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Teilprojekt B04
Die Sicherheit des Staates und die Sicherheit vor dem Staat in Europa, Russland und den USA im 19. Jahrhundert

1. Förderphase (2014-2017)

Der Schutz politischer Führungsfiguren und ihrer Berater war schon immer eine besonders wichtige Aufgabe innerer Sicherheit. Die tiefgreifenden Veränderungen der “Sattelzeit” (Reinhart Koselleck) um 1800 stellten die herrschenden Sicherheitsregime jedoch vor besondere Herausforderungen. Denn mit der Entstehung alternativer politischer Ordnungsentwürfe wurden in der Person von Staatsoberhäuptern, Regierungen und Volksvertretern auch die politischen Ordnungen angegriffen, die sie repräsentierten und aufrechterhielten.Deshalb geht das geplante Teilprojekt der Frage nach, wie die von den Veränderungen der Sattelzeit zuerst und unmittelbar betroffenen Gesellschaften – Europa, Russland und die Vereinigten Staaten von Amerika – sicherheitspolitisch auf die kollektive und individuelle Gewalt reagierten, die ein immanenter Bestandteil der Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft und der Ausbildung des Nationalstaats war.

Es behandelt also die Sicherheitsmaßnahmen, mit denen Staatsoberhäupter, Regierungen, führende Politiker und betroffene Bevölkerungsgruppen auf die Revolutionen, Gegenrevolutionen und Aufstände um 1800 reagierten, um sich und ihre gesellschaftspolitische Ordnung zu schützen. Dabei behandelt das Projekt den Zeitraum von etwa 1770 bis 1830, also vom Ancien Régime über die revolutionäre Ära und die Zeit der Revolutions- und Napoleonischen Kriege bis hin zum Wiener Kongress und der Zeit der Restauration.

Konkret liegt der Fokus des Teilprojekts auf der Entstehung und Entwicklung der revolutionären und restaurativen Sicherheitsregime. Ein Arbeitsvorhaben innerhalb des Teilprojekts vergleicht auf exemplarische Weise die Sicherheitspraxis und –kultur in der Amerikanischen und Französischen Revolution, ein zweites untersucht anhand ausgewählter Beispiele die sicherheitspolitischen Reaktionen europäischer Monarchien.

Die drei Schlüsselbegriffe des Sonderforschungsbereichs – Kommunikationsprozesse, Raum und Akteure – leiten die Analyse. Das heißt, dass 1) der Diskurs über die Sicherheit von Staatsoberhäuptern und Regierungsangehörigen einerseits sowie der allgemeinen Bevölkerung andererseits, 2) die materielle Umgebung von Staatsoberhäuptern und ihren Sicherheitsexperten sowie 3) die Sicherheitsexperten selbst (etwa Sicherheits- und Überwachungskomitees, Eliteregimenter, Garden, reguläre und irreguläre Milizen oder die entstehende Geheimpolizei) und ihre Praktiken die primären Gegenstände der Untersuchung darstellen.

Übergreifendes Ziel des Teilprojekts ist es, Versicherheitlichungsprozesse, die den Staat und seine Repräsentanten zum Gegenstand haben, sowie ihre Folgen zu untersuchen. Hypothese ist erstens, dass Gewalt in Form der Bedrohung von Staatsoberhäuptern, wichtigen Politikern sowie der politischen Ordnung von zentraler Bedeutung war für den Auf- und Ausbau eines national security state (Michael Hogan) im Europa des 19. Jahrhunderts. Die zweite Hypothese ist, dass die Durchsetzung der Menschen- und Freiheitsrechte von Beginn an mit ihrer sicherheitsbedingten Einschränkung und neuen Formen der Gewalt einherging. Die Versicherheitlichung aufseiten des Staates schuf an anderer Stelle neue Unsicherheiten. Angesichts sozialwissenschaftlicher Analysen vom sicherheitspolitischen Bedeutungsverlust des Nationalstaats fragt das geplante Teilprojekt, wie der Nationalstaat auch und gerade in Bezug auf seine eigene Existenz zum sicherheitspolitischen Akteur wurde. Damit zielt es auf die Entstehung des Sicherheitsbegriffs, der bis in die jüngste Vergangenheit Gültigkeit hatte.

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