24.06.2023 Jetzt online: Zusammenfassung des Vortrags "Frauen in völkerstrafrechtlichen Institutionen: Rekrutierung, Repräsentanz und Rechtsprechung"

Foto: Rolf K. Wegst

Am 20. Juni fand bereits zum fünften Mal unsere interdisziplinäre Ringvorlesung „Gender im Völkerstrafrecht“ statt. Dafür konnten wir die Rechtswissenschaftlerin und Soziologin Ulrike Schultz (FernUniversität in Hagen) gewinnen. Unter dem Titel „Frauen in völkerstrafrechtlichen Institutionen: Rekrutierung, Repräsentanz und Rechtsprechung“ skizzierte Frau Schultz die Rolle der Frauen in völkerstrafrechtlichen Institutionen und deren Einflussbereich. Dabei setzte sie den Schwerpunkt ihres Vortrags auf Richterinnen, die exemplarisch als Akteurinnen im Rechtssystem fungierten. Anhand von Leitfragen eröffnete Frau Schultz einen multiperspektivischen Blick auf die Thematik, machte aber auch deren Herausforderung und Grenzen deutlich.

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Frauen in völkerstrafrechtlichen Institutionen seien wichtig, um verschiedene Perspektiven und Diversität zu ermöglichen, aber auch um Chancengleichheit zu garantieren. Frau Schultz bezeichnete Frauen im Rechtssystem als „Agentinnen“ des Wandels und der Inklusion. In den letzten Jahren zeigten sich großer Aktivismus und verstärkte Sichtbarkeit des Themas. Das Ergebnis dessen finde sich in den Statistiken wieder: Quantitativ zeigt sich zwischen den Jahren 2015 und 2023 ein erheblicher Anstieg an Richterinnen in zahlreichen völker(straf)rechtlichen Institutionen. Dies könne zu der Annahme führen, die Justiz werde durch Richterinnen „besser“. Diese provokante These negierte die Soziologin und plädierte dafür, dass nicht nur das Geschlecht von Bedeutung sei, sondern eine Vielzahl intersektional wirksamer Diversitätsmerkmale wie u.a. sexuelle Identität oder Ethnizität. Diversität, so Schultz, sei eine Forderung der Antidiskriminierungsregelungen und sorge letztendlich für Gleichberechtigung, was als Merkmal einer Demokratie gelte. Diversität innerhalb der Justiz spiegle letztlich unsere Gesellschaft besser wider und repräsentiere die Vielfalt der Rechtssuchenden.

Anhand verschiedener völker(straf)rechtlicher Institutionen diskutierte Ulrike Schultz, was der jeweilige Frauenanteil an den Gerichtshöfen bedeute. Primär sieht sie eine wichtige moralisch-symbolische Wirkung. Aber auch die zunehmend ins Blickfeld rückenden geschlechtsbezogenen Verbrechen fordern eine Geschlechterparität ein: 2018 machten sexuelle und geschlechtsspezifische Verbrechen – sowohl gegen weibliche als auch gegen männliche Opfer – fast die Hälfte aller vor dem IStGH angeklagten Verbrechen aus. Die verbreitete Vorstellung, Richterinnen könnten gegenüber für geschlechtsbezogene Verbrechen Angeklagten nicht gerecht urteilen, wies Frau Schultz entschieden zurück.

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Am Ende ihres Vortrags suchte Ulrike Schultz nach möglichen Ursachen für den niedrigen Richterinnenanteil und bot Erklärungen für dessen Anstieg. Eine Hauptursache sei die historische Benachteiligung der Frauen. Zudem sei die Geschichte der Richterinnen kurz. Obwohl der Frauenanteil in den juristischen Berufen mittlerweile 50 Prozent betrage, arbeiteten viele Frauen in Teilzeit. Darüber hinaus sei noch immer das klassische Bild des „pale, male, stale, horse trading” Richters in den Köpfen unserer Gesellschaft verankert. Die Annahme, es gebe zu wenig qualifizierte Frauen, sei mittlerweile obsolet, so Schultz. Es sei vielmehr ein Anstieg der Zahl von Frauen in der juristischen Ausbildung zu verzeichnen. Auch setze sich die politische Agenda für Gleichberechtigung und Gleichstellung sowie für Frauenförderung ein. Letztlich seien auch veränderte Geschlechterbilder ein Grund, weswegen ein Anstieg von Frauen in der Justiz zu beobachten sei.

Nach ihrem Vortrag wurde seitens der geschäftsführenden Direktorin Frau Prof. Dr. Stefanie Bock der Raum für Fragen geöffnet. Schnell entstand im Plenum eine Diskussion über Genderbalance, und die These, man müsse weiter als nur eine paritätische Beteiligung von Frauen im Justizsystem denken, formte sich. Zudem erklang der Appell zu ständiger Weiterentwicklung. In den letzten Jahren habe sich zwar vieles hin zu einer gendergerechteren Justiz entwickelt, aber aktuelle Beispiele zeigten noch immer Defizite.

Wir bedanken uns herzlich bei Ulrike Schultz und dem interessierten Publikum!

Die letzte Ringvorlesung findet am 04. Juli statt – wir freuen uns bereits jetzt darüber, Matti Traußneck (Philipps-Universität Marburg) mit ihrem Vortrag „Zur historischen Prekarität von Recht im Verhältnis zu Geschlecht und „Rasse““ begrüßen zu dürfen!

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