Hauptinhalt

Landgraf Philipp zieht das Deutschordenshaus Marburg zur Finanzierung der Universität heran

Vermerk der Zahlung von 30 Gulden am 1. Mai als erste Hälfte der Zahlung von 60 Gulden pro Jahr zum Unterhalt der Universität durch den Deutschen Orden in der Universitätsrechnung 1548. Dabei handelt es sich um die letztmalige Zahlung dieses Zuschusses an die Universität vonseiten des Deutschen Ordens. UniA Marburg 305o Nr. 96

 

Landgraf Philipp von Hessen lud im Oktober 1526 zur Homberger Synode ein, um über die Grundsätze der Einführung der Reformation in seinem Fürstentum zu beschließen. Ein Jahr später wurden mit dem Kasseler Landtagsabschied alle Klöster und Stifter in seinem Herrschaftsbereich aufgelöst. Mit den dadurch freiwerdenden Mitteln sollte unter anderem die Universität in Marburg, an der sich seit dem 30. Mai 1527 junge Männer zum Studium einschrieben, finanziert werden. Die Mönche und Nonnen verließen fast alle ihre Klöster im darauffolgenden Jahr mehr oder weniger freiwillig, der Grundbesitz ging in die Verfügungsgewalt des Landesherrn über.

Zwar hatte Landgraf Philipp das Marburger Ordenshaus 1527 besetzen lassen, um es ebenfalls aufzuheben und seinen Besitz einzuziehen, musste seinen Verwalter aber Ostern 1528 weitgehend unverrichteter Dinge wieder abziehen, da sich die Ordensmitglieder wehrten, ihren Ordensoberen, den Deutschmeister, in die Lösung des Konflikts einbanden und mit einer Klage vor dem Reichskammergericht drohten. Der Deutsche Orden verstand sich mit allen seinen Gliederungen als reichsunmittelbar und versicherte sich des Schutzes Kaiser Karls V. Im Zuge dieser Auseinandersetzung wurden die Marburger und weitere hessische Niederlassungen 1543-1545 ein zweites Mal besetzt, die Säkularisation gelang dem Landgrafen im Gegensatz zu den übrigen Klöstern und Stiftern in seinem Fürstentum jedoch nicht.

Einer der zahlreichen Nadelstiche Philipps im Zuge dieser Auseinandersetzung war die Forderung, einen Beitrag zur Finanzierung der Universität zu leisten. Im Zusammenhang mit dem Abzug des landgräflichen Verwalters Ostern 1528 war eine Vereinbarung getroffen worden, die u.a. die Zahlung des Deutschen Ordens von 60 Gulden jährlich an die Universität vorsah. Dabei handelte es sich um etwas weniger als ein Jahresgehalt der weniger gut besoldeten Professoren in der Artistenfakultät. Diese Zahlung in zwei Raten jährlich wurde 1540 in der Donationsurkunde festgeschrieben, die die Universitätsfinanzierung in ihren Grundzügen für die nächsten Jahrhunderte festschrieb, und lässt sich bis ins erste Halbjahr 1548 nachweisen.

1537 verlangte der Landgraf dann, zwölf Studenten in das Deutsche Haus aufzunehmen. Da zwölf Priesterbrüder durch die Einführung der Reformation nicht mehr in der Ordensniederlassung unterhalten werden müssten, sollten zwölf Theologiestudenten finanziert werden. Der Landkomtur konnte die Zahl in Verhandlungen auf acht reduzieren, die 20 Gulden jährlich erhalten und wegen eines möglicherweise ungünstigen Einflusses auf die Ordensmitglieder auch nicht im Haus wohnen sollten. Ab dem Jahr 1540 wurden 160 Gulden jährlich zu diesem Zweck entrichtet. Nach einer Zahlung Ende 1545 erfolgte zwei Jahre kein Eintrag in die Rechnung des Deutschen Ordens, Ende 1548 ist noch einmal die volle Summe verbucht, Anfang 1550 die halbe.

1549, als Landgraf Philipp nach der im April 1547 verlorenen Schlacht bei Mühlberg in den Niederlanden in Gefangenschaft Kaiser Karls V. saß, schlossen der Deutsche Orden und er den Vertrag von Oudenaarde ab. Der für die Landgrafschaft sehr ungünstige Vertrag sah neben der Rückgabe der Elisabethreliquien und ihres Schreins an den Orden die Abschaffung aller von Philipp auferlegten Zahlungen, abgenötigten Kredite usw. vor, außerdem eine sehr hohe Entschädigungssumme. Das erklärt das Ende der finanziellen Unterstützung der Universität und der Studenten durch den Deutschen Orden.

Die Zahlungen in Höhe von 60 Gulden an die Universität sind sowohl in den Rechnungen des Deutschen Ordens als auch in denen der Universität, soweit sie vorhanden sind, vermerkt. Die acht Stipendien, die immer in einer Summe entrichtet wurden, finden sich nur in den Rechnungen des Deutschen Ordens. 1548 folgt der Hinweis, dass die Summe „denen von Marburg“ überwiesen wurde. Damit gehören sie wohl zu den Stipendien der Stipendiatenanstalt, die Landgraf Philipp mit der Universität gründete und deren erste Organisation im März 1529 in Angriff genommen wurde. Nicht mehr benötigte Priesterpfründen, über die der Landesherr entweder von alters her oder durch die Aufhebung von Klöstern verfügte, wurden von den Städten, in denen sie bestanden, an begabte, aber bedürftige junge Männer verliehen, damit sie Theologie studieren und evangelische Pfarrer werden konnten. Die Universität war in deren Verwaltung nicht eingebunden.

Vorgesehen waren zunächst 15 Gulden pro Jahr und Stipendiat, der Deutsche Orden zahlte 20 Gulden. Die Stipendiaten mussten sich selbst darum kümmern, dass sie das Geld erhielten. Da diese Konstruktion schnell zu Problemen führte, erfolgten mehrere organisatorische Schritte, bis mit der Stipendiatenordnung von 1560 eine für lange Zeit funktionierende Organisation geschaffen wurde, nach der die finanziellen Mittel in Marburg zusammengezogen und an die von den Mittel gebenden Städten ausgewählten Stipendiaten verabfolgt wurden. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Deutsche Orden jedoch schon lange aus deren Finanzierung wieder zurückziehen können.

Katharina Schaal

 

 

Quellen:

HStA Marburg 106b Nr. 89-115, 465-466 (Rechnungen der Deutschordensballei Hessen)

UniA Marburg 305o Nr. 94-98 (Ökonomierechnungen der Universität Marburg)

 

Literatur:

Albert Huyskens, Philipp der Großmütige und die Deutschordensballei Hessen, in: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde 38, 1904, S. 99-184, hier S. 123, 135f.

Heinrich Hermelink und Siegfried A. Kaehler, Die Philipps-Universität Marburg 1527-1927. Fünf Kapitel aus ihrer Geschichte, Marburg 1927, S. 37

Katharina Schaal, Das Deutschordenshaus Marburg in der Reformationszeit. Der Säkularisationsversuch und die Inventare von 1543 (Untersuchungen und Materialien zur Verfassungs- und Landesgeschichte 15), Marburg 1996, S. 12, 15

Katharina Schaal, Zur Geschichte der Hessischen Stipendiatenanstalt 1529-1848, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 67, 2017, S. 161-177, hier S. 163-166