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Landgräfin Amalie Elisabeth wendet sich an Rektor, Dekane und Professoren der Universität Marburg

Die letzten Jahre des Dreißigjährigen Kriegs brachten Marburg und damit auch seiner Universität besonders schwere Zeiten: Nachdem hessen-darmstädtische Truppen 1624 Marburg eingenommen und die kalvinistisch ausgerichtete Universität zum Luthertum zurückgeführt hatten, gelang es hessen-kasselischen Truppen am 1. November 1645, die Stadt wieder zu erobern. Von Mitte November bis zum 15. Januar 1646 dauerte anschließend der Kampf um das Marburger Schloss. Dabei wurden immer mehr Soldaten in der Stadt und auch trotz gegenteiliger Zusicherungen in Professorenhäusern einquartiert. In dieser Situation verließen viele Studenten Marburg, der Universitätsbetrieb kam zum Erliegen. Mit der Kapitulation des hessen-darmstädtischen Kommandanten und seinem Abzug fand die Belagerung ein Ende, Stadt und Universität gehörten faktisch wieder zu Hessen-Kassel.

Am 12. Februar 1646 wurden Vertreter des Stadtrats und der Universität sowie die verbliebenen hessen-darmstädtischen Beamten und Geistlichen auf das Schloss geladen, um der Landgräfin gegenüber einen Huldigungseid abzulegen. Das bedeutete die Abkehr vom Darmstädter Landgrafen Georg, der seinen Marburger Schlosskommandanten nach dessen Kapitulation in Gießen hatte hinrichten lassen und auch in Richtung Marburg drohte. Es bedeutete aber auch die Abkehr vom lutherischen Glauben, da Hessen-Kassel calvinistisch ausgerichtet war. Stadtrat und Bürgerschaft leisteten schließlich den geforderten Eid, die Professoren weigerten sich aber. Für den 11. März wurden sie ein zweites Mal vorgeladen, konnten aber wiederum ohne Huldigung und mit der Zusicherung von vier Wochen Bedenkzeit abziehen. Inzwischen trugen ihre Bemühungen um Unterstützung Früchte und von den an den Osnabrücker Friedensgesprächen Beteiligten lutherischer Konfession ergingen Briefe an die Landgräfin, um sie zur Zurückhaltung gegenüber den Professoren aufzufordern.

Amalie Elisabeth verfasste nun ein Schreiben an Rektor, Dekane und Professoren der Universität Marburg, das zusammen mit einem ähnlichen Schreiben an die Geistlichkeit in einem acht Seiten umfassenden Druck erschien. In dem Text vom 30. Mai legte die Landgräfin dar, dass die Behauptung falsch sei, dass die Professoren zunächst aus den darmstädtischen Pflichten entlassen werden müssten; „[…] wann ihr anders unter uns wohnen, bei ewern Diensten und professionen bleiben, auch mit Weib, Kindern und Gesind neben ewern guetern Unsers Schutzes und Schirms geniessen wollet“, müssten sie die geforderte Huldigung leisten, würden damit aber nicht ihr Gewissen „beschweren“. Nachdem die „der Ausgburgischen Confession verwandten Fürsten naher Oßnabrück zu den allgemeinen Friedens Tractaten verordnete Raethe“ bei ihr interveniert hätten, wolle sie „zur zeit“ auf die „würckliche Pflichtleistung und Handgelöbnüß“ noch verzichten, wenn die Professoren handschriftlich in besiegelten Schreiben zusagten, sich nicht in Streitfragen zwischen den beiden Linien einzumischen, „sondern allerdings still sitzen“, gegen die kasselische Linie „nichts machiniren, moliren oder negotiiren, weniger gegen dieselbe mit schreiben, rathen oder in andere wege gebrauchen lassen“. Die Mandate des hessen-darmstädtischen Landgrafen Georg sollten sie nicht annehmen oder ihnen Folge leisten „noch auch in ewern actibus publicis oder andern bey der Universitet vorgehenden dingen“ des Langrafen oder der Darmstädter Linie „gedencken, Sondern ewern professionen fleissig trewlich abwarten unnd Uns mit administration der Universitet, so lang ihr in Unserm Schutz bleiben werdet, gewehren lassen wollet.“ Die Professoren wurden zur schriftlichen Zusage innerhalb von 14 Tagen aufgefordert oder „wird uns niemand verdencken können, daß wir in dessen verbleibung das jenige vornehmen“, was zur Wahrung der Kasseler Rechte nötig sein werde.

Die Professoren ließen sich allerdings auf diesen Vorschlag nicht ein. Amalie Elisabeth wurde von den Schweden am Durchgreifen gehindert, die Lage blieb ungeklärt. Ende 1647 eroberten mit Hessen-Darmstadt verbündete kaiserliche Truppen Marburg und plünderten die Stadt, mussten aber ohne die Einnahme des Schlosses wieder abziehen. Schließlich verhandelten die beiden hessischen Linien miteinander und einigten sich im April 1648. Marburg fiel endgültig an Hessen-Kassel, die Universität sollte aber gemeinsam verwaltet werde. Aber auch diese Lösung hatte keinen Bestand. 1650 hörte die Universität in Marburg auf zu bestehen. Hessen-Darmstadt errichtete seine Universität erneut in Gießen, wohin die allermeisten Marburger Professoren wieder zogen, in Marburg kam es erst 1653 zur Wiedereinrichtung der Universität.

Der Druck wurde dem Universitätsarchiv im Dezember 2021 von Dr. John Wilcockson geschenkt.

Katharina Schaal