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Lehre@Philipp 2019
Viel Einsatz für begeisternde Lehre
Dritter „Tag der Lehre“ stand im Zeichen neuer Lehrideen
Lehre, die Studierende begeistert und Forschungserkenntnisse transportiert – dafür setzt sich die Philipps-Universität Marburg ein. Am Mittwoch, 20. November 2019, würdigte die Universität Marburg mit dem „Tag der Lehre“ zum dritten Mal kreative Ideen für Lehrkonzepte und -methoden. Auszeichnung fanden sowohl Ideen von Lehrenden als auch von Studierenden, darunter das erste digitale linguistische Escape Room-Spiel Deutschlands und ein Brettspiel für Medizinstudierende zur Übung von Differentialdiagnosen. Die Philipps-Universität fördert die Konzepte mit insgesamt rund 45.000 Euro.
Am Nachmittag lud ein interaktiver Disqspace dazu ein, bereits erfolgreich umgesetzte und evaluierte Lehrideen kennenzulernen. Im Foyer des Hörsaalgebäudes präsentierten die Gewinnerinnen und Gewinner des Lehrpreises „Lehre@Philipp“ des vergangenen Jahres ihre Projekte. Darüber hinaus gaben die durch die neue Zukunftswerkstatt für digital gestützte Hochschullehre der Philipps-Universität unterstützten „DigiMR-Fellows“ einen Einblick in ihre Arbeit.
Auch in diesem Jahr zeichnete die Philipps-Universität im Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas am Abend wieder Ideen für bereichernde Lehrprojekte aus und fördert ihre Umsetzung mit dem Lehrpreis „Lehre@Philipp“. Antje Kessler und Sabine Holzloehner vom Fast Forward Theatre stimmten das Publikum mit einer improvisierten Zusammenfassung des bisherigen Tages auf die Preisverleihung ein. Im Anschluss eröffnete Prof. Dr. Katharina Krause, Präsidentin der Philipps-Universität, die Festveranstaltung. „Die Studierenden und Lehrenden der Philipps-Universität zeigen großes Engagement für innovative Lehrmethoden. Beim Blick auf die Konzepte unserer Preisträgerinnen und Preisträger wünscht man sich fast, wieder studieren zu dürfen“, sagte Krause und gratulierte allen Preisträgerinnen und Preisträgern. Prof. Dr. Evelyn Korn, Vizepräsidentin für Studium und Lehre an der Philipps-Universität, prämierte im Anschluss die diesjährigen Gewinnerinnen und Gewinner. „Ganz besonders freue ich mich über die studentischen Projekte. Die Studierenden gestalten aktiv ihren Lernprozess mit. Das ist eine wichtige Perspektive für unsere Lehrenden“, sagte Korn. „Gute Ideen allein reichen aber nicht – genauso wichtig ist ein Umfeld, das diesen Ideen Raum gibt. Der Lehrpreis leistet einen wichtigen Beitrag dazu. Die Preisträgerinnen und Preisträger erhalten durch die Förderung die Möglichkeit, ihre Konzepte im Lehr- und Lernalltag auszuprobieren“, so Korn.
Die Preisträgerinnen und Preisträger „Lehre@Philipp“ 2019:
Student Niklas Netter entwickelte ein Konzept zur Integration moderner Computermethoden in die Lehre am Fachbereich Physik. Insbesondere Kenntnisse aus den Bereichen Machine Learning und Künstlicher Intelligenz und deren Anwendung in der Praxis stellen für Absolventinnen und Absolventen einen wichtigen Wettbewerbsvorteil dar. Am Fachbereich gibt es zwar Lehrveranstaltungen, die elementare Beispiele aus diesen Bereichen untersuchen und üben, aber das Anwenden auf konkrete und komplexere Fragestellungen aus der Berufspraxis kommt dabei meist zu kurz – auch weil die Rechnerkapazitäten für Studierende zu knapp bemessen sind. Genau hier greift das von Netter entwickelte Konzept, das auf zwei Säulen fußt: Die Sichtung, Archivierung und Bereitstellung bestehender computergestützter Lehrmittel für den Einsatz im Vorlesungsbetrieb sowie den Aufbau einer studentischen Rechnerinfrastruktur, mit deren Hilfe sich Studierende mit modernen Algorithmen vertraut machen und in eigenen Anwendungen und Simulationen erproben können.
Prof. Dr. Stefan Bösner vom Fachbereich Medizin strebt an, die Thematik „Global Health“ stärker in die medizinische Ausbildung einzubringen. Die heutige Medizinergeneration muss sich neben dem etablierten biomedizinischen Wissen auch den komplexen Fragen und Problemen widmen, die eine zunehmend vernetze Welt im Zeitalter der Globalisierung mit sich bringt. Darunter Ungerechtigkeit und Ungleichheit in der weltweiten medizinischen Versorgung, großen Dysbalancen in der durchschnittlichen Lebenserwartung in verschiedenen Ländern oder einem Wiederaufflammen von Infektionskrankheiten. Das bereits bestehende Seminar „Global Health für Vorkliniker“ ermöglicht Studierenden frühzeitig diese und andere Thematiken zu reflektieren. Sowohl für die Selbstlernphase als auch für die Präsenzphase sollen nun neue Formen digitalisierter Lehre in das Seminar integriert werden – darunter Lehrvideos basierend auf Bildmaterial, das Bösner während seiner langjährigen Tätigkeit als Arzt in Bürgerkriegsgebieten gesammelt hat, Screencasts zu webbasierten epidemiologischen Datenbanken, webbasierte Übungen und Live-Votings sowie der Einsatz eines interaktiven E-Boards.
Prof. Dr. Rolf Kreyer vom Fachbereich Fremdsprachliche Philologien hat das erste digitale linguistische Escape Room-Spiel Deutschlands namens „The Linguist’s Lair“ (TLLp) entwickelt. Das Spiel führt die Studierenden virtuell durch die Räume der Arbeitsgruppe von Kreyer. Jeder Raum ist dabei einem Themenblock der Einführungsveranstaltung der Linguistik zugeordnet, zum Beispiel „Syntax“ oder „Pragmatik“. Ziel ist, an den Schlüssel für die Flurtür zu gelangen, die in die Freiheit führt. Auf dem Weg dahin müssen linguistische Rätsel gelöst werden. Im Raum selbst sind Hinweise und Gegenstände verborgen, die notwendige Informationen und Gegenstände liefern. Hintergrund für die Entwicklung des Spiels ist, dass der Teilbereich Linguistik für Studierende der anglistischen Fächer gerade in der Studieneingangsphase besonders herausfordernd sein kann. Denn im Gegensatz zu literatur- und kulturwissenschaftlichen Inhalten, die sich auch im Schulcurriculum finden, tritt die Linguistik als schulischer Lerngegenstand nicht in Erscheinung. Der spielerische Ansatz soll die Studierenden in besonderer Weise motivieren, eine solide Grundlage für ihr weiteres Studium zu legen.
Das Seminar „Medizin trifft Pharmazie“ von Dr. Tina Stibane und Prof. Frank Czubayko vom Fachbereich Medizin sowie Prof. Carsten Culmsee vom Fachbereich Pharmazie und Dr. Andreas Klemmer vom UKGM verfolgt die Zielsetzung, die Zusammenarbeit von Ärztinnen und Ärzten mit Apothekerinnen und Apothekern zugunsten patientenorientierter Heilverfahren zu verbessern. Medizinstudierende erlernen Grundlagen der medikamentösen Versorgung der Patientinnen und Patienten und Pharmaziestudierende medizinische Grundlagen. Bis zur Einführung des Seminars im Wintersemester 2018/19 gab es keine gemeinsamen Lehrveranstaltungen. Die Sichtweise und Kompetenzen der jeweils anderen Berufsgruppe sind für das Wohl der Patientinnen und Patienten aber sehr wichtig, beispielsweise um Fehler in der Dosierung oder unerwünschte Wechselwirkungen zu vermeiden. Das Seminar beinhaltet eine exemplarische Visite am Patientenbett in der Klinik, bei der sowohl die medizinische Sicht und ihre Erkrankungen als auch die pharmazeutische Sicht auf die medikamentöse Therapie und Arzneimittelrisiken mit vielfältigen Neben- und Wechselwirkungen Raum finden. In einem Seminarformat erarbeiten Studierende beider Fachbereiche darüber hinaus in interprofessionellen Kleingruppen Diagnosen und die mögliche Therapie anhand von komplexen realistischen Fallbeispielen.
Prof. Dr. Norbert Donner-Banzhoff, Prof. Dr. Annette Becker, Prof. Dr. Stefan Bösner, Dr. Jörg Haasenritter, Katrin Kuss, Dr. Matthias Michiels-Corsten, Kathrin Schlössler, Dr. Annika Viniol und Muazzez Ilhan vom Fachbereich Medizin entwickelten ein Spiel, das Medizinstudierenden eine bessere Differentialdiagnose erleichtern soll. Die Stellung einer Diagnose ist eine der größten Herausforderungen im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit. Die bisherige Lehre ist überwiegend krankheitsbezogen. Sie beginnt mit einer Störung und schließt davon auf Symptome und Befunde. Bei der Diagnose in der realen Versorgung ist die Denkrichtung jedoch umgekehrt – es muss von Symptomen und Befunden auf eine Erkrankung geschlossen werden. Hier setzt das Brettspiel an. Nach der Präsentation der Symptomatik erarbeiten die Studierenden gemeinsam eine Lösung des diagnostischen Problems für die Patientin bzw. den Patienten. Diese mag darin bestehen, für eine bestimmte Erkrankung eine Therapie zu beginnen, eine bestimmte Hypothese nicht mehr zu verfolgen oder bewusst eine Abwartestrategie zu wählen. Die Kombinationen von Symptomen und Befunden werden durch einen gesteuerten Zufallsprozess generiert. Die so bislang zustande gekommenen Fälle wurden von erfahrenen Ärztinnen als ausgesprochen lebensnah empfunden.