22.02.2018 Neuerscheinungen über zwei wichtige Persönlichkeiten der Philipps-Universität im 19. und 20. Jahrhundert
Arbeitskreis Universitätsgeschichte lässt die Buchreihe Academia Marburgensis wieder aufleben
Der Arbeitskreis Universitätsgeschichte der Philipps-Universität Marburg präsentierte am 6. Mai zwei Neuerscheinungen in der Reihe „Academia Marburgensis“. Die im Waxmann-Verlag erschienenen Monographien behandeln ganz unterschiedliche, für die Geschichte der Universität wichtige Personen und deren Schaffen. Eine Neuerscheinung befasst sich mit dem Gründer des Instituts für Zoologie an der Philipps-Universität Blasius Merrem. Die zweite Publikation widmet sich dem Pazifisten und Kritiker des Nationalsozialismus Albrecht Götze, der 1933 aus dem akademischen Dienst entlassen wurde.Universitätskanzler Dr. Friedhelm Nonne dankte dem Arbeitskreis, der sich 2009 neu konstituiert hatte, für das Wiederaufleben der Buchreihe Academia Marburgensis. „Die beiden Werke tragen zu einer kritischen Reflexion der historischen Entwicklung in und um die Universität bei“, sagte Nonne. „Sie geben Lehrenden und Studierenden Impulse, über ihre eigene wissenschaftliche Arbeit nachzudenken.“ Der Sprecher des Arbeitskreises, Neuzeithistoriker Prof. Dr. Christoph Kampmann, betonte: „Unser Ziel ist es, die Beschäftigung mit der Geschichte unserer Universität in allen Fachbereichen und Fächern zu verankern.“
Christoph Friedrich, Professor für Geschichte der Pharmazie an der Philipps-Universität, stellte das Buch „Von der Naturgeschichte zur Zoologie. Blasius Merrem und die Entwicklung der Zoologie an der Universität Marburg im 19. Jahrhundert (1807 bis 1928)“ des Marburger Biologen Prof. Dr. Hans Wilhelm Bohle vor. Bohle geht von dem Schaffen des Gründers des Marburger Instituts für Zoologie aus. Merrem wirkte zu einer Zeit, in der an den deutschen Universitäten ein Prozess der Verselbständigung der Naturwissenschaften und ihrer Befreiung aus der Rolle als Hilfswissenschaften der Medizin begann. „Er war einer der letzten Universalgelehrten“, charakterisierte Friedrich den Institutsgründer. Merrem kam Anfang des 19. Jahrhunderts als Professor für Staatswissenschaften nach Marburg, bevor er auch den Lehrstuhl für Botanik übernahm und schließlich Professor für Naturgeschichte wurde. Merrem habe die Linné’sche Systematik der Tierarten reformiert. Seine zoologischen Arbeiten beispielweise zur Verwandtschaft von Vögeln, Säugetieren und Amphibien blieben Fragment und wurden erst nach seinem Tod als zukunftsweisend anerkannt. Bohles Buch greift über die Zeit Merrems hinaus und schildert die Entwicklung des Instituts und der Zoologie bis in das erste Viertel des 20. Jahrhunderts.
Der Marburger Germanist Dr. Harald Maier-Metz stellte seine Arbeit „Entlassungsgrund: Pazifismus. Albrecht Götze, der Fall Gumbel und die Marburger Universität 1930-1946“ vor. Das Buch beleuchtet anhand umfangreicher Archivmaterialien und biographischer Zeugnisse die Vorgeschichte und den Vorgang der Entlassung des Semitistik- und Altorientalistik-Professors Albrecht Götze, der von 1930 bis 1933 an der Philipps-Universität lehrte. Er wurde von den nationalsozialistischen Machthabern wegen „pazifistischer Einstellung“ des Amtes enthoben. Ihn traf die reichsweite Verfolgungswelle gegen die politischen Unterstützer des Heidelberger Hochschullehrers Emil Gumbel, einem prominenten Pazifisten und Kritiker des Nationalsozialismus. Götze und Gumbel waren lebenslang eng befreundet. „Beide erhoben ihre Stimme gegen die Militarisierung der Weimarer Gesellschaft und den Aufstieg der Nationalsozialisten“, sagte Maier-Metz. Antidemokratisches Denken sei in dieser Zeit bei vielen Marburger Hochschullehrern verbreitet gewesen. Götze habe seine pazifistische und kritische Haltung nicht verborgen und sei regelrecht denunziert worden. Maier-Metz gibt im Buch außerdem Einblick in die Situation der im Exil lebenden Akademiker. 1934 kam Götze in die USA, wo er sich an der Universität Yale zu einem international führenden Vertreter seines Faches entwickelte. Er lehrte dort bis zu seiner Emeritierung. Auf sein Angebot, den Wiederaufbau der Altorientialistik nach 1945 in Marburg als Gastprofessor zu begleiten, ging die Universität nicht ein. Maier-Metz liefert einen wichtigen Baustein zur Erforschung der Geschichte der deutschen Hochschulen im Übergang von der Weimarer Republik zum Nationalsozialismus. Er leistet auch einen Beitrag zur Klärung der Rolle akademischer Eliten im Prozess der Selbstgleichschaltung der Universitäten und ihrer Folgen nach 1945.
Weitere Informationen:
Hans Wilhelm Bohle, Von der Naturgeschichte zur Zoologie. Blasius Merrem und die Entwicklung der Zoologie an der Universität Marburg im 19. Jahrhundert (1807-1928), Band 12 der Reihe Academia Marburgensis
Harald Maier-Metz, Entlassungsgrund: Pazifismus. Albrecht Götze, der Fall Gumbel und die Marburger Universität 1930-1946, Band 13 der Reihe Academia Marburgensis