01.04.2020 "Sicherheit in der Krise" - Die neue Beitragsreihe des SFB 138 in Kooperation mit Soziopolis
In der neuen Soziopolis-Beitragsreihe “Sicherheit in der Krise” publizieren SFB-Mitglieder und Assoziierte Beiträge mit dem Themenschwerpunkt Sicherheitstechniken in der Corona-Krise.
Die aktuelle Krise um die Atemwegserkrankung Covid-19 ist in doppeltem Sinne eine Krise der Sicherheit. Zum einen kommt in der Krise ein breites Repertoire an Sicherheitstechniken zum Einsatz, das weit über Formen des Gesundheitsschutzes hinaus reicht. Die Sorge gilt nicht allein Körpern, sondern auch Lieferketten, Infrastrukturen und kollektiven Affekten. Zum anderen erweisen sich in Krisenzeiten hergebrachte Sicherheitstechniken als unzureichend, defizitär oder reformbedürftig. Verfahren mit einer langen Geschichte werden unter neuen Bedingungen reaktualisiert. So erlebt die frühneuzeitliche Quarantäne von Schiffen eine Rückkehr, der Hausarrest wird in Kontexte liberalen Regierens von Zirkulationsbewegungen eingefügt, die Sorge um die öffentliche Ordnung revitalisiert Logiken der frühmodernen medizinischen Polizey. Maßnahmen wie die Verfolgung von Hochrisikokontakten („tracking“), die Ausweispflicht oder das Vorgehen gegen Gerüchte werden auf eine neue medientechnische Basis gestellt. Insgesamt wird Sicherheit in der aktuellen Situation damit zugleich hypervirulent und zum Experiment. Die Krise ruft Sicherheitsmaßnahmen mit größter Dringlichkeit auf den Plan und setzt sie zugleich einem grundsätzlichen Test aus.
Auf Soziopolis soll dieser komplexe Zusammenhang in einer Reihe von Beiträgen ausgeleuchtet werden. Ausgehend von konkreten Repertoires und Heuristiken der Sicherheit gilt es, gegenwärtige Problemkonstellationen zu analysieren und dabei insbesondere in ihrer historischen Tiefendimension zu erfassen. Initiiert und kuratiert wird diese Reihe vom Sonderforschungsbereich/Transregio 138 „Dynamiken der Sicherheit“. Dessen interdisziplinäre Perspektiven ermöglichen eine sozial- und geisteswissenschaftliche Analyse der Corona-Krise. Die Reihe fragt: Welche Repertoires und Heuristiken der Produktion von (Un)Sicherheit kommen aktuell zum Einsatz? Welche Wissensformen und Problematisierungen werden wirkmächtig, was gilt als praktikable Lösung und legitime Expertise? Was sind die entscheidenden Räume und Temporalitäten der Sicherheit? Wo endet Sicherheit, was erscheint als nicht sicherheitsrelevant? Und welche historischen Kontinuitäten und Diskontinuitäten lassen sich bei alldem beobachten?