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Konferenz: "Victims of International Crimes" | Marburg 6. bis 8. Oktober 2011

Die zwei an der Philipps-Universität Marburg ansässigen Zentren – das Internationale Forschungs- und Dokumentationszentrum Kriegsverbrecherprozesse und das Zentrum für Konfliktforschung – führten unter der Leitung von Prof. Dr. Christoph Safferling und Prof. Dr. Thorsten Bonacker gemeinsam eine internationale Tagung zur Beteiligung von Opfern an der Aufarbeitung schwerer Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen durch, die von der Stiftung Erinnerung – Verantwortung – Zukunft sowie der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wurde.

Auf der Tagung sprachen internationale Expert/innen aus dem Bereich des Internationalen Strafrechts und der Politikwissenschaft – darunter unter anderem der stellvertretende Vorsitzende des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, Richter Hans-Peter Kaul, und der ehemalige UN-Sonderberichterstatter über Folter Professor Theo van Boven sowie der Vertreter der Nebenklage im Demjanjuk-Verfahren Professor Cornelius Nestler. Einig war man sich, dass es wichtig ist, Opfern eine aktive Rolle bei der Aufarbeitung von internationalen Verbrechen wie Genoziden oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu geben. Gerade im Vergleich zu den Nürnberger Prozessen nach dem Zweiten Weltkrieg spielen Opfer heutzutage eine wichtigere Rolle in internationalen Strafprozessen. Zugleich wurden aber auch die Probleme diskutiert, die mit einer Ausweitung von Opferrechten in Strafverfahren verbunden sind, bspw. die Notwendigkeit, dem/der Angeklagten einen fairen Prozess zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund wurde von den Teilnehmer/innen betont, dass es neben dem Strafrecht auch andere wichtige Ansätze gebe, internationale Verbrechen aufzuarbeiten – etwa Wahrheitskommissionen und materielle sowie symbolische Wiedergutmachungen. Die Arbeit von Opferorganisationen vor allem auch im Umgang mit traumatisierten Opfern spielt dabei eine wichtige Rolle.

Die Vortragenden stimmten darin überein, dass eine große Herausforderung für die Beteiligung von Opfern darin besteht, zu definieren, wer als Opfer von Verbrechen gelten kann und wem die Anerkennung des Opferstatus verweigert wird. Professor Mark Drumbl von der Washington & Lee University stellte dabei vor allem die schwierige Rolle von Kindersoldat/innen in den Mittelpunkt, die sowohl als Opfer als auch als Täter/innen betrachtet werden können. Auch die selektive Thematisierung von Verbrechen bspw. in Fällen sexueller Gewalt während des Zweiten Weltkriegs wurde diskutiert. So hob Dr. Regina Mühlhäuser vom Hamburger Institut für Sozialforschung hervor, dass in der deutschen Berichterstattung über sexuelle Gewalt im Zweiten Weltkrieg vor allem die Opfer von Verbrechen, die von der Roten Armee verübt wurden, dominierten.

Zugleich wurde deutlich, dass die Existenz des Internationalen Strafgerichtshofes ein wichtiger Schritt im Kampf gegen die Straflosigkeit ist, weil damit eine Institution geschaffen wurde, Hauptverantwortliche für internationale Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen, und den Opfern eine Möglichkeit der Anerkennung und der Wiederherstellung von Gerechtigkeit zu geben. In der Abschlussdiskussion wies Professor Raquel Aldana von der University of the Pacific in Kalifornien darauf hin, dass Opfer bei der Aufarbeitung schwerer Menschenrechtsverletzungen wieder zu aktiven Staatsbürger/innen gemacht werden müssen anstatt sie nur zu passiven Empfänger/innen von Entschädigungen zu machen.

Die Tagung, die weltweit zum ersten Mal Forscher/innen mit Expert/innen aus der Praxis der strafrechtlichen und gesellschaftlichen Aufarbeitung von Massengewalt zusammenbrachte, wurde von allen Beteiligten als großer Erfolg gewertet. Hervorgehoben wurde vor allem die Möglichkeit, sich aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven über die Chancen und Probleme der Beteiligung von Opfern an Aufarbeitungsprozessen zu beteiligen.

Die Beiträge sind 2013 im Springer-Verlag in einem Sammelband unter dem Titel "Victims of International Crimes: An Interdisciplinary Discourse", herausgegeben von Prof. Dr. Thorsten Bonacker und Prof. Dr. Christoph Safferling, erschienen.