  • Einsatz von Unix; ConvexOS ist eine Berkeley-Unix-Variante.
  • Einstieg in die TCP/IP-Protokollwelt des Internet
  • Einholung der Internet Class-B-Adresse 137.248.x.x (damals noch in Palo Alto, Kalifornien) für die Universität, mit der über 65.000 Rechner verwaltet werden können
  • Anmietung einer Glasfaserverbindung zwischen dem FB Physik im Stadtgebiet und dem HRZ auf den Lahnbergen (ab 1990; Pressemitteilung)

Nach Stilllegung der Sperry 1100/60 ist wieder Platz im Rechnerraum (Bild).

(Vorwort zum HRZ-Jahresbericht 1989)

  • Ereignisse außerhalb

    Manfred Reetz vom FB Chemie erhält den Leibniz-Preis. Der Fachbereich beteiligt sich mit Landesmitteln an der CONVEX-Beschaffung im Rahmen des HBFG. Hauptanwendung der Chemiker ist GAUSSIAN. Das Fachgebiet Computational Chemistry wird eingerichtet. Weitere CONVEX-Nutzer, die ihre Anwendungen z.T. selbst entwickeln, stammen aus den FBen Physik und Physikalische Chemie.

    Um die Lieferung eines Mini-Supercomputers an die Uni Marburg konkurrieren im Frühjahr 1989 die Firmen CONVEX, DEC, IBM und Multiflow (vertrieben durch GEI Rechnersysteme).

    Am 12.4.1989 kündigt Sun Microsystems die SPARCstation 1 unter der Unix-Variante SunOS an (Wikipedia-Artikel). SPARC steht für die Scalable Processor ARChitecture, die von Sun bereits 1986 veröffentlicht worden war und von Lizenzpartnern zum Bau von Prozessoren genutzt werden kann. Es handelt sich um eine RISC-Architektur (vgl. 1990), die ersten Sun-Workstations mit SPARC-Prozessoren hatte es schon seit 1987 gegeben.

    Der Einsatz von Workstations – insbesondere von Silicon Grafics und DEC – verbreitet sich in den naturwissenschaftlichen Fachbereichen. Im Zusammenhang mit der CONVEX C230 und DEC VAX 6000-420 können 23 Workstations via HBFG beschafft werden.

    Die Berliner Mauer fällt, was den „Shakeout“ im Supercomputer-Markt entscheidend beeinflussen wird.

    Die letzten Rechner am ARPANET (seit 1969) werden an regionale Netze des NSFNET angeschlossen, die Netzwerk-Knoten stillgelegt. Ende 1989 gibt es kein ARPANET mehr.

1990

DEC VAX 6000-420 (1990)
Bild: HRZ
DEC VAX 6000-420

Die Aufgaben des Grafikrechners DEC VAX 11/750 migrieren am 1.3.1990 zum Zentralrechner DEC VAX 6000-420 unter Beibehaltung des Betriebssystems VAX/VMS (Betrieb bis 1995; Systemkonfiguration). Die beiden Zentralrechner sind nun die IBM 4381-R23 und die VAX 6000-420. Letztere hat zwei skalare Prozessoren (à ca. 6,8 MIPS) und einen Vektorprozessor (mit 45 MFLOP/s Peak Performance bei 64 Bit-Arithmetik). Es war das Misstrauen einiger Benutzer gegenüber CONVEX und dem Betriebssystem Unix, das zu dieser Ausstattung geführt hatte; aus Sicht des HRZ hätte die VAX schwächer ausfallen und dafür mehr in die CONVEX investiert werden sollen.

Die drei Rechner von DEC, CONVEX und IBM kommen mit unterschiedlicher Netz-Software daher, so dass bei der Vernetzung unter anderem folgende Anpassungen erforderlich werden:

  • Die CONVEX und die IBM werden (anlog zur DEC VAX) DECnet-fähig gemacht (DECnet ist seit 1984 in der Universität etabliert und genießt großes Vertrauen).
  • Die DEC VAX und die IBM werden (analog zur CONVEX) TCP/IP-fähig gemacht (letztere erst in 1991); es dauert noch, bis sich diese Netz-Software als einzige und überall durchgesetzt hat. IBMs Netz-Software ist komplex und gilt nicht gerade als portabel bzw. als interoperabel.
  • Auf allen drei Rechnern wird KERMIT bereitgestellt, so dass von PCs am DEVELnet mittels KERMIT auf sie zugegriffen werden kann.
  • Darüber hinaus ist von PCs am DEVELnet mittels TELNET Dialog auf allen drei Rechnern (genauer: auf TCP/IP-Hosts) möglich, ein TCP/IP-Gateway zwischen dem DEVELnet und dem Ethernet-LAN im HRZ macht's möglich.
  • Der EARN-Zugang erfolgt weiterhin über die IBM-Maschine.
  • Der Anschluss des DEVELnet an DATEX-P (vgl. 1986) wird am 26.2.1990 durch einen Anschluss an das Wissenschaftsnetz (WiN) des DFN-Vereins mit einer Übertragungsrate von 9,6 KBit/s abgelöst. Damit wird (X.29-)Dialog auf Rechnern am WiN möglich, auch Dialog auf DATEX-P-Rechnern bleibt weiterhin möglich.

Ab März 1990 werden (Multi-Mode-)Glasfaserkabel auf dem Universitätsgelände verlegt (Vernetzungsdiagramm). Zwischen dem FB Physik im Stadtgebiet und dem HRZ im Universitäts-Neubaugebiet wird ab 1.8.1990 eine (Single-Mode-)Glasfaserverbindung der Bundespost angemietet (6 km lang, Luftlinie 3 km; Pressebericht).

Erste Version des hochschulweiten Datennetzes ist das Extended Ethernet LAN (Planungsdokument). Lokale Netze auf der Basis von Ethernet waren seit 1987 entstanden; durch ihre Verbindung entsteht das Extended Ethernet LAN (so bezeichnet, weil es mehr als einen lokalen Bereich abdeckt):

  • Für die Einrichtung von LANs orientiert sich das HRZ grundsätzlich an der Struktur der Universität, d.h. an Fachbereichen, Einrichtungen etc. und nicht an Gebäuden.
  • Aus Kostengründen werden standardmäßig Thinwire-Kabel verlegt (maximal 180 m lang), an die mehrere Rechner (über T-Stücke) angeschlossen werden können; für ihre Kopplung zu einem LAN werden Sternkoppler (von Hirschmann) eingesetzt.
  • Die Verbindung der LANs mit dem Extended Ethernet LAN erfolgt unter Einsatz von Bridges (Hersteller Conware); letztere sorgen für eine Anpassung der unterschiedlichen Übertragungsraten sowie eine Lastentkopplung zwischen lokalem und entferntem Datenverkehr.
  • Alle LANs (Übertragungsrate 10 MBit/s) werden sternförmig mit dem LAN im HRZ verbunden, an das die zentralen Rechner (inkl. EARN-Zugang) und der Router zum WiN (ab 1991) angeschlossen sind; es gibt somit keinen expliziten Backbone, das LAN im HRZ übernimmt zugleich diese Funktion.
  • Für Fernverbindungen zwischen Gebäuden können erstmals Glasfaserkabel (mit Übertragungsraten von 10 MBit/s) genutzt werden; meistens müssen sie aber noch über Telefonkabel geschaltet werden (64 KBit/s bzw. 2 MBit/s).
  • Das Extended Ethernet LAN wird kontinuierlich ausgebaut: Ende 1990 umfasst es LANs in fünf Fachbereichen und dem HRZ, Ende 1991 in acht Fachbereichen sowie zwei Einrichtungen und im September 1994 in 16 (von damals 21) Fachbereichen sowie sechs Einrichtungen (Dokumentation von 1993).
  • Ethernet-LANs entwickeln sich zum Standard-Anschluss von PCs und Workstations und lösen damit das DEVELnet und die Terminalnetze ab. Ende 1990 waren an das Extended Ethernet LAN 73 PCs und Workstations angeschlossen, Ende 1991 bereits 359 und Ende 1993 über 1.000.
  • Das Extended Ethernet LAN wird bis zu seiner Ablösung durch einen Backbone 1995 betrieben.

Der DFG-Empfehlung Rechnernetze in Hochschulen (von 1989) folgend beantragt das HRZ eine Baumaßnahme zum Aufbau eines Hochschuldatennetzes, die eine flächendeckende Vernetzung aller Fachbereiche und fachbereichsfreien Einrichtungen sowie die Installation eines Backbones zur Verbindung aller LANs (z.B. auf der Basis von FDDI) ermöglichen soll. Bis zu deren Bewilligung (Ende 1993) werden Verkabelungen aus laufenden Mitteln des HRZ finanziert und Netzkomponenten (Sternkoppler, Bridges, etc.) im Rahmen von HBFG-Maßnahmen beschafft.

(Vorwort zum HRZ-Jahresbericht 1990)

  • Ereignisse außerhalb

    Mit dem X.25-WiN des DFN-Vereins hat dieser ab Januar 1990 sein erstes eigenständiges Netz, später auch als Schmalband-WiN (S-WiN) bezeichnet. Vermittlungstechnik ist X.25 (wie bei DATEX-P), Geschwindigkeiten sind 64 KBit/s bzw. 2 MBit/s im Kernnetz, die Zugänge rangieren zwischen 2,4 KBit/s und 2 MBit/s.

    Im Februar 1990 führt IBM die Workstations und Server der Serie RS/6000 unter IBMs Unix-Variante AIX ein (Seite im „IBM Archive“). RS steht für RISC System, RISC für Reduced Instruction Set Computer, d.h. für Computer mit vereinfachtem Befehlssatz, dessen Befehle effizient verarbeitet werden können (bis heute ein einflussreicher Trend). Die Prozessoren gehören zur POWER-Architektur (IBM-Dokumentation), die POWER1-CPUs des Jahres 1990 werden u.a. in Servern IBM RS/6000-580 und dem Parallelrechner IBM/SP, die POWER2-CPUs des Jahres 1993 z.B. in Servern IBM RS/6000-590 und der IBM/SP2 verwendet (Diagramm).

    In Chemnitz wird das Unternehmen MEGWARE gegründet, das sich auf Cluster-Lösungen spezialisiert.

    Am 22.5.1990 führt Microsoft Windows 3.0 am Markt ein.

    Ab 28.6.1990 läuft ein Wissenschaftler-Arbeitsplatzrechner-Programm (WAP) im Rahmen des HBFG (Beschluss und Kriterien). Die Anerkennung als Großgerät gemäß HBFG erfordert (analog zum CIP), dass Cluster vernetzter Arbeitsplatzrechner einschließlich (z.B. Print-, File-)Server mit Anbindung an das Hochschulnetz eingerichtet werden.

    Der „Beirat des Präsidenten für Datenverarbeitung“ wird im Juni 1990 in den Beirat des Präsidenten für Informationstechnologie umgewandelt (Geschäftsordnung; Sitzungen finden bis Ende 1994 statt).

    RFC 1166 vom Juli 1990 beschreibt unter dem Titel INTERNET NUMBERS die Struktur von Internet-Adressen und listet die vergebenen Adressen auf, darunter 137.248.rrr.rrr für UNI-MARBURG mit Kontaktperson Heinz Hahn (vgl. S. 43 und S. 138).

    An BITNET/EARN/NETNORTH sind am 2.8.1990 insgesamt 2.987 Rechner, verteilt über 1054 Einrichtungen, angeschlossen (Topologie); weitere 45 Einrichtungen warten auf Anschluss (die Philipps-Universität Marburg läuft unter der Bezeichnung „PhlpsUni“).

    Am FB Physik migriert der Betrieb vom Experimentrechner DEC VAX 11/750 auf den Bereichsrechner DEC MicroVAX 3800 (ein Dual-Host-System; Beschreibung).

    Die stillgelegten Rechner des Typs DEC VAX 11/750 (von HRZ und FB Physik) werden in Rostock bzw. Jena weiterbetrieben.

    Die beiden Bauanträge zum Ersatz der Telefonanlage bzw. zum Aufbau eines Hochschuldatennetzes werden von der Universität in dieser Reihenfolge als Paket auf den Weg gebracht. Die Bewilligung der Datennetz-Maßnahme verzögert sich dadurch erheblich (bis Ende 1993): Zum einen fällt sie im Kontext der Telefonanlage unter ein verschärftes Mitbestimmungsverfahren, zum anderen folgt anschließend ein Haushaltsjahr, in dem neue Baumaßnahmen nur in den neuen Bundesländern begonnen werden.

1991

1990–1992 führt das HRZ umfangreiche Beschaffungen von PCs und Workstations via HBFG für die gesamte Universität durch (eigenständige CIP/WAP-Anträge der Fachbereiche kommen erst ab 1992 zustande):

  • PCs für die Lehre (insgesamt 135 PCs und fünf Server) werden im Rahmen der dritten CIP-Maßnahme (nach 1985 und 1988) vom HRZ für die gesamte Universität zur Ablösung veralteter Geräte sowie zur Einrichtung vier neuer PC-Säle beschafft.
  • Arbeitsplatzrechner (insgesamt 419) werden als „intelligente Terminals“ der DEC VAX 6000-420 vom HRZ im Rahmen einer dritten HBFG-Maßnahme (nach 1985 und 1987) für die Versorgung der gesamten Universität beschafft. In diesem Kontext können auch die notwendigen Netzkomponenten für den kontinuierlichen Ausbau des Extended Ethernet LAN beschafft werden.

NOVELL NetWare 3.11 wird als LAN-Software der PCs im HRZ unter DOS (ab Version 3.3) eingesetzt, insb. für die Funktionen File Service (Bereitstellung von Anwender-Software und Plattenspeicherplatz) sowie Print Service (gemeinsame Nutzung von Druckern).

Im Sommer 1991 geschieht der Ausstieg aus der Token-Ring-Technologie: Der von IBM entwickelten Technik werden keine großen Zukunftsaussichten eingeräumt. Da die Unterstützung beider LAN-Technologien – Ethernet und TokenRing – vom HRZ mangels Personal nicht zu leisten ist, setzt es sich erfolgreich für den Ausstieg ein.

Die Bezeichnung UMRnet für das Hochschuldatennetz der Universität Marburg (d.h. für alles: Extended Ethernet LAN, DEVELnet, Terminalnetze etc.) wird eingeführt.

Ab 18.9.1991 hat der WiN/Internet-Anschluss (Auszug aus dem Jahresbericht mit Diagramm) eine Übertragungsrate von 64 KBit/s und löst damit den 9,6-KBit/s-Anschluss von 1990 ab. Im Rahmen der Betriebseinführung der DFN-Dienste – X.29-Dialog, X.400-Mail und FTAM-Dateitransfer – kann ein Router (Cisco-AGS+) beschafft werden, über den das Extended Ethernet LAN an das X.25-WiN angeschlossen und damit in das Internet integriert wird. Dies bedeutet:

  • Alle bisher nur uni-intern genutzten TCP/IP-Dienste – TELNET-Dialog, SMTP-Mail, FTP-Dateitransfer, etc. – können nun weltweit im Internet genutzt werden.
  • Die Einrichtung von LANs für Fachbereiche, Einrichtungen etc. ermöglicht eine systematische Vergabe von Internet-Namen und -Adressen.
  • Der erste Nameserver wird auf der CONVEX betrieben, der Secondary Nameserver außerhalb der Universität (im Rechenzentrum der Universität Dortmund).
  • Die Software zu den DFN-Diensten wird für die DEC VAX 6000-420 beschafft und dort installiert; das HRZ befasst sich intensiv damit und testet insbesondere die Interoperabilität zwischen FTAM von DEC und Implementierungen anderer Hersteller. X.29-Dialog und X.400-Mail können mit den entsprechenden TCP/IP-Anwendungen nicht konkurrieren; FTAM-Dateitransfer kann wegen anhaltender Probleme nie freigegeben werden.
  • Der Anschluss des PAD (vgl. 1990) erfolgt jetzt über den Router, so dass Terminals und PCs am DEVELnet weiterhin auf Hosts am X.25-WiN bzw. öffentlichen DATEX-P zugreifen können.
  • Der EARN-Anschluss der IBM 4381 (seit 1986 mit 2,4 KBit/s) kann nach anfänglichen Problemen ab 1992 ebenfalls über den WiN-Router erfolgen.

(Vorwort zum HRZ-Jahresbericht 1991)

  • Ereignisse außerhalb

    Im Frühjahr 1991 wird Gopher an der University of Minnesota freigegeben.
    Im Sommer 1991 gibt das CERN das WWW frei: Tim Berners-Lee veröffentlicht eine Kurzfassung zum Projekt World Wide Web via Newsgroup am 6.8.1991.
    An der University of Helsinki gibt Linus Torvalds im September 1991 Linux frei.

    Im FB Geografie wird ein neuer PC-Saal eingerichtet, in den Fachbereichen Wirtschaftswissenschaften und Mathematik ist es jeweils der zweite (Aufstellung). Für die Geisteswissenschaften war ein großer PC-Saal mit ca. 50 PCs geplant, der aber wegen Raummangel nicht zustande kommt (die Zeit für ein derartiges Raumopfer ist noch nicht reif), es reicht nur zu einem PC-„Räumchen“. Die Landesmittel für die Beschaffungen müssen diesmal größtenteils von den Fachbereichen bereitgestellt werden.
    An der Arbeitsplatzrechner-Beschaffung des HRZ sind bis auf eine Ausnahme alle Fachbereiche beteiligt (Aufstellung). Für die Vernetzung der Arbeitsplatzrechner gibt es verschiedene Möglichkeiten (Diagramm).

    Der Ständige Ausschuss für Datenverarbeitung entscheidet (nach heftigem Streit), dass das HRZ nur noch Ethernet und nicht mehr Token Ring zu unterstützen braucht. Lediglich in drei Bereichen wird weiterhin Token Ring eingesetzt. Der endgültige Wechsel zu Ethernet erfolgt im Bildarchiv Foto Marburg 1996, im FB Wirtschaftswissenschaften 2000.

    Im Dezember 1991 stellt die KfR der DFG Empfehlungen zur Ausstattung der Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland mit Datenverarbeitungskapazität für die Jahre 1992 bis 1995 auf.

    Ab Dezember 1991 besteht der Verbund Hessischer Hoch- und Höchstleistungsrechner. Zum Einsatz – außerhalb von Marburg – kommen Vektorrechner der gleichen Systemfamilie von Fujitsu unter der Unix-Variante UXP/M, vertrieben durch Siemens-Nixdorf Informationssysteme (SNI): Der Hessische Höchstleistungsrechner (HHLR) im HRZ Darmstadt ist eine S400/40 (Spitzenleistung 5 GFLOP/s; Betrieb bis 1996).
    Der Lokale Hochleistungsrechner (HLR) im HRZ Frankfurt ist eine S200/10 (1 GFLOP/s; Betrieb bis 1996).
    Rechner im HRZ Gießen bzw. HRZ Kassel folgen in 1992.
    Eine Vereinbarung zwischen den hessischen Universitäten und dem HMWK regelt Betrieb und Benutzung.
    Ein wissenschaftlicher HHLR-Beirat fungiert als Steuerungsgremium (Fortschreibung des Landeskonzepts, Vergabe von Nutzungskontingenten usw.). Konstituierende Sitzung ist am 9.12.1991; in der Regel findet pro Semester eine Sitzung statt.
    Hintergrund ist ein Nachtragshaushalt – eine einmalige Initiative –, aus dem die Landesmittel für die Beschaffungen gemäß HBFG finanziert werden.

    Sprachdatenintegration: Beschaffung und Betrieb von Telefonanlagen erfolgen an hessischen Universitäten durch das jeweilige HRZ; den Einstieg macht die TH Darmstadt in 1991.

    Zwecks Unterstützung des Betriebs dezentraler Rechner werden Server mit NOVELL NetWare (Handbuchseite) in den Fachbereichen vom HRZ bereitgestellt. Eine schriftliche Vereinbarung zwischen Fachbereich und HRZ regelt Installation, Betrieb, Wartung und Nutzung des Servers, an dessen Kosten sich das HRZ beteiligt.

    Ab Wintersemester 1991/1992 wird das Fachgebiet Informatik (seit 1984 im FB Mathematik der Universität Marburg) zum Hauptfach ausgebaut (Bericht der Universitätszeitung).

1992

Ab Dezember 1992 gibt es einen Gopher-Service (bis zum 13.2.1998; Dokumentation). Er erlangt wegen des Aufkommens des WWW (vgl. 1994) nur kurzfristig Bedeutung, wird aber eine gewisse Zeit aufrecht erhalten, weil sich die Migration ins WWW lange hinzieht und Web-Browser auch Gopher-Objekte darstellen können. Gopher-Texte sind ASCII-Texte mit einem einheitlichem Layout, die mit jedem einfachen Terminal oder PC schnell und bequem gelesen werden können.
Für das HRZ ist der Gopher-Service ein Segen, da es endlich sein gesamtes Informationssystem (bestehend seit 1980) – Benutzerhandbuch, Einzelschriften, Mitteilungen, Nachrichten – von der Papierform in ein Online-Angebot umstellen kann (Pressebericht; vgl. Quellen).
Auch Fachbereiche und Einrichtungen können ihre Informations-Angebote auf dem Server bereitstellen; der Höhepunkt der Nutzung ist Anfang 1995 mit neun Angeboten erreicht (Statistik bis 1997). Das HRZ unterstützt darüber hinaus den Betrieb eigener Gopher-Server.
Hardware-Basis ist eine Workstation, gefolgt von einem Server IBM RS/6000.

(Vorwort zum HRZ-Jahresbericht 1992)

  • Ereignisse außerhalb

    Microsofts erste Versionen von Windows ab Ende 1985 hatten den Charakter einer grafischen Benutzerschnittstelle (GUI) für MS-DOS, es ging darum, Apple Konkurrenz zu machen. Auch Windows 3.1, angekündigt im März 1992, basiert noch auf MS-DOS, es bringt jedoch so viele Verbesserungen, dass es verbreitet eingesetzt und damit kommerziell erfolgreich wird, so dass es als Betriebssystem gesehen wird. Nachfolger sind Windows 95 und Windows 98.

    Im Oktober 1992 überschreitet das Internet die Anzahl von einer Million angeschlossener Rechner (Diagramme).

    Lokaler Hochleistungsrechner (HLR) im HRZ Gießen bzw. HRZ Kassel ist ab September 1992 jeweils eine SNI S100/10 (Peak Performance 0,5 GFLOP/s; Betrieb bis 1995).

    Die Zeit globaler CIP/WAP-Anträge des HRZ für die gesamte Universität ist vorbei, ab 1990 müssen die Fachbereiche eigene Änträge stellen. Dabei werden sie vom HRZ unterstützt, von Planung und Antragstellung über Ausschreibungen und Beschaffungen bis zu Inbetriebnahmen und Verwendungsnachweisen. Die ersten WAP-Anträge werden 1992 vom Fachbereich Mathematik gestellt (Statistik über CIP/WAP-Maßnahmen 1990–2006).

1993

Zentrale Server im heutigen Sinne kommen auf (Übersichtsdiagramme bis 1997): Von den Zentralrechnern wird zu Servern unter Unix übergegangen – IBM RS/6000 unter AIX bzw. Sun SPARCstation unter SunOS bzw. Solaris –, und damit allgemein in die Client-Server-Technologie eingestiegen. Die Server werden anfangs für unterschiedliche Dienste eingesetzt (die zuvor meist auf anderen Rechnern residierten); wegen gleichartiger Hardware brauchen sie Unterscheidungsbezeichnungen und werden daher nach bedeutenden Wissenschaftlern der Universität Marburg benannt. Gleichzeitig beginnt der Übergang zu dedizierten Servern, die nach ihren Diensten benannt werden; dabei werden auch Intel-PCs als Server eingesetzt.

  • Server Papin (ab 10.3.1993): IBM RS/6000-580 als Mailer, Gopher-Server und Primary Domain Name Server; darüber hinaus als Server für Anwender-Software wie z.B. für Statistik und Datenbanken.
  • Server Bunsen (ab 1.7.1993): IBM RS/6000-580 als Anonymous-FTP-Server, Reserve-Mailer und Distributions-Server für AIX-Software im UMRnet.
  • Server Wolff (1.3.1994–15.1.1996): IBM RS/6000-590 als Compute Server, insbesondere für den Batch-Betrieb via NQS. Ab März 1996 wird er als Fileserver eingesetzt.
  • Server Wegener (1.3.1994–15.1.1996): IBM RS/6000-590 für dieselben Aufgaben als Compute Server. Ab März 1996 wird er als ADSM Backup-Server eingesetzt.
  • News-Server (ab 29.12.1993): Sun SPARCstation 10-40 als dedizierter Server für News (NNTP).
  • NetWare-Server NWS1: IBM PS/2 95 als File- und Druckerserver für die PCs im HRZ, als Printserver für Unix-Hosts und als Distributionsserver für PC-Software im UMRnet.

Das Software-Angebot umfasst Software für die CONVEX C230, für ein Cluster aus DEC-VAX-Systemen und eines aus IBM-AIX-Systemen sowie für PC-Pools (Auszug aus dem Jahresbericht). Zu Software aus Campus- und Landeslizenzen – beschafft für den dezentralen Einsatz in Forschung und Lehre – werden Referenzinstallationen betrieben und Gopher-Texte mit Anleitungen zur Installation bereitgestellt.

Internet-Dienste:

  • News-Service ab 18.10.1993: Betrieb eines News-Servers zwecks Teilnahme am Austausch (Lesen und Posten) von News-Artikeln der weltweit verteilten Newsgroups (USENET); Verwaltung lokaler Marburger Newsgroups (Dokumentation)
  • Anonymer FTP-Service ab 20.10.1993: Bereitstellung von Public-Domain-Software, Treibern, etc. sowie Spiegelung auswärtiger Anonymous-FTP-Server; Versorgung der Marburger Benutzer und Entlastung der Weitverkehrsnetze (Dokumentation)
  • Archive-Service ab 23.7.1993 zur weltweiten Suche nach freier Software oder anderen Objekten auf anonymen FTP-Servern

Im September 1993 wird die IBM 4381-R23 stillgelegt. Dies bedeutet auch Abschied vom beliebten EARN; einziger verbliebener Zentralrechner ist die DEC VAX 6000/420. Mitte Dezember trifft die Bewilligung einer ersten Rate für die 1990 beantragte Baumaßnahme zum Aufbau des Hochschuldatennetzes ein.

(Vorwort zum HRZ-Jahresbericht 1993)

  • Ereignisse außerhalb

    Am 2.2.1993 kündigt IBM den Parallelrechner SP (Scalable POWERparallel System) auf Basis der POWER-Architektur an (Seite im „IBM Archive“). Jeder Knoten verfügt über eine POWER1-CPU (vgl. 1990).

    Am 10.2.1993 findet die letzte der seit 1986 gemäß Geschäftsordung des HRZ gehaltenen Nutzerkonferenzen statt.

    Am 22.4.1993 wird der Web-Browser Mosaic am NCSA in Urbana-Champaign (Illinois) freigegeben (Seite zur Projektgeschichte). Mosaic, entwickelt von Marc Andreessen and Eric Bina, macht mit seiner grafischen Benutzerschnittstelle das WWW populär und ist Vorläufer von Netscape (ab Dezember 1994).

    Am 9.6.1993 gründet sich in Berlin der ZKI-Verein (Zentren für Kommunikation und Informationsverarbeitung in Lehre und Forschung e.V.), hervorgegengen aus dem ALwR (vgl. 1972).

    Microsoft startet seine NT-Linie (NT wie New Technology). Erstes System ist Windows NT 3.1 ab Juli 1993, zusammen mit Windows NT Advanced Server. Hardware-Plattformen sind Intels 32-Bit-Familie (80386 und höher), DEC Alpha und MIPS R4000. NT 3.1 ist das erste Windows-Betriebssystem, das TCP/IP standardmäßig unterstützt (mit einem von Spider Systems lizenzierten TCP/IP-Stack, der später durch einen eigenen ersetzt wird). In dieser Linie folgen später Windows NT 4.0 (1996), Windows 2000, Windows XP (2001) und Windows Vista (2007).

    Für das Drucken in NetWare-LANs wird vom HRZ eine Lösung entwickelt, die die Abrechnung der Druckkosten mit Magnetkarten ermöglicht: Die Hardware besteht aus Druckern mit Magnetkartensystemen, als Software wird ein vom HRZ entwickelter interaktiver NetWare-Printserver eingesetzt. Damit kann der Anwender seine Druckjobs für die Ausgabe auf einem Drucker mit seiner Magnetkarte auswählen. Die Lösung kommt insbesondere in den PC-Sälen zum Einsatz.

    PC/Workstation-Labor (seit 1992): Mehrere PCs sowie verschiedene Workstations von IBM, Sun und DEC werden zu Test- und Demonstrationszwecken betrieben. Für Benutzer wird ein Workstation-Arbeitsraum eingerichtet.

    Marburger Nutzer nutzen alle Rechner des Verbunds hessischer Hoch- und Höchstleistungsrechner, und zwar sehr stark (Statistik); die Erfahrungen mit der CONVEX C230 schlagen zu Buche.

    Im Herbst 1993 gibt es mehr als 1.000 Rechner am UMRnet (Pressebericht), Ende 1993 werden exakt 1.127 Hosts gezählt, verteilt über 16 (der 21) Fachbereiche und fünf fachbereichsfreie Einrichtungen (Statistik). Mehr als 1.000 Hosts am gesamten Internet hatte es seit Oktober 1984 gegeben, Ende 1993 sind es bereits mehr als zwei Millionen (Diagramme).

1994

Netzwerkschränke des HRZ Marburg 1997
Bild: HRZ
Netzwerkschränke

Die Baumaßnahmen zum Aufbau des Hochschuldatennetzes (1994–2000) beginnen: Das Netz wird (wie beantragt) für Forschung und Lehre sowie die Krankenversorgung (des Klinikums) aufgebaut. Die Maßnahme ist Einstieg in die systematische Glasfaserverkabelung im Primärbereich (zwischen Gebäuden, zwischen Stadt- und Universitätsneubaugebiet) sowie im Sekundärbereich (zwischen Etagen); das nächste Etappenziel heißt FDDI-Backbone (vgl. 1995). Im Tertiärbereich (auf Stockwerksebene) kann die Verkabelung beschleunigt werden.

Der WiN/Internet-Anschluss des UMRnet (Diagramm) wird am 20.5.1994 auf die Übertragungsrate 1,92 MBit/s hochgerüstet und löst den 64-KBit/s-Anschluss von 1991 ab. Das Extended Ethernet LAN wird kontinuierlich um Teilnetze erweitert (Diagramm).

Ab Mai 1994 gibt es ein separates FDDI-LAN für NIS- und NFS-Services zwischen zentralen Servern.

Am 1.6.1994 beginnt der WWW-Betrieb (Dokumentation; erste Homepage der Universität). Mit dem Service kann nicht nur auf WWW-Seiten, sondern auch auf Gopher-, Anonymous-FTP- und News-Informationsobjekte zugegriffen werden, sodass insbesondere die Migration von Gopher auf WWW erleichtert wird. WWW entwickelt sich dadurch zur einheitlichen Benutzerschnittstelle für Informationsdienste im Internet, so dass für viele Anwender Web und Internet synonyme Begriffe werden. Als erste Browser werden NCSA Mosaic (für MS Windows und X11), Netscape (für MS Windows und X1) sowie Lynx (für ASCII-Terminals) vom HRZ unterstützt.
Fachbereiche und Einrichtungen können ihre Informationsangebote auf dem zentralen WWW-Server im HRZ bereitstellen. Es geht langsam voran; Ende 1995 gibt es 14 Informationsangebote, Ende 1996 sind es 40 (Nutzungsstatistik). Analog zu Gopher wird auch der Betrieb eigener WWW-Server von Anfang an vom HRZ unterstützt.
Dedizierte Server für persönliche Informationen der Professoren, Mitarbeiter und Studierenden (Staff-WWW bzw. Stud-WWW) werden ab Juni 1995 bereitgestellt.
Das HRZ beginnt, sein Informationssystem von Gopher (vgl. 1992) ins WWW zu verlagern. Ab November 1995 werden neue Informationen ausschließlich im WWW bereitgestellt; die letzten Gopher-Texte werden im Februar 1998 ins WWW migriert.
Hardware-Basis ist ein Server des Typs IBM RS/6000-580 (Bunsen).
Für den Zugang vom heimischen DOS-/Windows-PC mit Modem über das Telefonnetz zum UMRnet wird im Oktober 1994 der PPP-Service eingerichtet (Dokumentation). Als Server kommt eine Sun SPARCstation unter Solaris zum Einsatz; den Anwendern werden Modems empfohlen und Disketten mit der notwendigen Software bereitgestellt.

(Vorwort zum geplanten und nicht fertiggestellten HRZ-Jahresbericht 1994)

  • Ereignisse außerhalb

    Ab 1994 finden Mitgliederversammlungen des ZKI sowie Sitzungen von Arbeitskreisen, z.B. für Netzdienste und Supercomputing, statt.

    Ab 1994 erfolgt die Abwicklung neuer HBFG-Maßnahmen in Hessen über die Hochschulkapitel (bis Ende 1993 wurde dafür das Zentralkapitel beim HMWK genutzt).

    Die Reduktion der Bundesmittel im Rahmen des HBFG und die zusätzliche Versorgung der neuen Bundesländer führen ab 1994 zu deutlichem Mittelmangel.

    Um die Lieferung eines Parallelrechners an die Universität Marburg konkurrieren im Sommer 1994 die Firmen CONVEX, Cray Research, IBM, Intel, nCube, Kendall Square Research (d.h. SNI) und Thinking Machines.

    Der HHLR im HRZ Darmstadt (seit 1991 bestehend) wird im August 1994 um einen Vektor-Parallelrechner VPP500/4 von Fujitsu/Siemens erweitert (Peak Performance 6,4 GFLOP/s). Das Darmstädter Zentrum für wissenschaftliches Rechnen (DZWR) wird gegründet.

    Der Internet-Zugang für Studierende wird ermöglicht: Hochschullehrer im Ständigen Ausschuss für Datenverarbeitung der Uni Marburg beklagen sich, sie müssten immer häufiger HRZ-Nutzungsanträge für Studierende unterschreiben, die sie gar nicht kennen würden und denen es nur um eine E-Mail-Adresse und den Einwählzugang vom heimischen PC ginge. Auf Vorschlag des HRZ beschließt der Ausschuss am 17.11.1994, allen Studierenden ab SS 1995 den Zugang zum Internet (gegen Entgelt) anzubieten (Nachricht zum Beschluss).

    Die Zeit eines Backbone in den USA unter der Regie der NSF ist vorbei, es gibt jetzt Firmen am Markt, die Netzinfrastruktur betreiben. Die regionalen Netze des NSFNET werden ab Mai 1994 an Network Access Points dieser Provider angeschlossen, offizielles Ende des seit 1986 bestehenden NSFNET ist der 30.4.1995.

1995

Heinz Hahn und Jürgen Kreile installieren einen Router Typ Cisco 7000 (1995)
Bild: H. Graßmann/HRZ Marburg
Router Cisco 7000

Ein FDDI-Backbone für Forschung und Lehre wird eingerichtet (Pressebericht): In der Zeit vom 19.1.1995 bis 13.11.1995 erfolgt die Installation von neun Routern vom Typ Cisco 7000/7010 (die bis 1999 in Betrieb bleiben), zwei davon im Rechnerraum (Bild links). An diese Backbone-Router werden die Teilnetze aller Fachbereiche und fachbereichsfreien Einrichtungen – d.h. Ethernet- und Token-Ring-LANs, Übertragungsrate 10/16 MBit/s – angeschlossen (Diagramm).
Der Backbone wird zwecks schrittweiser Ablösung des Extended Ethernet LAN aus 1990 aufgebaut.
Der Glasfaserring ist 16,3 km lang, das Übertragungsprotokoll ist FDDI mit einer Übertragungsrate 100 MBit/s.
Hin- und Rückweg zwischen Stadtgebiet und Universitätsneubaugebiet verlaufen zunächst über das gleiche Glasfaserkabel, ab März 1997 in verschiedenen Kabeln (insbesondere zwecks Erhöhung der Ausfallsicherheit für das Datennetz zur Krankenversorgung).
Ende 1995 sind 59 Teilnetze mit annähernd 2.500 Rechnern angeschlossen.
Über das Backbone erfolgt IP-, IPX-, AppleTalk- und IP-Multicast-Routing sowie zunächst auch Transparent-Bridging.
Das HRZ gibt Betriebsunterstützung für die FDDI-Backbones für Krankenversorgung und Verwaltung (vgl. „Ereignisse außerhalb“).

Jeder Studentin und jedem Studenten wird ab Sommersemester 1995 ein sog. Internet-Account (Username und Passwort) für eine E-Mail-Adresse, persönliche WWW-Seiten sowie den Modem/ISDN-Zugang vom heimischen PC angeboten – für ein Entgelt von 10 DM/Semester (damaliger Informationsflyer). Die Nutzung ist freiwillig, ein schriftlicher Antrag ist nicht erforderlich, es genügt der mündliche Wunsch bei der Einschreibung oder Rückmeldung im Studentensekretariat. Zuvor musste jede/r Studierende für einen solchen Account einen verantwortlichen Hochschullehrer gewinnen (vgl. 1967) und einen schriftlichen Antrag stellen.
Es geht um Förderung: Die Studierenden sollen für Studium und Beruf jederzeit Computer und Netze nutzen können; die private Nutzung wird in Kauf genommen. Das HRZ bietet einführende Workshops sowie Beratung in PC-Sälen an.
Das Angebot wird auf ganzer Linie angenommen. Ende 1995 zählt die Benutzerverwaltung des HRZ insgesamt ca. 3.800 Accounts, drei Jahre später sind es bereits über 10.000.
Einige Modem-Zugänge hatte es bereits 1986 am DEVELnet gegeben. Ab Oktober 1994 werden mit Hilfe von Servern (von Sun) weitere 16 Modem-Zugänge via PPP über die alte Telefonanlage der Universität geschaltet. Damit ist jedoch kein stabiler Betrieb möglich, so dass erst spezielle PPP-Zugangs-Server (Ascend-Produkte) Abhilfe schaffen, die ab Wintersemester 1996/97 direkt an das Telefonnetz der Telekom angeschlossen werden und bis zu 60 Modem/ISDN-Zugänge bereitstellen.
Für das HRZ war der Service mit erheblichen Anstrengungen verbunden (vgl. Abschnitt im Jahresbericht 1997).
An die Internet-Accounts werden nach und nach weitere Berechtigungen geknüpft.
Am 1.8.1995 wird die DEC VAX 6000-420 stillgelegt, am 7.8.1995 die Convex C230 und die Zeichenanlage ARISTOMAT 401. Die Stilllegung des Zentralrechners DEC VAX bedeutet zugleich das Ende der Ära zentraler Großrechner und Minicomputer (Bild aller Zentralrechner 1963–1995). Unter anderem können Neun-Spur-Magnetbänder nicht mehr verarbeitet und OSI-Dienste nicht mehr genutzt werden.

IBM SP2 (1995)
Bild: HRZ
IBM SP2

Am 15.12.1995 geht der Parallelrechner IBM SP2 in Betrieb (Bild links; Ausbau 1999, Betrieb bis 2003), der der CONVEX C230 (1989–1995) nachfolgt (Systemkonfiguration). Der Rechner besteht aus drei Schränken (Frames) mit insgesamt 35 Knoten – im Prinzip RS/6000-Workstations der Power2-Architektur unter IBMs UNIX-Version AIX – und einem Hochleistungs-Switch, der jeden Knoten mit jedem verbindet. Er verfügt insgesamt über 9,33 GFlop/s Spitzenleistung und 8,2 GB Arbeitsspeicher. In der TOP500-Liste der schnellsten Supercomputer der Welt (die seit 1993 von Jack Dongarra, Hans-Werner Meuer und Erich Strohmaier redigiert wird) belegt er im November 1995 Rang 172, was in Deutschland Rang 12 entspricht (Auszug aus der Liste). Im Juni 1996 ist er auf Rang 216 gefallen, im November 1996 auf Rang 272 und im Juni 1997 ist er bereits ausgeschieden. Die IBM SP2 ist der erste Parallelrechner an einer hessischen Universität (Pressebericht); er ist in den Verbund hessischer Hochleistungsrechner integriert und kann von Wissenschaftlern aller Hochschulen in Hessen genutzt werden (Erwähnung im HHLR-Jahresbericht).

Die vielen neuen Aufgaben erfordern eine Anpassung der seit 1987 bestehenden Abteilungsstruktur. Das HRZ orientiert sich seit Anfang der 90er-Jahre an den Empfehlungen von DFG sowie ZKI und beantragt am 20.12.1995 die Einrichtung einer neuen Abteilungsstruktur. Geringfügig überarbeitet wird der Antrag am 17.3.1998 erneut vorgelegt. Die Spielregeln dazu sind immer noch durch HHG § 28(4) von 1970 gegeben. Die Einrichtung der beantragten Abteilungsstruktur erfolgt zum 1.5.2000.

(Vorwort zum geplanten und nicht fertiggestellten HRZ-Jahresbericht 1995)

  • Ereignisse außerhalb

    Die Deutsche Bundespost wird privatisiert. Die drei 1989 geschaffenen Unternehmensteile werden Anfang 1995 zu den Aktiengesellschaften Deutsche Post, Deutsche Telekom und Deutsche Postbank.

    Die eigenständigen Titelgruppen für HRZ in Hessen (bis Ende 1994 waren dies ETG 81 und ATG 81) fallen weg. Ab 1995 sind Einnahmen und Ausgaben der HRZ in die Titelgruppen ETG 71 und ATG 71 für Forschung und Lehre integriert.

    Anfang 1995 gibt Sun Microsystems die Programmiersprache Java frei.

    An der Uni Marburg haben sich (aus Datenschutz-, Sicherheits- und vor allem organisatorischen Gründen) folgende Netzzuständigkeiten herausgebildet:
    Forschung und Lehre: Für alle Fachbereiche (außer Medizin), einige medizinische Institute und alle fachbereichsfreien Einrichtungen ist das HRZ zuständig.
    Krankenversorgung: Für alle Kliniken und die restlichen medizinischen Institute ist das Institut für medizinische Informatik zuständig.
    Zentralverwaltung: Für die Zentralverwaltung und die technischen Betriebe ist deren DV-Abteilung zuständig.
    Entsprechend dieser Zuständigkeiten werden drei FDDI-Backbones aufgebaut (auf dem gleichen Glasfasernetz und mit Routern des gleichen Typs). Das HRZ unterstützt die Einrichtung der FDDI-Backbones für Krankenversorgung (1995) und Verwaltung (1996), die über Firewalls an das Backbone für Forschung und Lehre angeschlossen werden (Diagramm).

    HMWK-Entscheidung für alle hessischen Universitäten: Internet-Accounts für Studierende sind entgeltpflichtig (10,– DM/Semester).

    CONVEX, gegründet 1982, wird 1995 von Hewlett-Packard aufgekauft.

    Am 22.8.1995 werden neue Knoten mit jeweils einer POWER2-CPU für IBMs Parallelrechner (vgl. 1993) angekündigt, der nun SP2 heißt (Seite im „IBM Archive“). Knoten mit jeweils 1 oder 2 POWER3-CPUs werden am 1.2.1999 angekündigt.

    Am 24.8.1995 führt Microsoft Windows 95 ein.

    Am 27.9.1995 wird der ALwR aufgelöst und geht in den ZKI-Arbeitskreis Universitäts-Rechenzentren über.

    Alle 21 Fachbereiche, neun Einrichtungen und die Zentralverwaltung sind mit mindestens einem Teilnetz in das UMRnet integriert.

    Es tut sich etwas beim Hochleistungsrechnen in Hessen: Die S100/10 im HRZ Gießen und im HRZ Kassel (seit 1992) wird durch eine SGI Power Challenge von Siemens ersetzt (Spitzenleistung 1,2 GFLOP/s). Die S200/10 im HRZ Frankfurt wird zur S200/20 hochgerüstet (d.h. auf zwei Skalarprozessoren). Der HHLR im HRZ Darmstadt (seit 1991/1994) wird Ende 1995 um den zusätzlichen Vektor-Parallelrechner VPP300/1 von Siemens erweitert.

    Der LAN-Standard IEEE 802.3u zu Fast-Ethernet über Twisted-Pair-Kabel (100BASE-TX, 100 MBit/s) wird 1995 verabschiedet (Wikipedia-Artikel).