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Von der Marburger Studentin
… zur Moderatorin, Comedienne und Schauspielerin
Was fällt Ihnen spontan zu Marburg ein?
Marburg ist magisch, eine echte Märchenstadt. Und dann auch noch die Stadt mit der höchsten Kneipendichte in ganz Deutschland. Außerdem ist Marburg die blindenfreundlichste Stadt Deutschlands. Diese Kombination macht Marburg einmalig.
Wo haben Sie damals gewohnt?
Eigentlich überall: In Wehrda, im Studentendorf, in einer WG mit Medizinstudentinnen, in einem Wohnheim in der Oberstadt…ich bin so oft umgezogen, dass ich manchmal selbst nicht mehr wusste wo ich wohne.
Warum haben Sie gerade an der Philipps-Universität studiert?
Sie war die einzige Uni, an der man Geisteswissenschaften mit dem Fach „Angewandte Grafik und Malerei“ und Medienwissenschaften kombinieren konnte. So kam ich nach Marburg und eine tolle Zeit begann.
Warum haben Sie die Fächer Anglistik, Medienwissenschaften sowie Grafik und Malerei gewählt?
Ich steckte damals in einem Dilemma: Ich konnte mich bis zum Abitur nicht für ein Studienfach entscheiden. Doch dann hatte ich eine Vision: Ich wollte unbedingt Künstlerin werden. Die Visionen meines Vaters sahen aber leider anders aus: Ich sollte etwas „Bodenständiges“ lernen. Also wählte ich Anglistik als Alibi und schrieb mich ganz versehentlich noch bei Grafik und Malerei ein.
Was war Ihr damaliger Berufswunsch?
Keine Ahnung. Danach suche ich bis heute. Vermutlich irgendwas mit Medien….
Wie haben Sie Ihr Studium finanziert?
Ich habe damals als Messehostess und Dolmetscherin gejobbt; und für ein Marktforschungsinstitut, aber das war ganz furchtbar!
Was haben Sie neben dem fachlichen Wissen gelernt?
Wie man einen lebendigen Oktopus seziert. Das hat mir meine Freundin und Mitbewohnerin Ming Ling immer wieder gerne in der WG-Küche präsentiert. Und wie schön multikulturelles Leben sein kann, nicht nur, aber auch wegen Ming Ling.
Haben Sie sich neben dem Studium engagiert?
Neben der Gründung des Englischen Theaters habe ich diverse Inklusions- und Integrationsprojekte begleitet, unter anderem beim Merhaba-Projekt, das Studierenden mit Migrationshintergrund Hilfe beim Berufseinstieg bot.
Zu welchem Thema haben Sie Ihre Examensarbeit verfasst?
„Carol Churchill und das Englische, Feministische Frauentheater“.
Was haben Sie in Ihrer Freizeit gemacht?
Bogenschießen, Kanufahren an der Lahn (mehrmaliges Kentern inklusive); Kunstfilme im Rex-Kino schauen und hauptsächlich: Partys organisieren und besuchen.
Was ist Ihre schönste Erinnerung?
Karaokeabende mit Austauschstudentinnen und -studenten aus 20 Ländern. Die Gründung des englischen Theaters der Anglistischen Fakultät, bei der ich mitgewirkt habe. Und: Impro-Comedy in der Alten Waggonhalle. Ein Grundstein dafür, dass ich später bei der Comedy gelandet bin.
Was waren Ihre Lieblingsorte?
Der Spiegelslustturm bei Sonnenuntergang (bei einem Date); der Botanische Garten war ganz toll. Und sehr geliebt habe ich den Gockelhahn des Rathauses, sein Krähen ist einmalig und unverwechselbar.
An was erinnern Sie sich besonders ungern?
An das Gebäude der Philologischen Fakultät. Man nennt die Fakultät ja deshalb auch zu Recht „Elefantenfüße“, weil die Gebäude von oben aussehen wie klobige, verhornte Füße. Braucht kein Mensch. Und an die enormen Höhenunterschiede innerhalb der Stadt. In der Oberstadt zu wohnen konnte ein absoluter Albtraum sein…wenn du mit schweren Einkaufstaschen über die Kopfsteinpflaster den Berg hoch stolpern musstest. In Marburg braucht eigentlich niemand ins Fitnessstudio.
Sehen Sie Ihr Studium als notwendige Voraussetzung für Ihren beruflichen Werdegang?
Nein. Hätte ich friesische Philologie studiert, wäre ich wohl trotzdem die, die ich heute bin. Aber die menschlichen Begegnungen, die haben mich nachhaltig geprägt.
Haben Sie noch Kontakt zu ehemaligen Kommilitoninnen und Kommilitonen?
Ja, auch wenn sie in alle Himmelsrichtungen verstreut sind. Und wir schwelgen immer noch in unseren Erinnerungen an Marburg.
Was würden Sie als Studienanfängerin heute anders machen?
Ich würde meine Studiengänge noch viel intensiver auskosten – und das Rex-Kino; ich würde mir dort in Dauerschleife Filmklassiker reinziehen. Gut… und vielleicht ein paar Englischvokabeln mehr lernen.
Wie sind Sie zu Ihrem heutigen Beruf gekommen?
Nach einem kurzen Exkurs in der Werbebranche bin ich als Comedyautorin und Sprecherin bei 1Live eingestiegen. Dann habe ich, unter anderem bei Nightwash und im Quatsch Comedy Club, meine ersten Stand-up-Nummern gespielt; später bin ich mit meinem eigenen Solo getourt und dann ins Fernsehen gewechselt.
Sind Sie noch ab und zu in Marburg?
Ja, Marburg rockt noch immer. Ich versuche, Minimum zweimal im Jahr nach Marburg zu kommen; mein Mann ist auch schon ein großer Fan.
Haben wir eine Frage vergessen?
Klar: „Können Sie auch anderen empfehlen, in Marburg zu studieren?“ Dann würde ich antworten: Ja, das darf sich niemand entgehen lassen. Denn nirgendwo sonst kann man bessere Aufläufe essen und in einem derartig familiären und vielfältigen Umfeld studieren.
Meltem Kaptan:
Ihre Vielseitigkeit bewies die Comedienne und Schauspielerin Meltem Kaptan bereits als Studentin. 1980 als Tochter einer Lehrerin und eines technischen Zeichners aus Rize (Türkei) in Gütersloh geboren, studierte sie in Marburg und Istanbul Anglistik, Medienwissenschaft sowie Grafik und Malerei. Außerdem absolvierte sie eine internationale Schauspiel- und Gesangsausbildung in Istanbul und Washington (USA).
Seit 2003 wirkte Kaptan in den USA in Musicalproduktionen und in der Türkei in diversen Kurzfilmen mit. Ihre TV-Karriere startete sie 2008 mit Auftritten in Formaten wie „Ladies Night“ und der „Bülent Ceylan Show“. Ab 2013 moderierte sie „Das große Backen“ und ging mit ihrem eigenen Comedy-Programm auf Tournee. In der Türkei war sie 2017 als Hauptdarstellerin einer Action-Komödie erfolgreich und im deutschen Fernsehen glänzte sie in mehreren Formaten, darunter die Erfindershow „Wie genial ist das denn?!“und die Kabarett-Sendung „Ladies Night“. Seit 2021 präsentiert sie auf VOX die tägliche Sendung „Allererste Sahne – Wer backt am besten?“.
Ganz aktuell ist sie auch als Schauspielerin höchst erfolgreich: Unter der Regie von Andreas Dresen drehte sie in Deutschland, den USA und der Türkei den Spielfilm „Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush“. Im Februar dieses Jahres wurde sie für ihr Rolle auf der Berlinale mit dem Silbernen Bären für die beste Schauspielleistung ausgezeichnet. Meltem Kaptan ist verheiratet und lebt in Köln.
Text: Ellen Thun
Der Fragebogen war im Marburger Unijournal Nr. 65 vom Winter 2021/22 abgedruckt. Das komplette Heft finden Sie hier.