24.02.2009 Eine Studie und ihre Folgen
Eine neue Studie des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung besagt, dass eher die schlechteren Abiturienten Lehrer - mit Ausnahme der angehenden Gymnasiallehrer - werden, als die Schüler mit besseren Noten. Der Bildungsökonom Ludger Wößmann macht die wenigen Aufstiegsmöglichkeiten, die es im Lehramtsberuf gibt, für diese Entwicklung mitverantwortlich.
"Das muss sich ändern", dachte sich Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU). Sie forderte am Wochenende, dass Unternehmen aus der Wirtschaft ihre besten Mitarbeiter als Lehrer an die Schulen schicken sollen. Als Beispiel nannte die CDU-Politikerin einen Ingenieur, der zwei Stunden wöchentlich Physik- oder Mathematikunterricht geben könnte. Nicht mehr als einen Karnevals-Gag sehen die Lehrerverbände in diesem Vorschlag und kritisieren den Aussagewert der auslösenden Studie. Der Bildungsökonom Ludger Wößmann vom ifo-Institut in München hatte herausgefunden, dass der Lehrerjob Abiturienten mit eher durchschnittlichen bis schlechten Noten anzieht. In einem Interview im Deutschlandfunk hat sich Prof. Wößmann ausführlich zur Studie geäußert. Eine Ausnahme stellen die angehenden Gymnasiallehrer dar. Ihre Abiturnoten liegen mit 2.11 über dem Abiturdurchschnitt anderer Hochschulabsolventen. Dies bestätigt auch die Marburger Studie von 2003 (Lersch, R. 2006, S.3 - PDF), in der die Lehramtsstudierenden einen Abiturdurchschnitt von unter 2.0 hatten.
Kritik an politischen Entscheidungen à la Schavan kam nicht nur den Lehrerverbänden, sondern von fast allen Seiten. Derweil forderte die Vereinigung hessischer Unternehmerverbände (VhU) in ihrer Initiative "Neue Lehrer braucht das Land", die Verantwortung für die gesamte Lehrerausbildung in einer "Pädagogischen Universität Hessen" zu bündeln. Ohne eigenen Campus, aber ausgestattet mit viel Geld, könnte sie mit den hessischen Hochschulen Verträge abschließen und bestimmen, welche Kompetenzen ein Lehramtsstudent erreichen soll. Wie die Kultusministerin Dorothea Henzler (FDP) der Frankfurter Rundschau mitteilte, habe die VhU mit ihrem Vorschlag "den Finger in die Wunde gelegt", da die Zentren für Lehrerbildung an den Universitäten kaum eine Verbesserung gebracht hätten. Nach wie vor sei der Stellenwert der Lehrerbildung zu gering und es fehle es am Praxisbezug.
Hintergrund der Debatte ist der steigende Lehrerbedarf und die damit verbundenen Abwerbkampagnen einzelner Bundesländer. Kultusministerin Henzler will die Abwerbung von Lehrern bei der Kultusministerkonferenz im März zum Thema machen.
Siehe auch
- Lehrermangel in Zeiten des Karnevals. Ein Kommentar von Ulrich Hermann
- Wilde Vorschläge. Weblog-Eintrag von Gabi Reinmann
- "Lehrer fühlen sich zu Recht düpiert". Ein Interview mit Kultusministerin Dorothea Henzler, in dem sie auch das im Koalitionsvertrag aufgenommene Thema "Persönlichkeitseignung" erwähnt.
- Replik von Thomas Kerstan (Die Zeit): "Dass eine nicht richtig verstandene Studie und eine wenig durchdachte Äußerung einer Ministerin ein derartiges Medienecho auslösen, wirft eher ein schlechtes Licht auf einen anderen Berufsstand: den der Journalisten."
- Eine Untersuchung des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (MPIB) überprüfte die Annahme, dass vor allem Abiturienten mit unterdurchschnittlichen Leistungen Lehrer werden wollen. In ihr findet sich "kein Hinweis darauf, dass die Lehramtsstudenten aus einer Negativselektion hervorgehen". Entscheidend ist die Erkenntnis der Bildungsforscher, dass der berufliche Erfolg von Lehrern im Wesentlichen von der Art und Qualität der Lehrerausbildung abhängt. Quelle: Heike Schmoll in der FAZ.