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Von der Marburger Studentin zur
… Trompeterin auf dem Jazzpodium

Das Foto zeigt Heidi Bayer.
Foto: Franka Hils

Was fällt Ihnen spontan zu Marburg ein?

„Herzchenturm“ und „Oberstadtaufzug“ – für mich zwei Dinge, die mich damals sehr fasziniert hatten.

Wo haben Sie damals gewohnt?

Im schnuckeligen Stadtteil Weidenhausen – bis heute einer meiner Lieblingsorte in Marburg.

Warum haben Sie gerade an der Philipps-Universität studiert?

Ich hatte während meiner Schulzeit viele Interessen und wusste nicht, ob ich mich auf eine davon spezialisieren oder lieber nach etwas Ausschau halten sollte, was ein paar von ihnen vereint. Ersteres wäre mit einem größeren Wagnis verbunden gewesen, da meine Interessen allesamt im kreativen Bereich lagen (Malen, Zeichnen, Instrumente, Jazz) und mir klar war, dass man darin zum einen sehr gut sein sollte und es vor allen Dingen wirklich wollen müsste, um später davon leben zu können. Da kam Marburg mit seinem Studiengang „Kunst, Musik und Medien“ gerade recht! Auch wenn ich hier meine praktischen Interessen nicht ausleben konnte, hatte ich ein recht großes grundsätzliches Interesse an den theoretischen, historischen und anwendungsorientierten Zusammenhängen und musste das erstgenannte Wagnis somit nicht eingehen.

Was war ihr damaliger Berufswunsch?

Es kommt auf die Phase meines Studiums an. Am Anfang dachte ich, ich lande mal im künstlerischen Organisationsteam eines Jazz-Festivals oder ähnliches. Später im Studium und in diversen Praktika wurde mir immer klarer, dass ich eigentlich nicht hinter den Kulissen, sondern selbst Teil des Geschehens auf der Bühne sein möchte.

Was würden Sie als Studienanfängerin heute anders machen?

Meinen ersten Hexenschuss hatte ich beim Tanzen in Marburg im Nachtsalon (peinlich – ein Trauma im Nachtsalon sozusagen – wahrscheinlich kann ich mir die Namen der beiden Clubs deshalb noch so gut merken!). Von daher: regelmäßig Sport machen von Anfang an. Und mir nicht jedes Mittagessen in der Mensa einen Nachtisch gönnen, nur weil drei Beilagen im Preis inbegriffen sind... 

Was ist Ihre schönste Erinnerung an die Studienzeit? Woran erinnern Sie sich besonders ungern?

Meine schönsten Erinnerungen stammen aus der Zeit mit der Studierenden-Bigband, mit meinen Freunden aus dem Studium und von den Jazz-Sessions im Jazz-Club „Cavete“; meine dortigen Freunde waren es auch, die mir den Mut zugesprochen hatten, nochmal Musik zu studieren (an dieser Stelle viele Grüße an Robin Bäumner und Patrick Müller-Nolte! Ich danke euch!). Schlechte Erinnerungen an meine Marburger Zeit habe ich kaum. Höchstens den Hexenschuss.

Was haben Sie in Ihrer Freizeit gemacht?

Wie gesagt war ich in meiner Freizeit meistens mit Musikmachen beschäftigt. Entweder anzutreffen im Musizierhaus (tolle Einrichtung!), in Bandproben und Konzerten, in der Cavete. Aber auch beim Uni-Sport (z.B. Kajak fahren auf der Lahn) und abends in den Kneipen der Oberstadt, im Kino und gelegentlich auch mal tanzen – im Nachtsalon und Trauma, die anderen Namen fallen mir nicht mehr ein.

Was haben Sie in Ihren Studienjahren neben dem fachlichen Wissen gelernt?

Ich würde sagen, dass ich vor allen Dingen rückblickend viel gelernt habe. Sicher war ich nicht uninteressiert an der Materie als solcher, aber ich habe im Gegensatz zu vielen meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen nie dafür „gebrannt“. Ich war mehr Mitläuferin als Gestalterin. Aus heutiger Sicht würde ich jedem, vor allem jungen Frauen, raten, auf ihr Inneres zu hören und sich auch gerne mal mehr zuzutrauen. Wenn man an etwas richtig Spaß und ehrliches Interesse hat, dann wird es auch funktionieren. Auch wenn man dafür Umwege in Kauf nehmen muss, die immer für etwas gut sind.

Zu welchem Thema haben Sie Ihre Examensarbeit verfasst?

Zum Thema „Interkulturelle Musikpädagogik am Beispiel der Orientalischen Musikakademie Mannheim“. Ich hatte immer schon ein großes pädagogisches Interesse und hatte mich auf die Suche nach erfolgreichen Wegen gemacht, wie die Musik zum verbindenden Element für Jugendliche unterschiedlicher Kulturen werden kann.

Wie sind Sie zu Ihrem heutigen Beruf gekommen?

Je näher mein Abschluss in Marburg kam, desto mehr drängte sich mir die Frage auf, ob ich es nicht doch noch wagen sollte, mich für einen Platz an einer Musikhochschule zu bewerben und auf den Rat meiner Freunde zu hören. Ich dachte: „Mehr als durch die Aufnahmeprüfung zu rasseln kann mir nicht passieren – und wenn das passiert, dann kann ich immer noch meinen Master in Kulturmanagement machen.“ Mit dieser Einstellung bestand ich mitten im Bachelor-Arbeit-Schreiben die Aufnahmeprüfung an der Hochschule für Musik Mainz.

Was bringt Ihnen Ihr Studium für Ihren Beruf?

Ich bin sehr dankbar für die wissenschaftlichen Komponenten des Studiums: das Verfassen von Texten, das Erlernen des wissenschaftlichen Arbeitens im Allgemeinen und den weiten und vielfältigen Blick über den Tellerrand. Rückblickend würde ich es genauso nochmal machen und nicht bereits direkt nach dem Abitur ein Musik-Studium beginnen. Zumindest für mich war es der richtige Weg, den Blick nochmal zu öffnen und mich danach erst zu spezialisieren. Das kann aber natürlich bei jedem unterschiedlich sein.

Heidi Bayer

Jahrgang 1987, lebt und arbeitet seit 2015 als Trompeterin, Komponistin und Instrumentalpädagogin in ihrer Wahlheimat Köln. An der Philipps-Universität studierte Heidi Bayer von 2007 bis 2010 den Bachelor-Studiengang Kunst, Musik und Medien. Anschließend wechselte sie an die Hochschule für Musik Mainz und schloss dort 2015 mit dem Bachelor of Music ab. Neben ihrer Konzerttätigkeit absolvierte die Künstlerin das Masterstudium „Improvising Artist“ an der Folkwang Universität der Künste in Essen.

Die Trompeterin und Flügelhornistin spielt in kleineren Formationen, ist aber auch Mitglied des „Subway Jazz Orchestras“ und in der deutschen Bigband-Szene zu Hause. Heidi Bayer lehrt die Fächer Jazz-Trompete, Ensembleleitung und Bigband an der Universität Oldenburg und an der Hochschule für Musik und Tanz Mannheim.

Mit ihrem Duo „Bayer//Scobel“ gewann die Künstlerin 2018 den Folkwang Jazz Preis. Zwei Jahre später erschien das Debut-Album ihres Quartetts „Virtual Leak“ und im April 2022 veröffentlichte sie ihr zweites Album als Bandleaderin mit ihrem neuen Quintett „KORSH“.

Text: Ellen Thun

Der Fragebogen war im Marburger Unijournal Nr. 60 aus dem Winter 2019/20 abgedruckt. Das komplette Heft finden Sie hier.