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Exportkontrolle an der Philipps-Universität Marburg
Die Philipps-Universität Marburg unterhält zahlreiche internationale Forschungskooperationen, bildet ausländische Studierende aus und empfängt Gastwissenschaftler und Gastwissenschaftlerinnen. Die Beschäftigten unternehmen Dienstreisen und es werden Wissenschaftsgüter ein- und ausgeführt, wie z.B. wissenschaftliche Proben und Geräte, Software, aber auch Publikationen oder Poster und „geistige Güter“ wie spezifisches Know-How oder z.B. ein gehaltener Vortrag. Diese Wissenschaftsgüter können auch einen doppelten Verwendungszweck haben, also sowohl zivil als auch militärisch verwendet werden. Ist das der Fall, unterliegen sie außenwirtschaftsrechtlichen Beschränkungen. Durch die aktive Teilnahme am Außenwirtschaftsverkehr sind die Philipps-Universität Marburg sowie ihre Mitglieder und Angehörigen dazu verpflichtet, außenwirtschaftsrechtliche Vorschriften einzuhalten. Die grundsätzliche Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre entbindet hiervon nicht.
Der Fokus der deutschen Exportkontrolle liegt darauf, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen sowie die unkontrollierte Weitergabe von konventionellen Rüstungsgütern zu verhindern. Deutsche Exporte in Krisengebiete sollen weder konfliktverstärkend wirken noch zur internen Repression oder anderen schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen beitragen.
Verstöße gegen die außenwirtschaftsrechtlichen Vorschriften können zu Reputationsschäden für die Philipps-Universität sowie zu rechtlichen Konsequenzen auch für die handelnden Personen führen, bis im Extremfall hin zu Geld- oder Haftstrafen. Jede Person und jede Forschungseinrichtung muss daher die eigene Verantwortung im Bereich der Exportkontrolle wahrnehmen und die außenwirtschaftsrechtlichen Vorschriften einhalten.
Um zu prüfen, ob in Ihrem Fall außenwirtschaftsrechtliche Beschränkungen vorliegen könnten, stellen Sie sich bitte folgende Fragen:
WER?
An wen wird geliefert, wer sind die beteiligten Personen? Bitte prüfen Sie zunächst, ob personenbezogene Embargos gegen die Person bzw. Organisation vorliegen (Sanktionslistenprüfung).
Dazu können Sie u.a. folgende Webseiten verwenden:
- Finanzsanktionsliste auf dem Justizportal des Bundes und der Länder
- Übersichtsliste des US State Departments
- Embargo-Übersicht des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
Liegt gegen die Personen oder Organisation ein Embargo vor, dürfen diesen keine wirtschaftlichen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden (unmittelbar oder mittelbar).
WAS?
Welche Güter (Waren, Software und Technologie) werden in das Drittland ausgeführt und handelt es sich dabei um Dual-Use-Güter (Güter mit doppeltem Verwendungszweck) oder Rüstungsgüter? Bitte prüfen Sie dazu die nationale Ausfuhrliste (Anlage zur Außenwirtschaftsverordnung) und die europäische Güterliste (Anhang I oder Anhang IV der EU-Dual-Use-Verordnung*). Wichtig: denken Sie auch an Vorträge im Ausland sowie Publikationsinhalte. Grundsätzlich kann auch bereits die Weitergabe von Informationen per Telefon, E-Mail oder die Bereitstellung von Daten in einer Cloud eine Ausfuhr darstellen und genehmigungspflichtig sein. Auch als „technische Unterstützung“ bezeichnete Dienstleistungen unterliegen den Ausfuhrbeschränkungen.
*Anhang I der EU-Dual-Use-Verordnung listet die Güter mit doppeltem Verwendungszweck, für die eine Genehmigung für die Ausfuhr aus dem Zollgebiet der Union erforderlich ist. Die Liste in Anhang IV der Dual-Use-Verordnung umfasst einen Teil der in Anhang I gelisteten Güter, die bereits eine Genehmigung für die Verbringung innerhalb der EU erfordern.
Sollte es sich bei Ihren Arbeiten um sicherheitsrelevante Forschung handeln (wissenschaftliche Arbeiten, bei denen die Möglichkeit besteht, dass sie Wissen, Produkte oder Technologien hervorbringen, die von Dritten missbraucht werden können), können Sie sich an die hochschulinterne Kommission "Forschung und Verantwortung“ wenden, die zu ethischen Zweifelsfragen im Zusammenhang mit Forschungsaktivitäten berät.
Die Einbindung der Kommission "Forschung und Verantwortung“ entbindet nicht von einer selbstständigen Prüfung von Güterlisten, Sanktionslisten oder Embargos!
WOHIN?
Prüfen Sie bitte, ob gegen das Zielland ein Embargo vorliegt (z. B. Iran, Nordkorea oder Russland). Ist dies der Fall, ist der Außenwirtschaftsverkehr beschränkt. Je nach Umfang der Beschränkungen wird zwischen Totalembargos (vollständiges Verbot des Außenwirtschaftsverkehrs), Teilembargos (Beschränkungen für bestimmte Güter und Dienstleistungen) und Waffenembargos (Verbote des Verkaufs, der Ausfuhr, der Einfuhr und Durchfuhr von Rüstungsgütern und zugehörigen Dienstleistungen) unterschieden. Länderbezogene Beschränkungen können sich ggf. auch auf Personen auswirken, die sich in Deutschland aufhalten, sofern sie einem Embargoland staatsangehörig sind.
WOFÜR?
Wie werden die ausgeführten Güter oder das Wissen verwendet? Wenn eine kritische Endverwendung vorliegt, ist auch dann eine Genehmigung zur Ausfuhr erforderlich, wenn es sich um nicht-gelistete Güter handelt („Catch-all-Kontrolle“).
Sensitive Verwendungszwecke sind z.B. die Verwendung im Zusammenhang mit der Entwicklung, Herstellung, Handhabung, dem Betrieb, der Wartung, Lagerung, Ortung, Identifizierung oder Verbreitung von chemischen, biologischen oder Kernwaffen bzw. eine militärische Endverwendung, wenn das Käuferland oder Bestimmungsland ein Waffenembargoland ist, die Verwendung nichtgelisteter Güter für digitale Überwachung im Zusammenhang mit interner Repression und/ oder der Begehung schwerwiegender Verstöße gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht.
Wenn Ihr Vorhaben einer exportkontrollrechtlichen Beschränkung unterliegt, ist eine Genehmigung des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle einzuholen.
Bitte wenden Sie sich in diesem Fall an die Exportkontrollbeauftragte der Universität, Frau Dr. Hornickel, Tel. 06421-28 27027 (exportkontrolle@uni-marburg.de).
Hilfreiche Dokumente und Links
- Handbuch „Exportkontrolle und Academia“ des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
- Broschüre „Exportkontrolle in Forschung & Wissenschaft“ des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
- Gemeinsames, unverbindliches Stichwortverzeichnis zu Teil I der Ausfuhrliste und des Anhangs I der EU-Dual-Use-Verordnung
- Allgemeine Anmerkungen zu Anhang I der EU-Dual-Use-Verordnung
- Anwendung der Ausfuhrliste
- Güterlisten des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle
Häufig gestellte Fragen zur Exportkontrolle
Welche Bereiche an der Philipps-Universität sind betroffen?
Einer güter- oder verwendungsbezogenen Genehmigungspflicht unterfallen können grundsätzlich alle Tätigkeiten. In folgenden Bereichen ist eine besondere Sensibilisierung angebracht:
Biologie, Medizin, Psychologie, Chemie, Physik, Informations- und Kommunikationstechnologie, technisch orientierte Umweltwissenschaften.
Sind Forschung und Wissenschaft nicht grundsätzlich frei?
Nein, nicht ganz. Universitäten, Forschungseinrichtungen und Wissenschaftler müssen dieselben gesetzlichen Vorschriften einhalten wie die Industrie. Potentielle Missbrauchsrisiken bestehen z. B. bei der Versendung von Geräten oder Proben ins Ausland, bei Forschungskooperationen mit ausländischen Einrichtungen, bei der Zusammenarbeit mit Gastwissenschaftlern am eigenen Institut im Inland, oder auch bei Wissenstransfers (Übermittelung von Wissen per E-Mail ins Ausland) und Veröffentlichungen. Ziel der Exportkontrolle ist es dabei nicht, die Forschung zu beschränken oder die Ergebnisse zu zensieren, sondern deren Missbrauch zu verhindern.
Wie prüfe ich, ob mein Gut einer Genehmigungspflicht unterliegt?
Orientieren Sie sich zunächst an den oben genannten Fragen (Wer, Was, Wohin, Wofür). Ergänzend kann die Überprüfung des Technology Readiness Levels (TRL) hilfreich sein: Ein TRL 1 bis 3 spräche für wissenschaftliche Grundlagenforschung, bei einem TRL von 4 oder größer ist von angewandter Forschung auszugehen. Weitere Hinweise zur Einordnung finden Sie im Handbuch „Exportkontrolle und Academia“ des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle.
Was sind Güter mit doppeltem Verwendungszweck?
Dual-Use-Güter (Güter mit doppeltem Verwendungszweck) sind Waren, Software und Technologie, die üblicherweise für zivile Zwecke verwendet werden, darüber hinaus jedoch auch im militärischen Bereich verwendet werden können.
Welche Güterlisten muss ich prüfen?
Genehmigungspflichten bestehen für Güter, die vom Anhang I der EU-Dual-Use-Verordnung oder dem Teil I der Ausfuhrliste der Außenwirtschaftsverordnung (Anlage zur AWV) erfasst werden. Wichtig: Alle genannten Vorschriften und vor allem ihre Anhänge sind Änderungen unterworfen, prüfen Sie immer die jeweils aktuelle Fassung.
Die Europäische Güterliste in Anhang I der EU-Dual-Use Verordnung:
legt für alle Mitgliedstaaten der EU die Güter mit doppeltem Verwendungszweck fest, für deren Ausfuhr aus dem Unionsgebiet eine Genehmigungspflicht besteht (einige Güter des Anhangs I sind auch innerhalb der Europäischen Union genehmigungspflichtig, diese Güter sind in Anhang IV genannt).
Zu beachten sind auch die Allgemeinen Anmerkungen zu Anhang I, hier finden sich Regelungen u. a. zu Bestandteilen, Technologien oder Software.
Anwendungsbeispiel:
Biostoffe finden sich in Anhang I, Teil III, Kategorie 1 C Werkstoffe und Materialien. Unter 1C351 sind Human- und tierpathogene Erreger sowie Toxine gelistet. Unter 1C353 sind genetische Elemente oder GVO aufgenommen, unter 1C354 zusätzlich die pflanzenpathogenen Erreger.
Die Nationale Ausfuhrliste als Anlage der Außenwirtschaftsverordnung:
bestimmt die nationalen Genehmigungspflichten für Rüstungsgüter und Dual-Use-Güter.
Ein gemeinsames, unverbindliches Stichwortverzeichnis zu Teil I der Ausfuhrliste und des Anhangs I der EU-Dual-Use-Verordnung finden Sie hier.
Was muss ich bei der Nutzung von Cloud-Diensten beachten?
Die Bereitstellung von Wissen oder Technologien in einer Cloud kann bereits einen Export darstellen. Dies ist der Fall, wenn auch Personen aus dem Ausland Zugriff auf die Inhalte haben oder die Daten auf Servern außerhalb Deutschlands gehostet werden.
Für den grenzüberschreitenden Austausch von Informationen, die auf einer Cloud abgelegt sind, müssen die außenwirtschaftsrechtlichen Genehmigungspflichten oder Verbote beachtet werden.
Hinweis: Der Austausch von bereits allgemein zugänglichen Informationen ist unkritisch, siehe Frage „Wann wird keine Genehmigung benötigt?“.
Was ist „technische Unterstützung“?
Technische Hilfe oder technische Unterstützung ist jede technische Unterstützung im Zusammenhang mit Reparaturen, Entwicklung, Herstellung, Montage, Erprobung, Wartung oder jeder anderen technischen Dienstleistung. Technische Hilfe kann auch in Form von Anleitung, Beratung, Ausbildung, Weitergabe von praktischen Kenntnissen oder Fertigkeiten oder in Form von Beratungsdiensten erfolgen, einschließlich Hilfe in verbaler Form.
Mein Gut soll ausschließlich zu zivilen Zwecken verwendet werden, eine militärische Nutzung ist nicht vorgesehen. Brauche ich dennoch eine Genehmigung?
Ja, denn die Einstufung von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck basiert auf objektiven technischen Kriterien; die Endverwendung und der Endverwender spielen bei der Einstufung keine Rolle. Allerdings spielt die Endverwendung und die beteiligten Parteien eine entscheidende Rolle im Hinblick auf die Genehmigungsfähigkeit.
Mein Gut ist nicht gelistet, kann ich also davon ausgehen, dass keine Genehmigung erforderlich ist?
Nein, auch die Ausfuhr oder Verbringung nicht gelisteter Güter kann einer Genehmigungspflicht unterliegen, und zwar dann, wenn diese im Zusammenhang mit einer sensitiven Verwendung ausgeführt bzw. verbracht werden (Art. 4, 5, 9 und 10 der EU-Dual-Use-Verordnung oder § 9 AWV). Die verwendungsbezogenen Genehmigungspflichten werden auch als „Catch-All-Kontrollen“ bezeichnet.
Wann wird keine Genehmigung benötigt?
Von der Genehmigungspflicht ausgenommen ist die Weitergabe der Information zu wissenschaftlicher Grundlagenforschung und allgemein zugängliche Informationen.
Im Detail beschreibt das Handbuch „Exportkontrolle und Academia“ des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle: "Die Weitergabe von Wissen, das bereits „allgemein zugänglich“ (public domain) oder Teil der „wissenschaftlichen Grundlagenforschung“ ist, bedarf – anders als der Export von Waren – keiner Genehmigung. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die naturwissenschaftliche Einstufung einer Forschung als Grundlagenforschung nicht zwingend mit ihrer außenwirtschaftsrechtlichen Einstufung übereinstimmt. So handelt es sich z. B. bei Forschung, die mit Mitteln aus der Industrie finanziert wird, in aller Regel nicht um wissenschaftliche Grundlagenforschung im Sinne des Außenwirtschaftsrechts."
Gibt es praktische Beispiele, an denen ich mich orientieren kann?
Ja, das Handbuch „Exportkontrolle und Academia“ des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle beschreibt in Kapitel 1.12 „Fälle aus der Praxis“.
Wo finde ich weiterführende Informationen?
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle hat auf seiner Website ausführliche Informationen zu dem Thema „Exportkontrolle und Wissenschaft“ zusammengestellt. Bitte beachten Sie besonders das Handbuch „Exportkontrolle und Academia“ des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle sowie das Merkblatt zum Thema „Exportkontrolle und Academia“.