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Jahresfeier 2022 | 13. Marburger Vorlesung zum Völkerstrafrecht mit Prof. Dr. Mark A. Drumbl
Am 02. Juni 2022 konnte nach langer, coronabedingter Zwangspause endlich erneut die Jahresfeier des Internationalen Forschungs- und Dokumentationszentrums Kriegsverbrecherprozesse (ICWC) in der ehrwürdigen historischen Aula der Alten Universität stattfinden. Den Veranstaltungsmittelpunkt bildete wie gewohnt die inzwischen 13. Marburger Vorlesung zum Völkerstrafrecht. Unter dem Titel „Women and Atrocity: Beyond Simplistic Caricatures“, hielt unser diesjähriger Gast, Prof. Mark A. Drumbl, einen Vortrag zu der Problematik übermäßig simplifizierter, geschlechtsspezifischer Stereotype im internationalen Strafrecht.
Die Jahresfeier begann mit den Begrüßungsworten des Ko-Direktors des ICWC, Prof. Dr. Eckart Conze. Anschließend richteten sich sowohl der Vizepräsident für Forschung an der Philipps-Universität Marburg, Prof. Dr. Gert Bange, als auch der Dekan des Fachbereichs Rechtswissenschaften, Prof. Dr. Constantin Willems, mit jeweils einem Grußwort an die versammelten Gäste. Die Direktorin des ICWC, Prof. Dr. Stefanie Bock, präsentierte sodann den Tätigkeitsbericht des ICWC der vergangenen Jahre 2020-2022. Im Folgenden wurden von ihr auch die Zertifikate für den erfolgreichen Abschluss des Trial-Monitoring Programms an die glücklichen Absolvent*innen übergeben. Abschließend hielt Prof. Mark A. Drumbl die diesjährige Marburger Vorlesung zum Völkerstrafrecht.
Als Class of 1975 Alumni Professor an der Washington and Lee University School of Law und Direktor des dortigen Transnational Law Instituts verfügt Drumbl über eine weitreichende Expertise auf dem Gebiet des internationalen Strafrechts. Seine Forschung umfasst zudem verschiedene Bereiche des Völkerrechts, sowie transnationale Rechtsverfahren bis hin zu Fragen der globalen Umweltpolitik. Zu seinem Werk zählen die erfolgreichen Publikationen „Research Handbook on Child Soldiers“ (2019); „Reimagining Child Sodiers in International Law and Policy“ (2007) und „Atrocity, Punishment, and International Law“ (2007). Nach vielen Besuchen und Gastvorlesungen an verschiedenen Universitäten weltweit, darunter beispielsweise der University of Melbourne oder auch der Oxford University, haben wir uns besonders gefreut, ihn nun auch hier in Marburg empfangen zu dürfen.
Die Einleitung in den Vortrag bildete die Aufstellung seiner Kernthese. Demnach neige das internationale Strafrecht bei vielen Verbrechen, insbesondere in Fällen sexueller Gewalt und Zwangsverheiratung, zu einer Reduzierung der Geschlechtsdiversität auf eine binäre Aufteilung: Männer sind Täter und Frauen sind Opfer. Dass die Realität von Massengewalt jedoch sehr viel komplexer ist, wurde im Verlauf des Vortrags dann eindrücklich dargelegt. Prof. Mark A. Drumbl erläuterte zunächst, dass durchaus auch Frauen zur Begehung schrecklicher Verbrechen fähig seien. Die chauvinistischen und feministischen Tropen des internationalen Strafrechts würden, so Drumbl weiter, jedoch zu einer widersinnigen, verzerrten Darstellung solcher Verbrechen führen. In der Konsequenz folge daraus eine Ungleichbehandlung von Frauen gegenüber männlichen Tätern. Darüber hinaus würden Männer als Opfer stereotypisierter Verbrechen, wie sexueller Gewalt oder Zwangsheirat, oft übergangen, obwohl auch sie erhebliches Leid erfahren müssen. Auf Opferebene fände somit ebenfalls eine Ungleichbehandlung statt, die auf heteronormative Stereotype zurückzuführen sei. Zum Abschluss der Vorlesung äußerte Drumbl daher den Appell, durch einen integrativen Ansatz die Dynamik von Massengewalt und das gesamte Spektrum der durch sie hervorgerufenen Schäden umfassender zu ergründen, und durch eine anpassungsfähigere Justiz der Gleichberechtigung und vor allem der Würde jedes Menschen, unabhängig von seinem Geschlecht, Rechnung zu tragen.
Beim anschließenden Empfang im Innenhof der Alten Universität nutzten die Besucher*innen die Gelegenheit, das Gehörte Revue passieren zu lassen und sich auszutauschen.