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(Hoch)Schule. Macht. Geschlecht.

Fachtag im Rahmen der Lernwelten

Foto: Z. Morbach


Wann: Freitag, 22.11.2024, 12:30 - 18:00 Uhr
Wo: Forschungszentrum Deutscher Sprachatlas, Pilgrimstein 16
Offen für: Lehrkräfte, Studierende, Hochschulmitarbeitende und anderweitig Interessierte

Die Veranstaltung wird über die Hessische Lehrkräfteakademie als Fortbildung akkreditiert. 

Die verbindliche Anmeldung ist ab jetzt über Eveeno möglich: eveeno.com/umrdivers_gender_anmeldung
Der Anmeldeschluss ist der 10.11.2024

Programm: 

12:30-13:00 Registrierung
13:00-13:15 Grußwort von Prof.in Kati Hannken-Illjes, Vizepräsidentin für Bildung

Begrüßung durch Prof.in Constanze Spieß, Institut für Germanistische Sprachwissenschaft, AG Pragmalinguistik

Moderation: Dr. Inga Nüthen, Vertretungsprofessur Universität Kassel
13:15-15:15 Impulsvorträge von Prof.in Yalız Akbaba, Prof.in em. Barbara Rendtorff und Prof. Tamás Jules Fütty
15:15-15:45 Pause
15:45-17:15 Workshops
17:15-17:30 Schlusswort
anschließend Ausgabe der Teilnahmebescheinigungen

 

Details zu den einzelnen Programmpunkten finden Sie im Folgenden: 

Vorträge

  • Professorin Yalız Akbaba (Philipps-Universität Marburg): „Die Einübung kolonialismuskritischer Lesefähigkeit“

    In der Regel verbinden wir mit Bildung etwas Gutes, etwas Erstrebenswertes. Perspektiven, die das Fortbestehen kolonialer Verhältnisse kritisch in den Blick nehmen zeigen, dass Bildung nicht per se gut ist. Sie ist Produkt von machtvollen Produktionsprozessen, die in einer Kontinuität von kolonialen Strukturen, Denk- und Verhaltensmustern stehen. Im Vortrag wird beispielhaft eine Schulbuchseite aus der Sekundarstufe 2 analysiert, auf der Kolonialismus thematisiert und dabei die Verschränkung weißer Vorherrschaft, Kapitalismus und Patriarchat gefestigt wird. Aus diesen Ordnungssystemen resultieren Rassismus, Sexismus, Klassismus und ihr vielfältiges Zusammenspiel. Für die Lehrkräftebildung ist es fundamental, diese in ihren subtilen Spielarten dekodieren zu lernen. Die Einübung von kolonialismuskritischer Lesefähigkeit kann auf der Ebene von Lehrmaterialien zu einer Unterbrechung von kolonialen Strukturen beitragen.

  • Professorin em. Barbara Rendtorff (Goethe Universität Frankfurt): „Un/Gleichzeitigkeiten oder Rhetorische Modernisierung? Zum Überdauern androzentrischer Strukturen im pädagogischen Feld“

    Die Debatten über Geschlecht, Geschlechterverhältnisse und die 'Geschlechterordnung' sind momentan von großer Widersprüchlichkeit gekennzeichnet: Einerseits lassen sich deutliche Veränderungen feststellen, die meist als Emanzipations- oder Freiheitsgewinne bestimmter gesellschaftlicher Gruppen (etwa von 'Frauen', homosexuellen oder queeren Menschen) dargestellt werden, als Liberalisierungstendenzen in Bezug auf starre Geschlechterstrukturen und als Zeichen für historische Brüche in der Geschlechterordnung. Aber zugleich gibt es doch vielfältige Hinweise darauf, dass traditionelle, oft als 'patriarchal' bezeichnete Strukturen und Denkmuster überdauern oder sogar als 'Re-Traditionalisierung' wiederkehren. Dies zeigt sich vor allem (aber nicht nur) an Formen der geschlechtlichen Arbeitsteilung in erziehungsbezogenen und pädagogischen Arbeitsfeldern und im Bereich personenbezogener Sorge. Wie passt das zusammen? Was tragen (Hoch-)Schule und pädagogische Einrichtungen dazu bei? Und wo gäbe es Ansätze zur Veränderung?

  • Professor Tamás Jules Fütty (Universität Klagenfurt): "Macht, Geschlecht und Bildung - zwischen Sprachverboten, heteronormativer Zweigeschlechtlichkeit und queerer Sichtbarkeit“

    In diesem Vortrag werden Widersprüche und Gleichzeitigkeiten beleuchtet: einerseits die zunehmende Sichtbarkeit und rechtliche Anerkennung  von geschlechtlicher und sexueller Vielfalt (‚Ehe für alle‘ 2017, Personenstand ‚divers‘ 2019 und Selbstbestimmungsgesetz 2024), sowie andererseits zweigeschlechtliche Strukturen und Normen im Kontext Bildung und Schule. Während für einige Sprachverbote, die mangelnde Anerkennung von geschlechtlicher Vielfalt im Schulalltag oder in der Lehramtsausbildung abstrakt oder unwichtig erscheinen, materialisieren sich diese in Diskriminierungs- und Gewaltverhältnissen, die die Lebensrealitäten von trans*, inter*, nicht-binären und queeren jungen Menschen weiterhin begrenzen und auch zu Angriffen auf geschlechtliche u.a. körperliche Selbstbestimmung führen können. Auch die (Hoch)Schule macht Geschlecht und reproduziert vergeschlechtlichte Machtverhältnisse, beinhaltet aber auch kritisches Potential der Hinterfragung und Reflexion.

Workshops

  • Christoph Oppenheimer (ProFamilia): „SCHLAU – ein queeres Antidiskriminierungs- und Bildungsprojekt - Chancen und Grenzen des Projektes in Bildungskontexten“

    In diesem Workshop soll vermittelt werden, welche Zielsetzung das SCHLAU-Projekt für Schulklassen hat und wie es versucht, diese umzusetzen. Außerdem werden Möglichkeiten zur Unterstützung und zur Sensibilisierung von queeren Lebensrealitäten in Bildungseinrichtungen thematisiert. 

    Referent: Christoph Oppenheimer – Dipl. Soziologe/Systemischer Therapeut / Coach / Supervisor und Koordinator von SCHLAU Marburg

  • Emma Behl (Philipps-Universität Marburg): „Jenseits der Androzentrik?! – Gendersensible Zugänge in den geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächern“

    Der interaktive Workshop zeigt die Relevanz von Gender in den geistes- und gesellschaftswissenschaftlichen Fächern auf und bietet Teilnehmenden die Möglichkeit, gendersensible Zugänge am Beispiel des Faches Ethik kennenzulernen und auf andere Fächer zu übertragen. Durch praktisches Handwerkszeug für eine gendersensible Analyse von Lehrmaterialien werden die Teilnehmenden ermutigt, einen kritischen Blick für männlichkeitszentrierte Strukturen zu entwickeln, um Wege zur Förderung von Geschlechtergerechtigkeit im Bildungskontext (Universität, Schule o. a.) zu ermöglichen.

  • Matti Traußneck (Philipps-Universität Marburg), Dr.in Denise Bergold-Caldwell (Universität Innsbruck): „Intersektionale Perspektiven auf Bildung(sprozesse)“

    Im Klassenzimmer kommen ganz unterschiedliche Lebenswelten zusammen. Das ist zum einen bereichernd, zum anderen aber auch eine Herausforderung. Lehrkräfte brauchen Wissen und Konzepte, um Vielfalt wohlwollend und diskriminierungssensibel zu fördern. Im WS führen wir kurz in den Begriff und die Praxis von Intersektionalität ein. Anhand von Beispielen aus dem Bildungsalltag üben wir, wie durch eine intersektionale Perspektive ein besseres Verständnis komplexer Dynamiken im Lehr- und Lernalltag möglich wird.

  • Professorin Judith Frohn (Bergische Universität Wuppertal): „Reflexiver Umgang mit Geschlecht im Sportunterricht“ 

    In kaum einem Unterrichtsfach ist Geschlecht so präsent wie im Sportunterricht. Ein Grund dafür ist die unvermeidbare Körperzentrierung des Sports, durch die geschlechtsbezogene Zuschreibungen aktualisiert werden; ein anderer liegt in der (impliziten) Bezugnahme auf den außerschulischen Sport, in dem sich geschlechterdifferente Anforderungen und Strukturen in zweigeschlechtlich strukturierten Leistungsklassen niederschlagen. Diese und weitere Aspekte, die die Relevanz von Geschlecht im Sportunterricht bedingen, werden in dem Workshop in einem ersten Schritt aufgezeigt. Nachfolgend werden die Herstellungsprozesse von Geschlecht im Sportunterricht und die Verstrickung von Lehrpersonen in diese Praktiken in den Blick genommen. Abschließend sollen Konzepte geschlechtersensiblen bzw. geschlechterreflektierenden Sportunterrichts vorgestellt und gemeinsam diskutiert sowie Fragen der Teilnehmenden aufgegriffen werden. Ziel ist es, einen kritisch-konstruktiven Blick auf Geschlechterverhältnisse im Sportunterricht zu erarbeiten. 

  • Dr.*in Helene Götschel (Europa-Universität Flensburg): „Biologisches Wissen im Geschlechterdiskurs“

    Wenn heute in der Wissenschaft, der Schule oder der Gesellschaft über Geschlechtervielfalt gesprochen wird, heißt es dabei meistens einschränkend, dass sich die Vielfalt auf das soziale Geschlecht beziehen würde. Biologisch, so ist dann oft zu hören, gäbe es jedoch nur Männer und Frauen. Dieses Alltagsverständnis von Zweigeschlechtlichkeit hält sich hartnäckig, z.B. in aktuellen Biologieschulbüchern. Dieser Standpunkt negiert und verletzt jedoch nicht nur intergeschlechtliche Menschen, er ist auch wissenschaftlich unterkomplex und einfach nicht auf dem aktuellen Stand. 

    Im Workshop wollen wir uns –aufbauend auf (natur-)wissenschaftlichen Erkenntnissen— damit auseinandersetzen, welche (kulturell geprägten) Vorstellungen wir als Studierende, Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst oder Lehrende an Hochschulen von Geschlecht haben, wie divers und komplex aktuelles biologisches Wissen über Geschlechtsentwicklung und Geschlechtervielfalt ist und wie wenig wir bislang über die Entwicklung von Geschlechtsidentität verstehen. Dabei setzen wir uns kritisch mit biologisch-psychologisch-medizinischem Wissen zur Geschlechtervielfalt auseinander und diskutieren Forschungsergebnisse aus Geschichte, Pädagogik und Kulturwissenschaften. Vorwissen in diesen Disziplinen wird nicht vorausgesetzt, aber Neugierde auf interdisziplinäre Fragestellungen und ein kritischer Blick sind hilfreich.