06.12.2024 Jetzt online: Zusammenfassung des Vortrags „Grenzüberschreitungen in interkulturellen Kriegen in Ostafrika (1889–1914)"
Am Dienstag, den 3. Dezember 2024 fand der inzwischen vierte Vortrag der interdisziplinären Ringvorlesung „Grenzen und Grenzüberschreitungen militärischer Gewalt“ mit einem Beitrag von Prof.'in Dr.'in Tanja Bührer, Paris Lodron Universität Salzburg, statt.
In ihrem referierte Tanja Bührer über das Thema: „Grenzüberschreitungen in interkulturellen Kriegen in Ostafrika (1889–1914)“. Zu Beginn erläuterte sie die Wahrnehmung von Kolonialkriegen, welche als besonders brutal wahrgenommen wurden und deshalb anfällig für Grenzüberschreitungen in der Gewaltanwendung seien.
Tanja Bührer gliederte die transimperial geteilten Richtlinien kolonialer Gewaltausübung und das damit verbundene Gewaltwissen in zwei Aspekte: Erstens die Militärdoktrinen, die sich in Handbüchern niederschlugen und durch den Transfer militärischer Praktiken verbreitet wurden, und zweitens die Legitimierung kolonialer Gewalt im europäischen internationalen Recht, unter anderem im Zusammenhang mit der Berliner Afrikakonferenz von 1884/85 sowie der Haager Landkriegsordnung.
Anschließend beleuchtete die Referentin die Berliner Afrikakonferenz von 1884/85. Sie bezeichnete diese als das erste historische Ereignis, bei dem die wichtigsten europäischen Mächte die Fragen und Konflikte ihrer globalen Expansion in Form von internationalem Recht kodifizierten und benannte diese als ein integratives europäisches Kooperationsprojekt. Gleichzeitig hätten die europäischen Mächte andere, nicht-westliche Allianzen, wie afrikanische oder indigene Völker, weitgehend ignoriert. Die Aufteilung Afrikas bedeutete, laut Tanja Bührer, unter anderem auch die Tabuisierung von Konflikten zwischen den europäischen Mächten selbst. Den afrikanischen Parteien wurde hingegen sowohl das ius ad bellum (Recht auf Krieg) als auch das ius in bello (Recht im Krieg) verwehrt.
Die transimperialen Militärdoktrinen, so Tanja Bührer, waren in der Regel nationale Handbücher, die gemeinsame Praktiken der kolonialen Kriegsführung aufzeigten und so zur Entstehung kolonialer Kampagnen beitrugen. Im Bezug auf das Deutsche Kaiserreich erklärte sie, dass dieses durch nationale Handbücher und Militärdoktrinen von kolonialen Kampagnen profitierte. Gleichzeitig betonte Tanja Bührer die extreme Gewalt, welche die Kolonialkriege des Deutschen Kaiserreichs prägte und durch die Militärdoktrinen legitimiert wurde. Tanja Bührer ergänzte, dass diese Doktrinen teilweise auch rassistische Ideologien und Vorstellungen beinhalteten. Diese waren von einer Rhetorik begleitet, die indigene Völker als nur durch Gewalt ansprechbar darstellte. Tanja Bührer erläuterte ebenfalls die systematischen Methoden des deutschen Kolonialmilitärs im Umgang mit indigenen Völkern. Sie kategorisierte diese anhand der Anti-Guerilla-Kampagnen während des Maji-Maji-Widerstands (1905–1907) in drei Hauptaspekte: Plünderung und Zerstörung, Geiselnahmen, Zwangsarbeit und Menschenhandel sowie Kopfjagden und Massenhinrichtungen. Diese Maßnahmen verfolgten stets spezifische Ziele: So wurden beispielsweise Kopfgelder auf Anführer des Widerstands ausgesetzt, um die Moral und den Zusammenhalt der indigenen Bevölkerung zu brechen. Frauen wurden häufig als Geiseln genommen, um die männlichen Teile der Bevölkerung zur Unterwerfung oder zu loyalem Verhalten gegenüber der Schutztruppe zu zwingen. Ein weiteres Ziel der kolonialen Staatsbildung bestand im gewaltsamen Erzwingen billiger Zwangsarbeit. Darüber hinaus sollte die Ausübung von Staatsgewalt auch nach außen hin legitimiert werden. Dies versuchten deutsche Kolonialist:innen unter anderem durch Fotografien, die hingerichtete indigene Einwohner:innen zeigten.
Der Vortrag bot einen informativen Überblick über Grenzüberschreitungen in Kolonialkriegen und eröffnete eine nicht-eurozentristische Perspektive auf die Thematik! Wir bedanken uns herzlich bei Prof.'in Dr.'in Tanja Bührer und dem interessierten Publikum!
Die nächste Ringvorlesung findet am 17. Dezember statt – wir freuen uns bereits jetzt darüber, Johannes Kistenich-Zerfaß (Hessisches Staatsarchiv Marburg) mit einem Vortrag über "70 Jahre nach der Haager Konvention – Rückblick und aktueller Stand zum Kulturgutschutz in bewaffneten Konflikten" begrüßen zu dürfen!
Kontakt
Prof.'in Dr.'in Tanja Bührer
Mail: tanja.buehrer@plus.ac.at