Mittelalterliche Buchhandschriften des Klosters Corvey digital
DFG-Projekt 2020-2021
Als vor rund 200 Jahren im Zuge der Säkularisation das Kloster Corvey aufgelöst wurde, endete auch die Geschichte einer Bibliothek, deren Anfänge weit in das 9. Jahrhundert zurück reichen und die bis ins 12. Jahrhundert zu den bedeutendsten Klosterbibliotheken Mitteleuropas zählte. In der Folge gelangten umfangreiche Buchbestände an andere Institutionen und im September 1812 erhielt auch die Marburger Universitätsbibliothek auf diese Weise zahlreiche Bücher aus der Corveyer Bibliothek. Heute gehören 35 mittelalterliche Buchhandschriften, 104 Inkunabeln und zahlreiche Drucke aus Corvey zu den wichtigsten und wertvollsten Beständen in der Sammlung der Universitätsbibliothek Marburg. Die Bücher Corveyer Provenienz als Sammlung und als Teil einer kulturgeschichtlich bedeutenden Bibliothek der Forschung zur Verfügung zu stellen, ist für die Universitätsbibliothek Marburg eine wichtige Aufgabe.
Gemeinsam und in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen und mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern befasst sich die Universitätsbibliothek Marburg seit rund zehn Jahren intensiv mit den Corveyer Beständen. So wurde die Ausstellung »Tausend Jahre Wissen – Die Rekonstruktion der Bibliothek der Reichsabtei Corvey« (9. November 2011 bis 12. Februar 2012, Landgrafenschloss Marburg) gemeinschaftlich von der Universitätsbibliothek Marburg und der Erzbischöflichen Bibliothek Paderborn erarbeitet. Einen wichtigen Anknüpfungspunkt stellte dafür das Projekt »Kloster und Schloss Corvey als Orte abendländischer Bildungs- und Mediengeschichte« dar, das am Lehrstuhl für Materielles und Immaterielles Kulturerbe der UNESCO der Universität Paderborn, Prof. Dr. Eva-Maria Seng, in Kooperation mit der Erzbischöflichen Akademischen Bibliothek Paderborn in den Jahren 2008 bis 2010 durchgeführt wurde.
Im Fokus des Projekts „Mittelalterliche Buchhandschriften der Klosterbibliothek Corvey digital“, das nun von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wird, stehen die mehr als 150 erhaltenen Buchhandschriften und Fragmente Corveyer Provenienz, die aktuell auf 51 Institutionen weltweit verteilt sind. Heute befinden sich die mit 60 Handschriften größten noch zusammenhängenden mittelalterlichen Buchbestände an der Universitätsbibliothek Marburg und an der Erzbischöflichen Akademischen Bibliothek in Paderborn. Beide Einrichtungen haben sich zusammengeschlossen, um die Corveyer Bestände virtuell zusammenzuführen, so dass eine kohärente Geschichte der Bibliothek erstmals möglich wird.
Ziel des Projekts ist es, die in Marburg und Paderborn befindlichen Handschriften Corveyer Provenienz an der Universitätsbibliothek Marburg nach DFG-Vorgaben zu digitalisieren. Außerdem wird die Digitalisierung von Streubeständen an deutschen Einrichtungen vor Ort in Auftrag gegeben. Schließlich sollen alle Digitalisate mit den vorhandenen Beschreibungsdaten an der Universitätsbibliothek Marburg in einem Web-Portal erfasst und somit wieder im Zusammenhang präsentiert werden. Dabei wird auch der übrige weltweite Streubesitz an Handschriften soweit wie möglich über das Portal zugänglich gemacht werden.
Im Vergleich zu anderen virtuellen Rekonstruktionen bedeutender mittelalterlicher Bibliotheken sieht sich das Projekt beim Aufbau des Corvey-Portals mit zwei besonderen Herausforderungen konfrontiert: Zum einen ist kein mittelalterlicher Bibliothekskatalog aus Corvey überliefert, so dass die Provenienzen allein auf der Zuschreibung durch die Forschung basieren. Zum anderen haben wir es mit einer komplexen Bibliotheks- und Bestandsgeschichte zu tun. Nicht wenige der mittelalterlichen Handschriften kamen nämlich erst nach der Reformation während der Zeit der Konfessionalisierung aus dem Kloster Bursfelde nach Corvey. Beides, die Zuschreibung der Provenienz und die Mehrfachprovenienzen, gilt es im Portal transparent darzustellen.
Projektlaufzeit:
2020-2021
Förderer:
Deutsche Forschungsgemeinschaft
Projektpartner:
Erzbischöfliche Akademische Bibliothek Paderborn
Prof. Dr. Hans-Walter Stork
hans-walter.stork@eab-paderborn.de
Kontakt:
Projektleitung:
Dr. Diana Müller
diana.mueller@ub.uni-marburg.de
Projektkoordination:
Alexander Maul M.A.
alexander.maul@ub.uni-marburg.de