01.03.2022 Alfried Krupp und der Nationalsozialismus: Neues Projekt der Krupp-Stiftung am ICWC
Alfried Krupp und der Nationalsozialismus
Neues Projekt der Krupp-Stiftung am ICWC
Ein von der Essener Krupp-Stiftung initiiertes Forschungsprojekt über Alfried Krupp von Bohlen und Halbach ist auch am Internationalen Forschungs- und Dokumentationszentrum Kriegsverbrecherprozesse (ICWC) angesiedelt. Alfried Krupp (1907-1967), der letzte Inhaber des Unternehmens stand 1947/48 in Nürnberg vor Gericht. Ein von Professor Eckart Conze geleitetes Forschungsprojekt beschäftigt sich nun mit dem Thema „Alfried Krupp und der Nationalsozialismus“. Es geht dabei weit über das unternehmerische Handeln Krupps in den Jahren des Zweiten Weltkriegs hinaus und bezieht sowohl die Zeit vor 1933 als auch den Umgang Krupps mit der NS-Vergangenheit, einschließlich seiner eigenen, nach 1945 mit ein. Mit dem neuen Projekt, an dem auch Dr. Jens Brüggemann, Verfasser einer wichtigen Studie zur Wehrmachtsgeneralität in Nürnberg, mitwirkt, setzt das ICWC die Reihe seiner Projekte zur Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit fort.
Pressemitteilung der Krupp-Stiftung:
Das unternehmerische Handeln Alfried Krupp von Bohlen und Halbachs im Nationalsozialismus ist im Kontext des Nürnberger Krupp-Prozesses und in späteren wissenschaftlichen Studien bereits thematisiert worden. Eine umfassende Untersuchung seines Verhältnisses zum Nationalsozialismus gibt es bislang jedoch nicht. Das gilt insbesondere für die Zeit nach seiner Begnadigung 1951. Was bedeutete die nationalsozialistische Vergangenheit für sein Wirken an der Unternehmensspitze? Reflektierte er seine Verantwortung? Hat er sich zum Zeitpunkt der Stiftungsgründung mit seinem Handeln beschäftigt? Eine wissenschaftliche Biografie, die sich auch diesen Fragen zuwendet, steht bis heute aus.
Das Forschungsprojekt „Alfried Krupp und der Nationalsozialismus“ geht diesen und weiteren Fragen nach. Das Vorhaben wurde von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung initiiert. Ziel des Projekts ist eine differenzierte Betrachtung der Person Alfried Krupps und seines Verhältnisses zum Nationalsozialismus. Es geht dabei um eine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung der Thematik.
„Die Stiftung führt den Namen von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach. Daraus resultiert auch eine Verantwortung, sich mit der Biografie unseres Stifters zu befassen“, sagt Prof. Ursula Gather, Kuratoriumsvorsitzende der Krupp-Stiftung. „Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, betrachten wir die Vergangenheit nun bewusst erneut – aus dem Blickwinkel aktueller Fragestellungen und neuer Forschungsperspektiven. Mit dem Rechercheprojekt führt die Stiftung ihre eingeschlagene Linie unabhängiger Forschung zur Krupp-Geschichte fort.“
Die Leitung des Projekts obliegt Prof. Dr. Eckart Conze, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Philipps-Universität Marburg sowie Ko-Direktor des ICWC. Der renommierte Historiker wurde von der Krupp-Stiftung beauftragt, das Projekt unabhängig zu realisieren. „Es gibt eine große und mehr als berechtigte gesellschaftliche Sensibilität für die Geschichte und Wirkungsgeschichte des Nationalsozialismus und seine Bedeutung in der Gegenwart. Das Projekt der Krupp-Stiftung ist eine Chance, ein präziseres Bild ihres Stifters zu gewinnen und dadurch zugleich einen wichtigen zeithistorischen Forschungsbeitrag zu leisten“, so Prof. Conze.
Das Projekt umfasst zunächst die Identifizierung, Sichtung und Analyse verfügbarer Quellen zu Alfried Krupp und seiner Haltung zum Nationalsozialismus seit den 1920er Jahren. Es erweitert bewusst den Zeitraum des „Dritten Reiches“ 1933-1945 und bezieht sowohl die Haltung Alfried Krupps (1907-1967) zum Nationalsozialismus in der Weimarer Republik ein als auch den Umgang Krupps mit der NS-Vergangenheit, einschließlich seiner eigenen, in der Zeit der Bundesrepublik. Innerhalb von neun Monaten sollen dabei neue bzw. noch nicht systematisch untersuchte Quellen in nationalen und internationalen Archiven ausgewertet werden. Auch das Historische Archiv Krupp ist einbezogen. Dabei soll der Blick über das unternehmerische Handeln Alfried Krupps hinausgehen und auch andere Dimensionen berücksichtigen, beispielsweise politische Positionen und Meinungen oder private Äußerungen.
Die aus der Quellenrecherche gewonnenen Erkenntnisse werden durch die Stiftung und externe Experten diskutiert und im Hinblick auf mögliche nächste Schritte ausgewertet. Die Ergebnisse des Rechercheprojekts werden der Öffentlichkeit voraussichtlich Anfang 2023 vorgestellt.
Seit Jahrzehnten setzt sich die Stiftung für die Aufarbeitung der Geschichte der Firma und Familie Krupp ein: Sie hat u.a. wissenschaftliche Projekte und Publikationen initiiert, die von renommierten Historikern wie Lothar Gall oder Harold James erfolgreich umgesetzt wurden. Am Sitz der Stiftung vermittelt die Historische Ausstellung Krupp im Kleinen Haus der Villa Hügel Informationen über die Rolle der Firma Krupp im „Dritten Reich“ ebenso wie über die Person Alfried Krupps. Das Historische Archiv Krupp, das umfangreiches Material zu Alfried Krupp verwahrt, steht allen Interessierten offen und unterstützt regelmäßig wissenschaftliche und andere Vorhaben.
Zur Person Prof. Dr. Eckart Conze
Prof. Dr. Eckart Conze ist seit 2003 als Professor für Neuere und Neueste Geschichte am Seminar für Neuere Geschichte der Philipps-Universität Marburg tätig. Er leitet das Marburger Internationale Forschungs- und Dokumentationszentrum Kriegsverbrecherprozesse und wurde 2005 vom damaligen Bundesaußenminister Joschka Fischer in die Unabhängige Historikerkommission des Auswärtigen Amtes berufen, die die Geschichte des Amtes im Nationalsozialismus und den Umgang damit nach 1945 untersuchte.
Über die Krupp-Stiftung
Die gemeinnützige Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung fördert seit 1968 Menschen und Projekte in Kunst und Kultur, Bildung, Wissenschaft, Gesundheit und Sport und hat sich dafür bisher mit 680 Mio. € engagiert. Stifter ist der letzte Alleininhaber der Firma Fried. Krupp, Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, dessen Vermögen auf die von ihm errichtete Stiftung überging. Als größte Aktionärin der heutigen thyssenkrupp AG verwendet die Stiftung die ihr aus ihrer Beteiligung zufließenden Erträge ausschließlich für gemeinnützige Zwecke und verfolgt das Ziel, neue Entwicklungen anzuregen. Mit ihrer Arbeit setzt sie Akzente in der Wissenschafts- und Hochschulentwicklung, sie möchte zur Völkerverständigung beitragen und die Ausbildung junger Generationen verbessern.