06.01.2025 Rückblick: Vortrag über den Kulturgutschutz in bewaffneten Konflikten ist jetzt online!

Ein leeres Klassenzimmer mit Holztischen und -stühlen sowie einer Tafel
Foto: Colourbox.de

Am 17.12.2024 referierte Dr. Johannes Kistenich-Zerfaß, Präsident des Hessischen Landesarchivs, in seinem Vortrag „70 Jahre nach der Haager Konvention – Rückblick und aktueller Stand zum Kulturgutschutz in bewaffneten Konflikten“ über die Problematik des Schutzes von Kulturgütern in kriegerischen Auseinandersetzungen und setzte damit einen neuen Impuls in unserer Ringvorlesung „Grenzen und Grenzüberschreitungen militärischer Gewalt“.

Johannes Kistenich-Zerfaß begann seinen Vortrag mit einer historischen Kontextualisierung des Kulturgutschutzes im humanitären Völkerrecht. Dabei erwähnte er unter anderem den 1863 ratifizierten Lieber Code, die Brüsseler Kulturgutschutz-Deklaration von 1874, den Roerich-Pakt von 1935 sowie die 1899 verabschiedete Haager Landkriegsordnung. Aus Letzterer erläuterte er die Relevanz der Artikel 27 und 56 für den Schutz von Kulturgütern in bewaffneten Konflikten. Daran anknüpfend hob er die Bedeutung des deutschen Kunsthistorikers Paul Clemen hervor, welcher den Kulturgutschutz als neues Anliegen der modernen Kriegsführung etablierte. Paul Clemen war vom Deutschen Kaiserreich beauftragt worden, Kunstbestände in Frankreich und Belgien zu dokumentieren und sie ins Kaiserreich zu „evakuieren“. Diese Entwicklung führte zur Entstehung von Zentren für die Sammlung von Kulturgütern, beispielsweise in Marburg.

Aus diesen Vorläufern ging schließlich die Haager Konvention zum Schutz von Kulturgütern in bewaffneten Konflikten hervor, die 1954 verabschiedet und 1956 ratifiziert wurde. Ziel dieser Konvention war in erster Linie der Schutz von Kulturgütern in internationalen Konflikten. Als Beispiel nannte Johannes Kistenich-Zerfaß die post-jugoslawischen Bürgerkriege der 1990er Jahre. Hier zeigte sich jedoch, dass die Konvention keinen ausreichenden Schutz gewährleistete: Raub und Zerstörung von Kulturgütern waren weit verbreitet. Dennoch führten diese Fälle zu völkerrechtlichen Konsequenzen, da das ICTY (Internationaler Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien) Verantwortliche für die Zerstörung von UNESCO-Kulturgut in Dubrovnik verurteilte. Zudem thematisierte er die Zerstörung von Kulturgütern im Rahmen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Dabei kritisierte er die destruktiven und gezielten Angriffstaktiken des russischen Militärs. Bezüglich des Kulturgutschutzes in Deutschland hob Johannes Kistenich-Zerfaß dessen große innenpolitische Bedeutung hervor. Dies zeige sich etwa an Angriffen und Kampagnen politischer Bewegungen wie der rechtsterroristischen Reichsbürger:innenbewegung um Prinz Reuß, der in einem Fall die Zerstörung von Kulturgütern juristisch nachgewiesen werden konnte. Ein weiteres Beispiel nannte er in den politischen Kampagnen gegen den Leiter der Gedenkstätte Buchenwald kurz vor der Landtagswahl in Thüringen im vergangenen Jahr.

Abschließend befasste sich Johannes Kistenich-Zerfaß mit Konzepten und Strategien zur Resilienzstärkung von Kulturgütern. Dazu gehöre insbesondere die Erfassung und Priorisierung von Kulturgütern, da es im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung unmöglich sei, alle Objekte gleichzeitig zu schützen oder zu transportieren. Allerdings könne die Kennzeichnung von Kulturgütern ambivalente Folgen haben. Hier führte er erneut den russischen Angriffskrieg als Beispiel an, da russische Soldat*innen offenbar gezielt Objekte von hohem kulturellem Wert angegriffen hätten. Zudem sei die bauliche Ertüchtigung von Kulturbauten essenziell, um Kulturgüter zu schützen. Dabei sollten Schutzräume für Personen und Kulturgüter zusammengelegt werden.

Wir bedanken uns herzlich bei Johannes Kistenich-Zerfaß und dem interessierten Publikum!

Die sechste Ringvorlesung findet bereits kommende Woche, am 14. Januar,  statt – wir freuen uns bereits jetzt darüber, Rosa Freemann und Sarah Blakemore  mit ihrem Vortrag "Safeguarding children from sexual abuse in conflict an crisis zone" begrüßen zu dürfen!

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