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Abendlicher Festakt im Rahmen der 15. Marburger Vorlesung zum Völkerstrafrecht
Die 21. Jahresfeier des Forschungs- und Dokumentationszentrum Kriegsverbrecherprozesse (ICWC) fand am 12. Dezember 2024 in der historischen Aula der Alten Universität statt. Traditionell bildete die 15. Marburger Vorlesung zum Völkerstrafrecht den Veranstaltungsmittelpunkt. In diesem Jahr begrüßten wir als Festrednerin Prof'in Dr'in Sarah Nouwen vom European University Institute aus Florenz mit einem Vortag zum Thema "The Question of the Political and the Political Question in International Criminal Law”. Eine Besonderheit dieses Jahres war, dass die Jahresfeier parallel zur themenoffenen Tagung „Die Vielfalt des Rechts“ der Sektion Rechtssoziologie in Kooperation mit dem ICWC stattfand, die vom 12. bis 13. Dezember in Marburg stattfand.
Die Jahresfeier eröffnete die Geschäftsführende Direktorin Prof'in Dr'in Stefanie Bock. Anschließend richtete sich sowohl der Präsident der Philipps-Universität Marburg, Prof. Dr. Thomas Nauss, als auch der Studiendekan des Fachbereiches Geschichte und Kulturwissenschaften, Dr. Florian Krüpe, mit einem Grußwort an die versammelten Gäst*innen.
The Question of the Political and the Political Question in International Criminal Law
Mit der 15. Marburger Vorlesung zum Völkerstrafrecht schloss sich der Höhepunkt des Abends an. Prof'in Dr'in Sarah Nouwen thematisierte die enge Verbindung zwischen Recht und Politik, wobei sie insbesonders die Frage beleuchtete, inwieweit internationale Strafgerichte politische Fragen lösen können oder sollen. Sie argumentierte, dass Recht und Politik keine Gegensätze seien, sondern miteinander verflochten agieren. Die internationale Strafjustiz wird dabei auch als politisches Instrument betrachtet. Das Römische Statut, welches den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) begründet, ist sowohl rechtlich als auch politisch, da es auf einem politischen Konsens beruht. Der IStGH hat die Fähigkeit, Konflikte zu politisieren, indem er Gegner*innen als "Feind*innen der Menschheit" einstuft, wodurch politische Machtspiele gefördert werden können. Jedoch betonte Frau Nouwen auch, dass internationale Strafgerichte keine umfassenden Antworten auf die komplexen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Dimensionen von Konflikten liefern können. Viele dieser Herausforderungen erfordern politische Lösungen, die über die Möglichkeiten juristischer Institutionen hinausgehen. Diese "Judizialisierung" der Politik birgt Risiken, da juristische Prozesse nicht die gesamte Bandbreite politischer Handlungsoptionen abdecken können. Während Gerichte juristische Aspekte klären können, bleiben politische und soziale Konflikte oft ungelöst.
Der Vortrag hob hervor, dass juristische Antworten zwar wertvolle Impulse geben können, aber die Politik Raum für Verhandlungen und andere Formen der Problemlösung braucht. Internationale Institutionen wie der IStGH sollten ihre Grenzen anerkennen und die politische Sphäre nicht vollständig dominieren. Anhand von Fallstudien wie dem Prozess gegen Dominic Ongwen in Uganda, den Konflikten im ehemaligen Jugoslawien und der Situation in Südsudan zeigte Frau Nouwen auf, dass Gerichtsverfahren oft wichtige soziale und historische Kontexte nicht berücksichtigen. Dies illustriert die Notwendigkeit einer breiteren Betrachtung von Gerechtigkeit, die über rein juristische Entscheidungen hinausgeht. Der Vortrag schloss mit der Erkenntnis, dass internationales Strafrecht unvermeidlich politisch ist, jedoch nicht alle politischen Fragen lösen kann. Es ist entscheidend, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen juristischer und politischer Verantwortlichkeit zu wahren, um den unterschiedlichen Dimensionen globaler Konflikte gerecht zu werden.
Geschäftsbericht des ICWC des Jahres 2024
Im Anschluss an den Festvortrag stellte unser Geschäftsführer, Dr. Henning de Vries, den Geschäftsbericht für das Jahr 2024 vor. Das ICWC blickt auf ein erfolgreiches und sehr produktives Jahr zurück: Henning de Vries berichtete unter anderem von unserem Workshop "Clash of Normativities", den Book Talks, Monatskolloquien und der Ringvorlesung "Grenzen und Grenzüberschreitungen militärischer Gewalt", die Tagung "Die Vielfalt des Rechts" in Zusammenarbeit mit der Sektion Rechtssoziologie, aber auch von der Implementierung der neuen Studien und Prüfungsordnung des MA. Internationale Strafjustiz, welche nun die Ausbildung zu Prozesbeobachter*innen integriert und eine Internationalisierung durch Exkursionen und Summer Schools erfährt. Henning de Vries betonte zudem die erfolgreiche Prozessbeobachtung des Verfahrens gegen die Reichsbürger*innen am OLG Frankfurt, für die er gemeinsam mit Frau Bock den Lehrpreis „Lehre@Philipp“ 2024 der Philipps-Universität Marburg erhielt. Auch der erfolgreiche Start unseres Podcasts „WeltRechtlich“ wurde erwähnt, ebenso wie zahlreiche andere Highlights dieses Jahres – darunter unser Umzug, die Teilnahme am Arbeitskreis Völkerstrafrecht, die Verleihung des Frauenförderpreises, unter anderem an Frau Bock, oder die vom ICWC Trial-Monitoring Programme initiierten Veranstaltungen. Mit einem Ausblick auf das Jahr 2025, in dem wir anlässlich des 80. Jahrestags des Jahres 1945 mehrere Veranstaltungen planen, schloss Henning de Vries seinen Geschäftsbericht.
Feierliche Überreichung der Zertifikate und Zeugnisse
Ein weiterer Höhepunkt bestand in der Zeugnisverleihung der diesjährigen Absolvent*innen des ICWC eigenen Masterstudienganges "International Strafjustiz " durch Prof'in Dr'in Stefanie Bock und Prof. Dr. Eckart Conze, Ko-Direktor des ICWC. Wir gratulieren ganz herzlichen den Studierenden zum bestandenen Abschluss ihres Studiums. Im Folgenden wurden auch die Zertifikate für den erfolgreichen Abschluss des Trial-Monitoring Programms an die glücklichen Absolvent*innen übergeben. Beim anschließenden Stehempfang im Kreuzgang der Alten Universität nutzten die Gäst*innen die Gelegenheit, das Gehörte Revue passieren zu lassen und sich auszutauschen. Ein schöner Abschluss eines besonderen und gelungenen Jahres!