02.05.2019 Von mittelalterlichen Klöstern zu modernen Institutsgebäuden – Band zur Baugeschichte der Philipps-Universität Marburg erschienen
In den Jahren nach ihrer Gründung 1527 wurden der Marburger Universität drei Klostergebäude in der Stadt übergeben, in denen Hörsäle, die Bibliothek, aber auch Wohnräume für Professoren und Studenten untergebracht waren. Fast 300 Jahre dauerte es, bis die Universität weitere Gebäude erhielt – Altbauten aus dem Besitz des Deutschen Ordens und schließlich auch eigens für ihre Zwecke errichtete Neubauten. Nach 1866, als Kurhessen preußisch geworden war, setzte ein wahrer Bauboom ein.
In einem neu erschienenen Band der Schriftenreihe zur Universitätsgeschichte „Academia Marburgensis“ sind neun Beiträge zu ganz verschiedenen Gebäuden bzw. Themen aus der Baugeschichte der Universität versammelt. Aus dem Blickwinkel der Bauarchäologie, der Geschichte, der Architekturgeschichte und der Wissenschaftsgeschichte ist die Entstehung und Nutzung von einzelnen Gebäuden und Gebäudegruppen dargestellt, die die bislang eher wenig bearbeitete Baugeschichte der Philipps-Universität Marburg ergänzen.
Als ein Beispiel soll hier die Baugeschichte des ab 1873 abgerissenen ehemaligen Dominikanerklosters vorgestellt werden. Ulrich Klein M. A. rekonstruiert aus den Unterlagen, die der Universitätsbaumeister Carl Schäfer beim Abriss der Gebäude erstellte, die Baugeschichte der mittelalterlichen Anlage mit ihren fünf Bauphasen. Bald nach der Klostergründung 1291 wurde der Chor der heute noch bestehenden Kirche errichtet. Auch der nördliche Teil des Ostflügels der Konventsgebäude und ein quadratischer Kreuzgang gehören in diese erste Bauphase. Bis 1420 ließen die Mönche das zweischiffige Langhaus anfügen und an der Südseite des Kreuzgangs in seinen Innenraum hinein einen weiteren Gebäudeflügel mit Kapitelsaal errichten, so dass nun ein rechteckiger Kreuzgang entstand. In einer dritten Phase ab 1450 wurde der Ostflügel wesentlich verlängert und westlich daran eine neue Küche angebaut. 1484 ließ man den Kreuzgang erneuern und verbreiterte ihn nach Westen. Um 1521 erfolgte noch der Neubau des großen Hauses des Priors, das, wie auf älteren Plänen zu erkennen, getrennt von den übrigen Gebäuden westlich des Klosterkomplexes stand. Dass über 130 Jahre nach dem Abriss dieser Gebäude und tiefer Erdarbeiten zur Errichtung der heutigen Alten Universität 1873-1891 die Baugeschichte noch nachvollzogen werden kann, ist auch dem Umstand geschuldet, dass Carl Schäfer sich darum bemühte, das neue Universitätsgebäude weitgehend auf dem alten Grundriss zu errichten. So kommt es immer wieder dazu, dass Besucherinnen und Besucher zunächst davon ausgehen, vor oder in einem mittelalterlichen Kloster zu stehen.
Der Beitrag von Ulrich Klein, aus dem das obige Beispiel stammt, enthält auch bauarchäologische Bemerkungen zu den anderen beiden mittelalterlichen Klostergebäuden Barfüßer- bzw. Franziskanerkloster und Kugelhaus. Außerdem wird in dem Band von Katharina Schaal, die zugleich Herausgeberin ist, die Geschichte des früheren Backhauses des Deutschen Ordens und heutigen Mineralogischen Museums sowie die Gründe für seine Erhaltung und Übergabe an die Universität behandelt, Carsten Lind geht auf den Umbau der Franziskanerkirche zur Reithalle ein und weist nach, dass hier um 1730 kein kompletter Neubau vorgenommen wurde. Christian Reichardt stellt die „Baugeschichte“ des Fachbereichs Chemie und aller seiner Vorgängerinstitute dar. Ulrich Klein gibt einen umfangreichen Überblick über die Universitätsbauten im Marburger Norden von der Ketzerbach über die Robert-Koch-Straße zur Bahnhofstraße und wieder zurück zum Firmaneiplatz, wo vor allem Kliniken errichtet wurden. Jutta Schuchard widmet sich den Baumeistern und Architekten der Universität bis um 1900. Ulrike Enke beschreibt die Bau- und Umbaugeschichte von Emil von Behrings sog. Schlossberglaboratorium. Katharina Schaal und Ulrich Klein stellen gemeinsam die Entstehungs- und Architekturgeschichte des Physikalischen Instituts dar und Christoph Otterbeck beschreibt den Anteil Richard Hamanns an der Einrichtung eines Kunstmuseums in Marburg.
Katharina Schaal (Hrsg.) Von mittelalterlichen Klöstern zu modernen Institutsgebäuden. Aus der Baugeschichte der Philipps-Universität Marburg (Academia Marburgensis 15), 278 S. mit zahlr., meist farbigen Abb., Waxmann-Verlag Münster
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