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Tränenreiche Trauer - Aushandlungsprozesse kultureller Codes im frühen Islam

Prof. Dr. Bärbel Beinhauer-Köhler (Philipps-Universität Marburg)

7. Dezember 18 Uhr c.t.

Foto: Privat

Auch wenn subjektive Gefühle historisch nicht zu erfassen sind, so lassen sich doch teilweise ihre gesellschaftlichen Normierungen i.S. der „Gefühlsnavigation“ (Reddy) nachzeichnen. Mehrere Genres weisen in Gesellschaften im führen Islam zurück, wie Berichte über Kriege (maghazi), die Prophetenbiographie (sira) sowie bereits nach Inhaltsclustern sortierte Hadith-Sammlungen. Innerhalb einer ihre Identität entfaltenden Gesellschaft wird dabei auffällig häufig ein elementarer menschlicher Effekt, das Weinen, beschrieben: wenn frühe Muslime starben, wenn Märtyrererzählungen solche Tode überhöhten oder explizite Anweisungen für die trauernden Hinterbliebenen empfohlen wurden. Dies verweist auf Aushandlungsprozesse islamisch-theologischer Ideen, auf Abgrenzung von historisch älteren Verhaltensmustern und ebenso auf weitere damalige Motivationen zu weinen: Hierzu zählen religiöser Rührung, asketische Weltabgewandtheit, Buße oder sozialer Protest. Gerade die performativen Akzente, die aus Narrationen sprechen, lassen ein großes Gefühl an der Schnittstelle von gesellschaftlichem Wandel und persönlicher Bewegtheit akzentuierter wahrnehmen.