24.05.2024 Podiumsgespräch zum Thema Wissenschaftsfreiheit

Foto: Christian Stein
Podiumsgespräch zum Thema Wissenschaftsfreiheit. Prof. Dr. Teresa Koloma Beck, Prof. Dr. Susanne Buckley-Zistel, Timon Gremmels, Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger (v.l.n.r).

Am 30. April 2024 fand im Rahmen der Vortragsreihe "Konflikte in Gegenwart und Zukunft" ein Podiumsgespräch zum Thema Wissenschaftsfreiheit statt. Unter der Leitung von Prof. Dr. Susanne Buckley-Zistel, Geschäftsführende Direktorin des Zentrums für Konfliktforschung, diskutierten der Hessischer Minister für Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur Timon Gremmels, Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger, Rektorin des Wissenschaftskollegs zu Berlin, und Prof. Dr. Teresa Koloma Beck, Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt Gesellschaftsanalyse und sozialer Wandel an der Helmut-Schmidt-Universität.

Wissenschaftsfreiheit, als eines der grundlegenden Prinzipien im deutschen Grundgesetz verankert, wurde als essentiell für die unabhängige Forschung und Entwicklung von Wissen betont. Minister Gremmels, seit Januar 2024 im Amt, betonte in seinen einführenden Worten die zentrale Rolle der Wissenschaftsfreiheit für eine demokratische Gesellschaft und unterstrich die Verantwortung von Politik und Gesellschaft, diese Freiheit zu schützen und zu fördern.

Die Diskussion beleuchtete verschiedene Facetten der Wissenschaftsfreiheit und identifizierte potenzielle Risiken, die sie bedrohen könnten. Prof. Dr. Koloma Beck verwies auf den wachsenden institutionellen Einfluss antidemokratischer Akteure in den Parlamenten. Auch machte sie deutlich, dass die Akzeptanz illiberaler Vorgehensweisen auch innerhalb des demokratischen Spektrums wachse. Dies zeige sich u. a. in Diskussionen um die Wiedereinführung des Ordnungsrechts an Universitäten. 

Vor dem Hintergrund der oft hitzig geführten Diskussionen um den aktuellen Krieg in Gaza wurden Einschränkungen wie Cancel Culture, das Ausladen von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, sowie zugespitzte Berichte in den (sozialen) Medien) angeführt. Schmierkampagnen gegen bestimmte Forschungsfelder und Personen führten zu Zensur und Selbstzensur und schränken somit die Freiheit der Wissenschaft ein. Generell, so Prof. Dr. Buckley-Zistel, könne man das Phänomen der Shrinking Spaces, also ein zunehmendes Schwinden der Handlungsräumen für wissenschaftlichen Austausch, beobachten

Die Rolle von Universitäten und Forschungseinrichtungen als Orte des argumentativen Austauschs wurde intensiv diskutiert. Prof. Dr. Stollberg-Rilinger betonte die Bedeutung von offenen Diskursen und freiem Gedankenaustausch für die Entwicklung neuer Ideen und Erkenntnisse. Im Unterschied zur individuellen Meinungsfreiheit beziehe sich die Freiheit von Forschung und Lehre vor allem auf Wissenschaftsinstitutionen und sichere deren Autonomie gegen Eingriffe seitens der Politik. Zugleich verwies sie darauf, dass Wissenschaftsfreiheit nicht nur für die jeweils eigene Position eingefordert werden kann. Die Grenzen würden allein vom Recht gezogen. Die Position der anderen auszuhalten könne mitunter eine herausfordernde und schmerzhafte Gratwanderung sein. 

Vor dem Hintergrund der Gender-Verbote, also der Verwendung von Gender-Sternchen, an Universitäten in einigen Bundesländern sowie in der Verwaltung von hessischen Universitäten betonte der Minister, dass man mit einer Einschränkung beim Gendern nichts gewinnt, aber viel verliert. Gesellschaftliche Vielfalt drücke sich eben auch in Sprache aus, das sei für ihn nicht problematisch.

Das Podiumsgespräch endete mit dem Appell von Prof. Dr. Buckley-Zistel an Politik und Wissenschaft für die Bewahrung und Stärkung der Wissenschaftsfreiheit einzutreten. Die Sensibilisierung für diese Thematik und die Förderung eines offenen Dialogs wurden als Schlüsselfaktoren für die Zukunft der Wissenschaftsfreiheit in Deutschland hervorgehoben.

 Die Vortragsreihe "Konflikte in Gegenwart und Zukunft" des Zentrums für Konfliktforschung der Philipps-Universität Marburg wird seit über zwanzig Jahren erfolgreich durchgeführt. Im Sommersemester 2024 steht die Reihe ganz im Zeichen des Wissenschaftsjahres Freiheit, einer Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Ziel ist es, das Verständnis für die Bedeutung von Freiheit in der Forschung und Gesellschaft zu vertiefen und den Austausch zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit zu fördern.

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