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Institution

Festzug Behring-Feier der Universität Marburg, 1940
Foto: Behring zum Gedächtnis, public domain
„Festzug anlässlich der Behring-Feier der Universität Marburg, 1940“, in: Historische Bilddokumente <https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/bd/id/31-010> (Stand: 8.3.2011)

Die Route des Festzugs anlässlich der Behring-Feier 1940 führt an der Alten Universität vorbei. Die Bevölkerung am Straßenrand ist deutlich auf dem Foto zu erkennen. Die Stadt und die Universität Marburg gedachten mit einer Reihe von Veranstaltungen und der Enthüllung des Behring-Denkmals (heute Ecke Deutschausstraße - Pilgrimstein) dem 50 Jahrestag der Entdeckung der Serumtherapie. Wie inszenierte sich die Universität dabei, wie sah sie sich selbst und wie wollte sie gesehen werden?

Diese Fragen richten den Blick auf die Philipps-Universität als Institution und ihre Praktiken. Zu dieser gehörten u.a. die Leitung mit Rektorat und Kuratorium, die sich in Marburg von personeller Kontinuität auf der einen und vielfältigen Wechseln auf der anderen Seite auszeichnete. Zwischen 1933 und 1945 amtierten insgesamt sechs Rektoren (vier Juristen, ein Mediziner und ein Historiker), während das Kuratorium durchgehend mit Ernst von Hülsen besetzt war. Ferner gehörten zur organisatorischen Verfasstheit der Universität die Fakultäten mit ihren Dekanaten, der Senat, die Verwaltung und die Studierenden. Mit der Umstellung der Verwaltung nach dem Führerprinzip 1933 sahen sich die Universitäten einem umfassenden Maßnahmenkatalog gegenüber, der zu Verschiebungen und neuen Konfliktlinien innerhalb des komplexen universitären Machtgefüges führte. Dazu zählte auch die Einflussnahme von nationalsozialistischen Parteigliederungen wie z.B. des NS- Studentenbundes oder des NS-Dozentenbundes.

Haben Sie zu Aspekten wie beispielsweise zur nationalsozialistischen Geschichte der Fakultäten, des Studierendenwerkes oder des Universitätsbundes geforscht? Haben Sie sich u.a. mit Gedenkfeiern an der UMR, der Wiederöffnung nach 1945, Fragen der Arisierung oder von Restitution, den Umgang der UMR mit der nationalsozialistischen Geschichte oder auch mit der Entwicklung von Mitgliedschaften in nationalsozialistischen Vereinigungen beschäftigt? Welche Themen sehen Sie noch an dieser Stelle? auf Ihre Ergebnisse und Texte für diese Webseite.

Marburger Universitätsbund

Das ist das Cover des Universitätsbundes 1937
Foto: Universitätsbibliothek Marburg
Universitätsbibliothek Sign. VIII B 1075 i

Der Marburger Universitätsbund, gegründet 1920, begrüßte die nationalsozialistische Machtübernahme. Bereits 1933 zeigen die Auswahl der Vorträge, ein veröffentlichtes Sonderheft und die Rede des Vorsitzenden Adolf Haeuser während der Hauptversammlung, dass der Marburger Universitätsbund den nationalsozialistischen Zielen offen gegenüberstand. Auch für die vom Universitätsbund organisierte Rede von Franz von Papen 1934 in Marburg ist inzwischen herausgearbeitet, dass diese nicht als gezielt geplante Kritik des Universitätsbundes am Nationalsozialismus verstanden werden kann. Vielmehr wussten die Organisatoren bis zur Rede selbst weder etwas über das Thema noch über den Inhalt. Gleichzeitig verwahrte sich der Bund allerdings gegen jede Veränderung, die seine Autonomie gefährdet hätte. Dazu gehörte der erfolgreiche Versuch, das Führerprinzip nicht mit in die Satzung des Universitätsbundes aufzunehmen. Sie können sich beim Universitätsbund weiter in seine Geschichte vertiefen.
Vertiefung: Pawelletz, Jörg: Die Geschichte des Marburger Universitätsbundes 1920 - 1957 , Marburg 2009.

NS - Raubgut an der Universitätsbibliothek

Foto: Universitätsbibliothek Marburg
Cover von Conze, Reifenberg: Displaced-Books. NS-Raubgut in der Universitätsbibliothek Marburg. Marburg 2006.

Wissenschaftliche Bibliotheken und damit auch die Universitätsbibliothek Marburg waren im Dritten Reich häufig Nutznießerinnen von Enteignungen und Beschlagnahmungen. Sie profitierten von der staatlich organisierten Ausplünderung verfolgter Personen und der während des Krieges besetzten Gebiete. Die Universitätsbibliothek Marburg hat im Herbst 1999 mit der Recherche nach NS-Raubgut begonnen und inzwischen fast alle in Frage kommenden Zugänge aus den Jahren 1933 bis 1950 durchgesehen. Die Titel der Bücher und die darin aufgefundenen Besitzvermerke wurden in der Datenbank "Lost Art" des "Deutschen Zentrum für Kulturgutverluste" erfasst und öffentlich zugänglich gemacht. Bis heute wurden etwa 110 Bände zurückgegeben bzw. blieben auf Wunsch der rechtmäßigen Besitzer*innen in der Universitätsbibliothek. Die Recherche nach den ehemaligen Eigentümer*innen ist allerdings schwierig und sie führt direkt in die strukturellen Aspekte von Wiedergutmachung und Restitution nach 1945. Weiterführende Beschreibung finden sie in der Projektdarstellung der Universitätsbibliothek. Und auch der Band zu einer 2006 mit Studierenden erarbeiteten Ausstellung beschreibt die Thematik NS-Raubgut und die Suche nach den ehemaligen Eigentümer*innen nachdrücklich: Displaced Books. NS-Raubgut in der Universitätsbibliothek Marburg. Hrsg. von Eckart Conze und Bernd Reifenberg. Marburg: Universitätsbibliothek, 2006.

NS-Raubgut im Museum für Kunst- und Kulturgeschichte

Porträt des Kunsthistorikers Prof. Richard Hamann
Foto: Universitätsarchiv Marburg / Bildersammlung
Prof. Richard Hamann

Genauso wie Bibliotheken profitierten auch Museen und Kunstsammlungen von verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut. So stammen zwei der zwischen 1933 und 1945 erworben Gemälde des Museums aus einem direkten Ankauf von einer jüdischen Familie. Sie musste ihren Besitz vor dem Hintergrund ihrer anstehenden Emigration unter Wert veräußern. Zudem konnte ein 1986 erworbenes Bild diesem Kontext zugeordnet werden. Ein weiterer Schwerpunkt der aktuell stattfindenden Forschungen zu verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut ist die Sammlung von Prof. Dr. Richard Hamann. Hamann war u.a. als Mitarbeiter im Kunstschutz im besetzten Belgien und Frankreich tätig. Es ist daher möglich, dass er dort für seine private Sammlung Objekte erwarb, die später Universitätsbesitz wurden. Zudem werden die handelnden Akteure, die mit dem Universitätsmuseum direkt oder indirekt in Verbindung standen, näher beleuchtet. Zu nennen sind vor allem Ernst von Hülsen, Kurator der Universität; Albrecht Kippenberger, Direktor des Museums; und Hans Krawielitzki, Landrat des Kreises Marburg sowie Kreisleiter der NSDAP. Vertiefung: Provenienzforschung zu ausgewählten Beständen des Kunstmuseum Marburg. Heyer, Esther; Peyronnet-Dryden, Florence de; Langbrandtner, Hans-Werner (Hrsgg.): „Als künstlerisch wertvoll unter militärischem Schutz!“ : ein archivisches Sachinventar zum militärischen Kunstschutz im Zweiten Weltkrieg, Wien; Köln, 2022. Kirschner, Albrecht: Universitätskurator Ernst von Hülsen und der Nationalsozialismus. Erarbeitet im Auftrag der Präsidentin der Philipps-Universität Marburg, Marburg 2016.

Die Medizinische Fakultät

Medizinische Fakultät, Internist E. Schwenkenbecher während einer Vorlesung. Er trägt eine Uniform unter dem Kittel.
Foto: Inst. f. Geschichte d. Pharmazie und Medizin
Prof. Alfred Schwenkenbecher, Marburger Internist, lehrt in Uniform und Arztkittel in einem Marburger Hörsaal

Die Medizinische Fakultät der Universität Marburg zeichnet sich über den gesamten Zeitraum des „Dritten Reiches“ gesehen durch eine hohe Mitgliedschaftsrate ihrer wissenschaftlichen Angehörigen aus. 92 % aller Fakultätsangehörigen waren Mitglied mindestens einer nationalsozialistischen Organisation. Das ist im Vergleich zur gesamten Ärzteschaft wie auch zu anderen Berufsgruppen ein überdurchschnittlich hoher Wert. Erkennbar ist auch, dass insbesondere die jüngeren Oberärzt*innen und Dozent*innen für die nationalsozialistische Ideologie empfänglich waren. Sie hofften bei zumindest angepasstem Verhalten auf bessere Karrierechancen. Allerdings nutzten auch die älteren Ordinarien mögliche Handlungsspielräume kaum. Sie versuchten eher, Partei, Staat und Ministerialbürokratie gegeneinander auszuspielen und überkommene akademische Gepflogenheiten zu wahren. Die administrative Gleichschaltung verlief an der Medizinischen Fakultät ohne erkennbaren Widerstand ebenso wie die Entlassungen politisch und „rassisch“ verfolgter „Dozent*innen. Angesichts des virulenten Antisemitismus‘ war hier die Zahl jüdischer Professor*innen und Studierender zudem erkennbar geringer als an anderen Standorten. Mediziner*innen waren nicht nur als Lehrende bzw. Forschende an der Universität tätig, sondern sie behandelten als Ärzt*innen auch Patient*innen und waren damit direkt in die Umsetzung der NS-Rassenhygiene involviert: als Gutachter, als anzeigende Instanz, als Richter am Erbgesundheitsgericht und schließlich als Operateur einer durchzuführenden Zwangssterilisation nach dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“. 
Vertiefung: Aumüller, Gerhard; Grundmann, Kornelia; Krähwinkel, Esther u.a.: Die Marburger Medizinische Fakultät in „Dritten Reich“, München 2001. Digitale Ausstellung Eugenik und NS-Euthanasie von Dirk Petter, neu herausgegeben und eingeleitet von Bernhard Rosenkötter, Marburg 2017.