16.07.2019 Der IStGH spricht Bosco Ntaganda in allen Anklagepunkten wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen schuldig.

Ntaganda war Kommandant der Rebellenbewegung „Patriotische Kräfte für die Befreiung des Kongo“ (Forces Patriotiques pour la Libération du Congo, FPLC), dem militärischen Arm der politischen Bewegung „Union der kongolesischen Patrioten“ (Union des Patriotes Congolais, UPC). Wegen zahlreicher Massaker, Vergewaltigungen und Rekrutierungen von Kindersoldaten, welche in den Jahren 2002 und 2003 in der Region Ituri im Nordosten des Kongo begangen wurden, ist Ntaganda vergangene Woche als hinreichend schuldig („beyond reasonable doubt“) verurteilt worden. Am 07.11.2019 wurde das Strafmaß verkündet; Ntaganda wurde vom IStGH zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt.

Die verschiedenen Angriffshandlungen gegen zahlreiche Städte und Dörfer in der Ituri-Region umfassten die mehrfache Begehung konkreter Tathandlungen nach Art. 7 (Verbrechen gegen die Menschlichkeit) und Art. 8 (Kriegsverbrechen) des Rom-Statuts. Ntaganda hatte während der Gräueltaten stets eine seiner Stellung entsprechende wichtige militärische Funktion inne. So wurden Ntaganda, sowohl als Täter als auch als Teilnehmer, 18 Anklagepunkte vorgeworfen, wegen der er auch verurteilt wurde. Die 13 nachgewiesenen Kriegsverbrechen sind: vorsätzliche und versuchte vorsätzliche Tötung, Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Plünderung, die Anordnug der Verlegung der Zivilbevölkerung aus Gründen im Zusammenhang mit dem Konflikt, Zwangsverpflichtung, Eingliederung und Verwendung zur aktiven Teilnahme an Feindseligkeiten von Kindern unter 15 Jahren, Angriffe auf geschützte Objekte sowie Zerstörung gegnerischen Eigentums (vgl. Summary of Trial Chamber VI’s judgment in the case of The Prosecutor v. Bosco Ntaganda, issued 8 July 2019, Rn. 6; im Folgenden abgekürzt als „Summary“). Zu den 5 Anklagepunkten, welche sich mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschäftigten, gehören: vorsätzliche und versuchte vorsätzliche Tötung, Vergewaltigung, sexuelle Sklaverei, Verfolgung und zwangsweise Überführung der Bevölkerung (vgl. Summary, Rn. 6).

In den Jahren 2002 und 2003 (wie auch bereits davor und danach) schwelte ein Konflikt in der Provinz Ituri im Nordosten des Kongo, bei dem es unter anderem um die politische, ökonomische und ethnische Vorherrschaft in der an Rohstoffvorkommen reichen Region ging. Die FPLC, deren Organisationsgrad mit dem einer herkömmlichen Armee vergleichbar gewesen sei (Summary, Rn. 21), sei zur für die Tathandlungen relevanten Zeit (ca. 6. August 2002 bis ca. 31. Dezember 2003) konstant in mindestens einen nicht-internationalen bewaffneten Konflikt mit einer anderen organisierten Konfliktpartei involviert gewesen, wodurch das Kontextelement der Kriegsverbrechen nach Artikel 8(2)(c) und (e) des Rom-Staatuts erfüllt sei (siehe Summary, Rn. 23). Hinsichtlich der vorgeworfenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit befand die Verfahrenskammer, dass die Taten zielgerichtet gegen Teile der Zivilbevölkerung ausgeführt worden seien und Bestandteil einer vorgefassten Strategie gewesen seien (vgl. Summary, Rn. 24 f.).

Das Strafmaß steht noch aus und ist erst nach Analyse weiterer Stellungnahmen der Prozessbeteiligten hinsichtlich einer möglichen Haftdauer zu erwarten. Zudem wird dafür ein zusätzlicher Prozesstermin stattfinden. Ntaganda wird nach wie vor in Haft bleiben; das Strafmaß einer Freiheitsstrafe ist nach Art. 77(1)(a) auf 30 Jahre beschränkt, kann aber nach Art. 77(1)(b) bei außergewöhnlicher Schwere auch auf lebenslänglich festgesetzt werden.

Am 07.11.2019 wurde das Strafmaß verkündet; Ntaganda wurde vom IStGH zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt.

 

Nachtrag IStGH: Anhörung betreffend die Bestätigung der Anklage vor dem Hauptverfahren im Fall Al Hassan

Ebenfalls am 8. Juli fand vor dem ICC die Eröffnung des „confirmation of charges hearing“ (Anhörung bzgl. einer Anklagebestätigung) im Fall The Prosecutor v. Al Hassan Ag Abdoul Aziz Ag Mohamed Ag Mohamed vor der Vorverfahrenskammer 1 statt. Al Hassan wird vorgeworfen zwischen 2012 und 2013 in Timbuktu, Mali, an der Begehung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beteiligt gewesen zu sein. Die Anklagebehörde, die Vertreter der Opfer sowie die Verteidigung werden noch bis zum 17. Juli angehört. Zweck der Anhörung ist die Untersuchung, ob hinreichende Beweise vorliegen, die auf Seiten des Gerichts die Feststellung zulassen, bedeutende Gründe zur Vermutung der Begehung der angeklagten Taten durch den Angeklagten zu haben (sufficient evidence to establish substantial grounds to believe). Erst danach wird der Fall an eine Verfahrenskammer weitergegeben und von dieser ein Hauptverfahren eröffnet. Bis zum 31. Juli erwartet das Gericht noch schriftliche Stellungnahmen der Prozessparteien ehe es innerhalb einer dann beginnenden Frist von 60 Tagen eine schriftliche Entscheidung veröffentlicht.

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