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Erinnerungen aus dem Niemandsland: Archive peruanischer Selbstverteidigungs-Milizen

Foto: Eva Willems

Zwischen 1980 und 2000 erlebte Peru einen internen bewaffneten Konflikt, initiiert durch die Maoistische Rebellengruppe Shining Path. Im ländlichen Raum organisierten Bürger*innen Selbstverteidigungs-Milizen um sich vor den Attacken der Guerilla und der Unterdrückung der Regierungstruppen zu schützen. Eines der bemerkenswertesten Netzwerke der sogenannten comités de autodefensa civil oder Zivilen Selbstverteidigungs-Komitees entstand im Dschungel des Ayacucho-Bezirks mit Hauptquartier in der Stadt Pichiwillca. In dieser Gemeinschaft besteht das Archiv der Selbstverteidigungs-Milizen bis heute. Es beinhaltet hunderte (hand-)schriftliche Papierdokumente über die alltägliche Organisation der Milizen, ihre interne Kommunikation, Strategien und Informationsdienste etc. Nichtsdestotrotz, sind die Akten in einem schlechten Zustand und drohen verloren zu gehen, wenn keine Maßnahmen zur dauerhaften Erhaltung ergriffen werden.

Das Material wird in hohem Maß von Umweltbedingungen und ungeeigneter Lagerung bedroht; das feuchte Dschungelklima beeinträchtigt die Konservierung der Papiere stark. Die Akten befinden sich in Holzschränken und sind somit Termiten und anderen Schädlingen ausgesetzt. Ein nicht unwesentlicher Teil der Dokumente ist durch diese Bedingungen bereits drastisch zu Schaden gekommen.

Das politische Klima im Tal der Flüsse Apurímac, Ene und Mantaro (Valley of the Rivers Apurímac, Ene and Mantaro (VRAEM)) ist ebenfalls instabil, da die Gegend einer der größten Produzenten von Kakaoblättern und Kokain der Welt ist. Die Region ist daher als Notfallzone ausgerufen worden und wird aufgrund von weniger intensiven, jedoch langwierigen, bewaffneten Konflikten durch das Militär kontrolliert. Zu den Konfliktparteien zählen verbliebenen Anhängern der Shining Path, Drogenhändler, die Armee und – zu einem geringeren Anteil – die Selbstverteidigungs-Komitees, welche weiterhin als lokale Sicherheitskräfte fungieren.

Das Ziel des Projekts ist der Schutz des Archivs, indem die Lagerungsbedingungen verbessert werden, die Durchsicht der Sammlung, und die Erkundung von Möglichkeiten zur Digitalisierung und der weiteren Nutzung für Forschungszwecke. Dies soll durch einen partizipatorischen Prozess erreicht werden, welcher (Ex-)Milizen und die Gemeinschaft in Pichiwillca miteinbezieht. Das Archiv soll durch den verbesserten Schutz zukünftig Forschern zugängig gemacht werden und so zu wissenschaftlichen Erkenntnissen sowohl über den peruanischen, internen bewaffneten Konflikt, als auch über die Rolle von zivilen Selbstverteidigungs-Milizen in bewaffneten Konflikten in verschiedenen globalen Kontexten, beitragen. Da das Archiv durch die Quechua-sprechende ländliche Bevölkerung erstellt wurde, bietet es darüber hinaus eine innovative Perspektive die Realität des Bürgerkrieges aus der lokalen (indigenen) Gemeinschaften heraus zu studieren, welche involviert und selbst von dem bewaffneten Konflikt betroffen sind. Es wird oft vermutet, dass „subalterne“ Gruppen keine geschriebenen Dokumente produzieren, weshalb ihre Geschichten in offiziellen Berichten oft vernachlässigt werden. Dieses Archiv beweist das Gegenteil und bietet einzigartige Quellen zur Dokumentation der historischen Erinnerung der peruanischen, ländlichen Bevölkerung.

Projektlaufzeit: 2020-2021
Förderung: Modern Endangered Archives Program (UCLA Library(Arcadia))
Projektteam:
Gabriela Zamora Castellares (Projektkoordinatorin)
Dr. Eva Willems (PI)
Prof. Ruth Borja Santa Cruz (Expertin Archivwissenschaft)
Julia Isabel Taipe Quiroz (Expertin Erhaltung)